Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe). Jean Jacques Rousseau

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Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe) - Jean Jacques Rousseau

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      So steht es nicht, meine Julie, zwischen zwei Liebenden von gleichem Alter, die beide von derselben Flamme ergriffen sind, die eine gegenseitige Anhänglichkeit an einander schließt, die keine anderweitige Fessel bindet, die beide ihrer ursprünglichen Freiheit genießen, und denen kein Recht es verwehrt, einander anzugehören. Die strengsten Gesetze können diesen keine andere Strafe auferlegen als den Preis ihrer Liebe selbst; die einzige Strafe dafür, daß sie sich geliebt haben, ist die Pflicht, sich ewig zu lieben; und wenn es solche unglückselige Himmelsstriche auf der Welt giebt, wo der barbarische Mensch solche Bande der Unschuld zerbricht, so findet er ohne Zweifel seine Strafe in den Verbrechen, welche diese Gewaltthat ausgebiert.

      Das sind meine Gründe, einsichtige und tugendhafte Julie! sie sind nur eine frostige Umschreibung deren, welche Sie mir mit so viel Nachdruck und Lebhaftigkeit in einem Ihrer Briefe auseinandersetzten; aber es genügt, um Ihnen zu zeigen, wie ich sie in mich aufgenommen habe. Sie erinnern sich, daß ich nicht auf meiner Weigerung bestand und daß ich, ungeachtet des Widerstandes, zu dem mich ein Rest des gewöhnlichen Vorurtheils veranlaßte, Ihr Geschenk schweigend annahm, da mir in der That die wahre Ehre keinen genügenden Grund darbot, es auszuschlagen. Hier aber spricht Pflicht, Vernunft, die Liebe selbst so vernehmlich, daß ich es nicht überhören darf. Wenn nur die Wahl gelassen ist zwischen der Ehre und Ihnen, so ist mein Herz bereit, Sie zu verlieren. Es liebt Sie zu sehr, Julie, als daß es Sie um diesen Preis sich könnte erhalten wollen.

      Fünfundzwanzigster Brief.

       Von Julie.

       Inhaltsverzeichnis

      Ihre Reisebeschreibung ist allerliebst, mein theurer Freund; ich würde Den, der sie geschrieben hat, liebgewinnen, wenn ich ihn auch gar nicht kennte. Ich habe Sie jedoch wegen einer Stelle Ihres Briefs auszuschelten, Sie wissen schon, welche ich meine, obgleich ich mich nicht habe enthalten können, über die Schlauheit zu lachen, mit welcher Sie sich hinter Tasso steckten, wie hinter eine Schutzmauer, Ei! fühlten Sie denn nicht, daß es ein großer Unterschied ist, ob man für das Publicum schreibt oder an seine Geliebte? Die Liebe, die so schüchtern, so ängstlich ist, legt sie nicht mehr Rücksichtsnahme auf als die äußerliche Wohlanständigkeit? Haben Sie nicht wissen können, daß dieser Styl gar nicht nach meinem Geschmack ist? Und gingen Sie darauf aus, mein Mißfallen zu erregen? Aber vielleicht nur schon zu viel über eine Sache, die ich gar nicht hätte aufstechen sollen. Ich bin übrigens zu voll von Ihrem zweiten Brief, um auf den ersteren im Einzelnen zu antworten. Also, mein Freund, sparen wir uns die Walliser auf ein anderes Mal und beschränken uns jetzt auf untere Angelegenheiten: wir werden genug damit zu thun haben.

      Ich wußte, wie Sie sich entscheiden würden. Wir kennen einander zu gut, um noch bei den ersten Anfangsgründen zu stehen. Wenn uns je die Tugend im Stiche läßt, so wird es, glauben Sie mir, nicht bei einer solchen Gelegenheit geschehen, welche Muth und Aufopferung erfordert. [Man wird bald sehen, daß diese Voraussagung so sehr als nur möglich in Erfüllung geht.] Die erste Regung, wenn man hart angegriffen wird, ist die Lust, Widerstand zu leisten; und wir werden, hoffe ich, siegen, so oft uns der Feind Zeit läßt, zu den Waffen zu greifen. Die Ueberfälle mitten im Schlafe, im Schoße süßer Ruhe, diese sind es, die man fürchten muß: aber vor Allem ist es die ununterbrochene Fortdauer der Leiden, welche ihre Last unerträglich macht; und die Seele widersteht weit leichter heftigen Schmerzen als lang anhaltender Trübsal. Dies ist, mein Freund, die schwere Art Kampf, die wir fortan zu bestehen haben werden: nicht heldenmüthige Thaten legt uns das Schicksal auf, sondern einen noch heldenmütigeren Widerstand gegen unablässige Kümmernisse.

      Ich hatte es nur zu gut vorhergesehen: die Zeit des Glückes ist vorübergegangen wie ein Blitz; die Zeit des Unglücks beginnt, und, nichts kommt zur Hülfe, um zu erkennen, wann sie enden wird. Alles beunruhigt und entmuthigt mich; eine tödtliche Abspannung bemächtigt sich meiner Seele; ohne daß ich recht eigentlich Ursache hätte, zu weinen, entfallen unwillkürlich Thränen meinen Augen: ich lese nicht unausweichliches Unglück in der Zukunft; aber ich pflegte die Hoffnung und ich sehe sie alle Tage mehr verwelken. Was nützt es, ach, das Bäumchen zu begießen, wenn es an der Wurzel abgeschnitten ist?

      Ich fühle es, mein Freund; die Last der Trennung drückt mich danieder. Ich kann nicht ohne dich leben, ich fühle es; das ängstiget mich am meisten. Ich laufe hundertmal des Tages überall hin, wo wir mit einander verweilten, und nirgend finde ich dich. Ich erwarte dich zur gewohnten Stunde, die Stunde geht vorüber, und du kommst nicht. Alles, was ich sehe, erinnert mich an dich und mahnt mich, daß ich dich verloren habe. Du hast nicht diese schreckliche Marter. Dein Herz allein kann dir sagen, daß ich dir fehle. Ach, wenn du wüßtest, wie viel größer die Qual ist, am Orte zu bleiben, wenn man sich trennt, wie würdest du deine Lage der meinigen vorziehen!

      Und wenn ich noch zu seufzen wagte, wenn ich von meinen Leiden sprechen dürfte, so würde die Klage mein Weh lindern; aber außer einigen Seufzern, die ich verstohlen in den Busen meiner Cousine aushauche, muß ich alle anderen ersticken; ich muß meine Thränen zurückhalten; ich muß lacheln, während ich vergehe.

      Sentirsi, oh Dei! morir, E non poler mai dir: Morir mi sento!

      [Sich fühlen, o Götter, vergehn Und nimmer dürfen gestehn: Es bricht mein Herze,

       Metastasio.]

      Das Schlimmste ist, daß alle diese Leiden mein Hauptübel unaufhörlich verschlimmern; und daß ich nur immer lieber an dich denke, je mehr mich dein Andenken in Verzweiflung bringt. Sage mir, Freund, mein süßer Freund, fühlst du wohl, wie sehr die Wehmuth das Herz zärtlich stimmt und wie die Liebe in der Trübsal höher aufwallt?

      Ich wollte mit Ihnen von tausend Dingen reden; aber außer dem, daß es besser ist, zu warten, bis ich bestimmt weiß, wo Sie sind, ist es mir nicht möglich, diesen Brief fortzusetzen, in dem Zustande, in welchem ich mich beim Schreiben befinde. