Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe). Jean Jacques Rousseau

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Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe) - Jean Jacques Rousseau

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Ihre Lippen, Ihren Busen, alle Ihre Reize hin, dringt überall ein, wie ein feiner Aether, und ich bin Ihnen zum Trotz glücklicher, als ich je mit Ihrem Willen war.

      Ich habe hier einige Personen zu sehen, einige Geschäfte abzumachen; das ist meine Qual. In der Einsamkeit bin ich nicht zu beklagen, wo ich mich mit Ihnen beschäftigen und mich dahin zaubern kann, wo Sie weilen. Nur das thätige Leben, welches mich ganz zu mir bringt, ist mir unerträglich. Ich werde die Sachen schlecht und schnell abthun, um nur bald frei zu sein und nach Lust in den Einöden umher zu irren, welche in meinen Augen das Land hier reizend machen. Man muß Alles fliehen und allein sein in der Welt, wenn man nicht mit Ihnen sein kann.

      Neunzehnter Brief.

       An Julie.

       Inhaltsverzeichnis

      Nichts halt mich hier länger als Ihr Befehl; fünf Tage, die ich hier zugebracht habe, sind mehr als hinreichend für meine Angelegenheiten gewesen, wenn man anders das Angelegenheiten nennen kann, woran das Herz keinen Theil nimmt. Sie haben nun endlich weiter keinen Vorwand und können mich nicht mehr entfernt halten, außer um mich zu quälen.

      Ich fange an mich über das Schicksal meines ersten Briefes sehr zu beunruhigen; ich habe ihn gleich nach meiner Ankunft geschrieben und auf die Post gegeben; die Addresse habe ich genau nach Ihrer Vorschrift gemacht, und wenn Sie pünktlich geantwortet hätten, müßte mir die Antwort schon zugekommen sein. Sie kommt aber nicht, und es ist keine erdenkliche schlimme Ursache ihrer Verzögerung, die sich meine aufgestörte Einbildungskraft nicht vorspiegelte. O meine Julie; wie viele unvorhergesehene Ereignisse können nicht in acht Tagen die süßesten Bande von der Welt auf ewig zerreißen! Ich denke mit Zittern, daß es für mich nur ein einziges Mittel giebt, glücklich zu sein, und Millionen, elend zu werden. Julie, hätten Sie mich schon vergessen? Ach, das ist die schrecklichste meiner Befürchtungen! Ich kann meine Standhaftigkeit auf jedes andere Unglück gefaßt machen, aber alle Kräfte meiner Seele verlassen mich bei dem bloßen Gedanken an diese eine Möglichkeit.

      Ich sehe, wie wenig Grund ich habe, mich zu beunruhigen, und kann es doch nicht vermeiden. Ich fühle, entfernt von Ihnen, immer bitterer meine Leiden, und als wären sie nicht schon hinreichend, um mich danieder zu drücken, schmiede ich mir neue in der Einbildung, welche die Bitterkeit der anderen noch steigern. Zuerst war meine Unruhe minder groß. Der Wirrwarr des plötzlichen Aufbruchs, die Aufregung der Reise spielten mir meinen Unmuth aus dem Sinne; in der stillen Einsamkeit kehrt er mit neuer Kraft zurück. Ach! ich kämpfte; ein tödtlicher Stahl hat meine Brust durchbohrt und der Schmerz macht sich lange nach der Verwundung erst fühlbar.

      Hundert Mal habe ich bei Romanen über die frostigen Klagen getrennter Liebenden gelacht. Ach, ich wußte damals nicht, wie unerträglich mir eines Tages die Trennung von Ihnen sein würde. Ich fühle jetzt, wie wenig eine ruhige Seele geeignet ist, über Leidenschaften zu urtheilen, und wie unsinnig es ist, über Gefühle zu lachen, die man nicht erfahren hat. Soll ich es Ihnen aber sagen? Ich weiß nicht, was für ein tröstliches, süßes Gefühl in mir die Bitterkeit Ihrer Entfernung mildert, indem ich mir sage, daß es auf Ihr Geheiß so ist. Die Leiden, die mir von Ihnen kommen, sind mir minder schmerzlich, als wenn sie mir vom Schicksal zugetheilt waren; wenn sie dazu dienen, Sie zufrieden zu stellen, so wünsche ich nicht, sie nicht zu fühlen; sie tragen die Bürgschaft in sich, daß sie mir vergolten werden, und ich kenne Ihr Herz zu gut, um zu glauben, daß Sie um nichts und wieder nichts barbarisch sein sollten.

      Wenn Sie mich auf die Probe stellen wollen, wohl, ich murre nicht; es ist billig, daß Sie erfahren, ob ich beständig, geduldig, fügsam, mit Einem Worte, der Güter werth bin, die Sie mir aufsparen. Himmel! wenn das Ihr Gedanke wäre, so würde ich mich nur beklagen, daß ich zu wenig leide. O! nein, um in meinem Herzen eine so süße Erwartung zu nähren, erfinden Sie, wo möglich, Leiden, die ihres Lohnes noch würdiger sind.

