Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe). Jean Jacques Rousseau

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Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe) - Jean Jacques Rousseau

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aussetzen, lebhaft fühlt. Ich für mein Theil finde, je mehr ich mich mit unserer Lage beschäftige, desto mehr, daß die Vernunft von Ihnen dasselbe fordert, was ich von Ihnen im Namen der Liebe fordere. Folgen Sie also willig ihrer sanften Stimme und lassen Sie sich leiten, ach! von einem andern Blinden, der aber wenigstens einen Stab hat.

      Ich weiß nicht, mein Freund, ob unsere Herzen das Glück haben werden, sich zu verstehen, und ob Sie beim Lesen dieses Briefes die zärtliche Stimmung theilen werden, welche ihn eingegeben hat; ich weiß nicht, ob wir jemals in der Art die Dinge zu betrachten eben so wie in unserer Art zu fühlen übereinstimmen werden; aber das weiß ich, daß die Meinung desjenigen Theiles, der am wenigsten sein Glück von dem Glücke des andern trennt, die Meinung ist, welche den Vorzug verdient.

      Zwölfter Brief.

       An Julie.

       Inhaltsverzeichnis

      Meine Julie, wie rührend ist die Einfalt Ihres Briefes! wie sehr erblicke ich darin den heiteren Muth einer unschuldigen Seele und die zärtliche Besorgtheit der Liebe! Ihre Gedanken schwingen sich ohne Kunst und ohne Mühe empor; sie machen einen köstlichen Eindruck auf das Herz, den ein berechneter Styl nicht hervorbringt. Sie tragen unwiderlegliche Gründe mit so unschuldiger Miene vor, daß man darüber erst nachdenken muß, um ihre Gewalt zu fühlen, und die erhabenen Gefühle kosten Ihnen so wenig Anstrengung, daß man versucht ist, sie für Aeußerungen einer ganz gewöhnlichen Denkungsart zu nehmen. Ach ja gewiß, Ihnen gebührt es, unsere Bestimmung zu regeln; das ist nicht ein Recht, welches ich Ihnen einräume, sondern eine Pflicht, die ich von Ihnen fordere; es ist eine Gerechtigkeit, die ich von Ihnen erwarte; und Ihre Vernunft muß mich für den Raub entschädigen, welchen Sie an der meinigen begangen haben. Von diesem Augenblick an lege ich in Ihre Hände für mein ganzes Leben die Herrschaft über meinen Willen: verfügen Sie über mich wie über einen Menschen, der nichts mehr für sich selbst ist und dessen ganzes Wesen nur in Bezug zu Ihnen steht. Ich werde, zweifeln Sie nicht, das Gelübde halten, das ich Ihnen ablege, was Sie mir auch vorschreiben mögen. Entweder werde ich dadurch mehr werth sein, oder Sie werden wenigstens glücklicher sein, und in jedem Falle werde ich von meinem Gehorsam sicheren Gewinn haben. Ich übergebe Ihnen also ohne Vorbehalt die Sorge für unser Beider Glück: schaffen Sie das Ihrige und es ist Alles gethan. Was mich betrifft, der ich weder einen Augenblick Sie aus den Gedanken verlieren, noch an Sie denken kann ohne eine Heftigkeit des Gefühls, die allerdings besiegt werden muß, ich will nur das allein meine Sorge sein lassen, was Sie mir zur Pflicht gemacht haben.

      In dem ganzen Jahre, seit wir mit einander studiren, haben wir immer ohne Ordnung und fast nur, wie es der Zufall gab, gelesen, mehr um Ihren Geschmack zu Rathe zu ziehen, als um ihn zu bilden. Uebrigens hat Ihnen alle diese Unruhe im Gemüthe wenig Freiheit des Geistes gelassen. Die Augen waren nicht fest auf das Buch gerichtet; der Mund sprach die Worte aus, aber die Aufmerksamkeit war immer nicht dabei, Ihre kleine Cousine, die nichts hatte, wovon sie eingenommen gewesen wäre, warf uns oft unsere Zerstreuung vor und machte sich eine Ehre aus dem leichten Geschäft, uns auszustechen. Unvermerkt ist sie die Lehrerin des Lehrers geworden, und obgleich mir manchmal über ihre Prätensionen gelacht haben, ist sie doch im Grunde die Einzige von uns dreien, die etwas von dem weiß, was wir mit einander getrieben haben.

      Um also die verlorene Zeit wieder einzubringen (ach, Julie, hat es je eine besser angewendete Zeit gegeben?) habe ich mir eine Art Plan ausgedacht, bei welchem wir durch das Methodische des Verfahrens wieder gut machen können, was wir durch unsere Zerstreuungen am Lernen eingebüßt haben. Ich lege ihn Ihnen bei; wir wollen ihn nachher mit einander durchlesen, und ich beschränke mich hier auf einige oberflächliche Bemerkungen, die ich dazu machen will.

