Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe). Jean Jacques Rousseau

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Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe) - Jean Jacques Rousseau

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Aufenthalt hier angenehm zu machen. Er reist morgen wieder ab, und wir lassen es uns angelegen sein, ihm für den Tag, den er noch hier zubringt, jede mögliche Ergötzlichkeit zu bereiten, um einem solchen Wohlthäter der Familie unsern Eifer zu bezeigen. Also nochmals Adieu!

      Dreiundzwanzigster Brief.

       An Julie.

       Inhaltsverzeichnis

      Kaum acht Tage habe ich dazu verwendet, ein Land zu durchstreifen, das Jahre erfordern würde, um es kennen zu lernen: aber abgesehen davon, daß der Schnee mich verjagt, habe ich dem Courier ein wenig entgegengehen wollen, der mir, hoffe ich, einen Brief von Ihnen bringt. Während ich seine Ankunft erwarte, will ich immer einstweilen einen Brief beginnen, und werde nachher, wenn es nöthig sein sollte, einen zweiten zur Beantwortung des Ihrigen schreiben. Ich will mit der Beschreibung meiner Reise und mit meinen Bemerkungen hier nicht ins Einzelne gehen; ich habe einen Bericht darüber aufgesetzt, den ich Ihnen mitzubringen gedenke. Unser Briefwechsel muß für das gespart werden, was uns beide näher angeht. Ich will mich damit begnügen, Ihnen von der Beschaffenheit meiner Seele Nachricht zu geben; es ist billig, daß Sie erfahren, wie mit Ihrem Gute umgegangen wird.

      Ich war abgereist, betrübt über mein Leiden und getröstet durch Ihre Freude; dies erhielt mich in einer gewissen sehnlichen Stimmung, die nicht ohne Reiz für ein empfindsames Herz ist. Ich stieg langsam und zu Fuße auf ziemlich rauhen Fußpfaden aufwärts, von einem Manne geführt, den ich zu diesem Behuf angenommen hatte und an dem ich auf dem ganzen Wege mehr einen Freund als einen Lohnbedienten gehabt habe. Ich wollte meinen Träumen nachhängen, und immer zog mich irgend ein neues überraschendes Schauspiel davon ab. Bald hingen ungeheure Felsen in Trümmern über meinem Haupts nieder; bald benetzten mich hoch herabstürzende Wasserfälle mit ihrem dichten Staub; bald eröffnete sich neben mir ein endloser Strom, eine Kluft, deren Tiefe das Auge nicht ermessen konnte. Manchmal verlor ich mich in das Dunkel einer dicken Waldung; manchmal ward ich beim Austritt aus einer Schlucht durch den Anblick einer lachenden Wiese gelabt. Ein staunenswürdiges Gemisch von wilder und angebauter Natur verrieth überall die Hand des Menschen, wo man hätte glauben sollen, daß sie niemals hingedrungen wäre; dicht neben einer Höhle fand man Wohngebäude; man erblickte entblätterte Rebstöcke, wo man nichts als Dornen gesucht hätte, Weingärten auf zusammengestürztem Boden, herrliche Fruchtbäume auf Felsmassen und Aecker in Abgründen.

      Nicht nur das Werk der Menschenhand schuf in dieses wundersame Land so abenteuerliche Gegensätze; auch die Natur schien sich darin zu gefallen, sich mit sich selbst in Widerspruch zu setzen, so mannigfaltig stellte sie sich an dem nämlichen Orte auf den verschiedenen Seiten dem Blicke dar. Im Osten die Blumen des Frühlings, im Mittag die Früchte des Herbstes, im Norden das Eis des Winters; sie vereinigte alle Jahreszeiten in dem nämlichen Augenblick, alle Himmelsstriche an der nämlichen Stelle, entgegengesetzte Erdarten auf dem nämlichen Boden und zeigte in einer Verbindung, die man sonst nirgends antrifft, die Erzeugnisse der Ebnen und Alpengewächse. Rechnen Sie zu dem allen die Täuschungen des Auges, die verschiedenartige Beleuchtung der Bergspitzen, das Wechselspiel von Sonnenschein und Schatten und alle die Lichtwirkungen, welche sich daraus am Morgen und am Abend entwickeln, so werden Sie sich einigermaßen eine Vorstellung machen können von den ewig neuen Bildern, die unablässig meine Bewunderung auf sich zogen und die sich mir auf einem ordentlichen Theater darzustellen schienen, denn die Perspective der Berge, in ihrem scheitelrechten Ansteigen, bringt Alles zugleich ins Auge, und weit gewaltiger als die der Ebenen, welche sich nur schräg und fliehend zeigt und wo immer ein Gegenstand den anderen verbirgt.