      Zwanzigster Brief.

       Von Julie.

       Inhaltsverzeichnis

      Ich erhalte Ihre beiden Briefe zu gleicher Zeit; und ich sehe aus der Unruhe, welche Sie in dem zweiten über das Schicksal des anderen zu erkennen geben, daß, wenn die Einbildungskraft den Vorsprung hat, die Vernunft ihr nicht nachkommen kann und oft sie ganz laufen läßt. Haben Sie denn gedacht, als Sie in Sion ankamen, daß ein Courier nur eben für Sie bereit stünde, um mit Ihrem Briefe abzugehen, damit ich diesen Brief gleich bei seiner Ankunft erhielte, und daß sich für meine Antwort die Gelegenheit nicht weniger günstig darbieten würde? Es geht nicht so, mein allerliebster Freund. Ihre beiden Briefe sind mir gleichzeitig zugekommen, weil der Courier, der nur einmal die Woche geht, erst mit dem zweiten abging. Die Austheilung der Briefe erfordert einige Zeit; mein Commissionair braucht Zeit, um mir den meinigen heimlich zuzustellen, und der Courier geht von hier nicht sogleich am Tage nach seiner Ankunft wieder ab. Also, richtig gerechnet, sind acht Tage nöthig, wenn der Abgang des Couriers wohl in Acht genommen wird, um Antwort von einander zu erhalten; ich setze Ihnen dies auseinander, um Ihre lebhafte Ungeduld ein für alle Male zu beschwichtigen. Während Sie gegen das Schicksal und meine Nachlässigkeit declamiren, sehen Sie, ziehe ich genaue Erkundigung ein über Alles, was unseren Briefwechsel sicher stellen und Ihre Besorgnisse zur Ruhe bringen kann. Ich überlasse Ihnen, zu entscheiden, auf welcher Seite die liebreichste Fürsorge ist.

      Reden wir nicht mehr von Leiden, mein lieber Freund! Ach, ehren und theilen Sie vielmehr die Freude, welche ich empfinde, nach acht Monaten Abwesenheit den besten Vater wieder zu sehen. Er kam Donnerstag Abend an, und ich habe seit diesem glücklichen Augenblick nur an ihn [Das Vorangehende beweist, daß sie lügt.] gedacht. O du, den ich nächst den Urhebern meiner Tage am meisten auf der Welt liebe, warum betrübst du mit deinen Briefen, deinen Klagen meine Seele, und störst die ersten Freuden der Wiedervereinigung einer Familie? Du möchtest, daß sich mein Herz ohne Unterlaß nur mit dir beschäftigte; aber sage mir, könnte das deinige eine unnatürliche Tochter lieben, die über ihre Liebesglut die Rechte des Blutes vergäße und die die Klagen ihres Geliebten für die Liebkosungen eines Vaters unempfindlich machten? Nein, mein würdiger Freund, vergifte nicht durch ungerechte Vorwürfe die unschuldige Freude, die mir ein so süßes Gefühl einflößt. Du, dessen Seele so zärtlich und so fein fühlt, begreifst du nicht, welcher Zauber darin liegt, in dieser reinen, heiligen Umarmung zu fühlen, wie dascVaterherz freudig an der Tochter schlägt? Ach! glaubst du, daß in solchem Augenblick das Herz sich theilen könne, ohne der Natur etwas zu vergeben?

      Sol che son figlia io mi rammento adesso. [“Als Tochter fühl' ich mich und nur als Tochter.“] Denken Sie indessen nicht, daß ich Sie vergesse. Hat man je vergessen, was man einmal geliebt hat? Nein, auch die lebhaftesten Eindrücke, denen man sich einige Augenblicke überläßt, verwischen deshalb nicht die anderen. Nicht ohne Leid habe ich Sie abreisen sehen, nicht ohne Freude würde ich Sie wiederkommen sehen. Aber .... gedulden Sie sich, wie ich mich gedulde, weil es sein muß, und fragen Sie nicht weiter. Sein Sie überzeugt, daß ich Sie so bald als irgend möglich zurückrufen werde, und bedenken Sie, daß, wer am lautesten über die Trennung klagt, nicht immer Der ist, welcher am meisten leidet.

      Einundzwanzigster Brief.

       An Julie.

       Inhaltsverzeichnis

      Was habe ich ausgestanden, als ich ihn in Empfang nahm, diesen heiß ersehnten Brief! Ich erwartete den Courier auf der Post. Kaum ist das Packet geöffnet, nenne ich meinen Namen, werde dringend; man sagt mir:

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