      Wenn es unsere Absicht wäre, liebreizende Freundin, uns mit Gelehrsamkeit zum Prunk zu beladen und mehr für die Anderen zu lernen als für uns selbst, so würde mein Entwurf nichts taugen; denn er ist ganz nur darauf angelegt, etwas Weniges aus Vielem zu gewinnen und aus einer großen Bibliothek eine kleine Lese zu halten. Die Wissenschaft ist den meisten von Denen, welche sie pflegen, eine Münze, auf deren Besitz man großen Werth legt, die jedoch zum Wohlsein nichts beiträgt, als insofern man sie wieder ausgiebt, und nur im Umsatz etwas nutz ist. Nehmen Sie unseren Gelehrten das Vergnügen, sich hören zu lassen, und das Wissen ist ihnen nichts mehr. Sie sammeln in ihrem Kämmerchen Schätze auf, nur um sie öffentlich auszustreuen; sie wollen nur in den Augen Anderer für einsichtig gelten, und sie würden sich aus der Erkenntniß nichts machen, wenn sie keine Bewunderer mehr hätten. [So dachte auch selbst Seneca: „Wenn man mir die Wissenschaft," sagt er, „unter der Bedingung geben wollte, daß ich sie nicht zeigen dürfte, so möchte ich sie nichts.“ Erhabene Philosophie; dazu also wirst du gebraucht! R.

      Die Stelle lautet: Si cum hac exceptione detur sapienta ut illam inclusam teneam nec enutiem, rejiciam. Rousseau giebt der Aeußerung Seneca's eine falsche Wendung. Dieser hat bei den angeführten Worten nicht ein Prunken mit der Wissenschaft im Sinne, sondern das Bedürfniß der Mittheilung; das Geheimwissen ist das, was er verwirft. Er schreibt: „Mich verlangt, mein Lucilius, Alles wieder in dich auszuschütten; es ist mir schon darum lieb zu lernen, um das Gelernte wieder zu lehren; wie könnte mich etwas freuen, sei es noch so gut und ersprießlich, wenn ich es für mich allein wissen sollte? Würde mir alles Wissen gegeben, unter der Bedingung, es verschlossen zu halten, so möchte ich es nicht." (Sen. Brief. No. 6.) D. Ueb.] Wir aber, die wir Gewinn von unseren Kenntnissen ziehen wollen, häufen sie nicht an, um sie wieder loszuschlagen, sondern um sie zu unserem Gebrauche zu verwenden, nicht um uns damit zu beladen, sondern um Nahrung daraus zu ziehen. Wenig lesen und viel über das Gelesene denken, oder, was das Nämliche ist, unter einander sprechen, dies ist das Mittel, es wohl zu verdauen. Ich bin der Meinung, wenn man erst einmal durch Uebung im Nachdenken das Verständniß sich geöffnet hat, so ist es immer besser, die Dinge, die man in den Büchern finden könnte, selbst zu entdecken; es ist das wahre Geheimniß, sie sich nach seinem Sinne zu formen und sie sich zu eigen zu machen; während, wenn man sie so aufnimmt, wie sie uns dargeboten werden, dies fast immer in einer Form geschieht, welche unserer Eigenthümlichkeit nicht gemäß ist. Wir sind reicher, als wir glauben, aber, sagt Montaigne, wir werden auf die Suche abgerichtet; wir lernen immer weit mehr mit fremdem Gute umgehen als mit unserem eigenen; oder vielmehr, indem wir unaufhörlich zusammenscharren, wagen wir nichts anzurühren: wir machen es wie die Geizigen, die nur darauf denken, ihre Truhen zu füllen, und im Schoße des Ueberflusses Hungers sterben.

      Ich gestehe, daß es Manche giebt, denen diese Methode sehr schädlich sein würde, und denen es nöthig ist, viel zu lesen und wenig nachzudenken, weil sie wenig eigene Fähigkeit besitzen und beim Sammeln nicht zu so schlechtem Zeuge gelangen, als sie selbst an den Tag bringen würden. Ihnen empfehle ich gerade das Gegentheil, denn Sie tragen Besseres in das hinein, was Sie lesen, als was Sie darin finden, und Ihr thätiger Geist bildet aus dem Buche ein neues Buch, oft von größerem Werthe als das ursprüngliche. Wir werden uns also unsere Gedanken mittheilen; ich werde Ihnen sagen, was Andere gedacht haben, Sie werden mir sagen, was Sie selbst über den nämlichen Gegenstand denken, und ich werde oft in der Stunde mehr lernen als Sie.

      Je weniger Sie lesen sollen, desto sorgfältiger muß die Auswahl sein; hören Sie die Gründe, welche mich bei derselben geleitet haben! Der Hauptirrthum Derer, welche studiren, ist, wie gesagt, daß sie sich zu sehr ihren Büchern hingeben und nicht genug aus sich selbst schöpfen, wobei sie nicht bedenken, daß von allen Sophisten doch unsere eigene Vernunft fast immer derjenige ist, welcher uns am wenigsten betrügt. Sobald man nur in sich gehen will, fühlt Jeder sogleich, was gut ist, empfindet, was schön ist; wir brauchen Beides gar nicht erst von Anderen zu lernen, und man täuscht sich darüber nur, insoweit man sich täuschen will. Jedoch die Beispiele des vorzüglich Guten und Schönen sind seltener und weniger bekannt; die müssen wir fern von uns aufsuchen. Die Eitelkeit, welche das natürliche Vermögen nach unserer Schwäche mißt, spiegelt uns vor, daß die Eigenschaften, welche wir selbst nicht besitzen,

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