      Es gesellte sich während des ersten Tages zu der Annehmlichkeit dieser Abwechslungen die Ruhe, welche ich in meiner Seele wieder entstehen fühlte. Ich staunte über die Macht, welche auf unsere heftigsten Leidenschaften die unempfindlichsten Wesenheiten üben, und verächtlich kam mir die Philosophie vor, daß sie nicht einmal soviel über die Seele vermag als eine Reihefolge lebloser Gegenstände. Da aber dieser friedvolle Zustand die Nacht überdauert hatte und am andern Tage noch zunahm, so konnte ich nicht umhin, zu schließen, daß er noch eine andere mir unbekannte Ursache haben müßte. Ich gelangte an diesem Tage zu Bergen von der geringsten Erhebung, und dann, nachdem ich ihre Wellungen zurückgelassen hatte, zu solchen, welche die größte Höhe hatten, die mir erreichbar war. Nachdem ich durch die Wolken geschritten war, erreichte ich eine klarere Region, von welcher aus man zur Zeit Donner und Ungewitter unter seinen Füßen sich bilden sieht; ein leider eitles Bild der Seele des Weisen, welches nie verwirklicht worden oder nur an den Stätten allein zu verwirklichen ist, von denen man es entlehnt hat.

      Da entdeckte ich allmählig in der Reinheit der Luft, worin ich mich befand, die wahre Ursache des Wechsels, der in meiner Stimmung vorgegangen war, und der Rückkehr jenes Innern Friedens, den ich seit so langer Zeit verloren hatte. In der That ist dies ein allgemeiner Eindruck, welchen alle Menschen empfinden, obwohl sie nicht alle darauf achten, daß man auf hohen Bergen, wo die Luft rein und dünn ist, mit größerer Leichtigkeit athmet, mehr Federkraft im Körper, mehr Heiterkeit im Geiste spürt; das Lustgefühl ist dort weniger hitzig, die Leidenschaften sind gemäßigter. Die Gedanken nehmen etwas Großes, Erhabenes an, wie es den Gegenständen entspricht, die uns vor Augen liegen, eine gewisse selige Ruhe, worin nichts Brennendes und Sinnliches ist. Es scheint, als ob man, sich erhebend über die Wohnstätten der Sterblichen, alle niederen, irdischen Gefühle zurückließe, als ob die Seele, je mehr man sich der ätherischen Region nähert, etwas von deren unwandelbarer Reinheit annähme. Man fühlt sich ernst gestimmt ohne Wehmuth, friedvoll ohne Schlaffheit, froh des Daseins und des Denkens; jede zu lebhafte Begierde dämpft sich ab, verliert den scharfen Stachel, der sie schmerzhaft macht, und läßt im Herzen nichts als eine leichte sanfte Erregung; und so bewirkt ein glückliches Klima, daß zur Glückseligkeit des Menschen die Leidenschaften dienen, welche ihm anderwärts zur Marter werden. Ich glaube nicht, daß irgend eine heftige Gemüthsbewegung, irgendein krankhafter Zustand, der aus dem Magen stammt, gegen einen längern Aufenthalt in solchen Gegenden Stich halten könnte, und ich wundere mich, daß nicht Luftbäder in heilsamer, wohlthätiger Bergluft zu einem Hauptmittel gegen leibliche und geistige Leiden gemacht werden:

      Qui non palazzi, non teatro o loggia; Ma 'n lor vice un abete, un faggio, un pino Trà l' erba verde e 'l bel monte vicino Levan di terra al ciel nostr' inteletto.

      [Nicht sind's Theater, Hallen und Paläste, Nein, etwas Eichen, Buchen oder Fichten, Die zwischen Wiesengrün und Berggelände Den Geist vom Staub empor zum Himmel richten.

       Petrarca.]

      Nehmen Sie alle die Eindrücke zusammen, welche ich geschildert habe, und Sie werden sich einigermaßen eine Vorstellung machen von dem köstlichen Zustande, in welchem ich mich befand. Denken Sie sich diese tausend Wunder von Größe, Schönheit, mannigfaltiger Pracht; das Vergnügen, sich von lauter ganz neuen Gegenständen umringt zu sehen, von seltenen Vögeln, wunderlich geformten, unbekannten Pflanzen, gewissermaßen eine andere Natur zu schauen und sich in einer neuen Welt zu befinden. Das alles stellt ein unbeschreibliches Gemisch vor Augen, dessen Reiz noch erhöht wird durch die Reinheit der Luft, welche die Farben lebhafter macht, die Formen schärfer hervorhebt, alle Gesichtspunkte näher bringt, die Entfernungen scheinen geringer als auf der Ebene, wo die Dicke der Luft das Land mit einem Schleier bedeckt, der Horizont bietet den Augen mehr Gegenstände dar, als er fassen zu können scheint: kurz, das Schauspiel hat etwas Zauberisches, Uebernatürliches, was den Geist und die Sinne hinreißt; man vergißt Alles, man vergißt sich selbst, man weiß nicht mehr, wo man ist.

      Ich würde die ganze Zeit meiner Reise blos in dem Entzücken über die herrliche Landschaft hingebracht haben, wenn mich nicht der Umgang mit den dortigen Bewohnern in ein noch süßeres Entzücken versetzt hätte. Sie werden in meinem Berichte eine leichte Skizze von ihren Sitten, von ihrer Einfalt, von der gleichmäßigen Stimmung ihrer Seelen und von der friedlichen Ruhe finden,

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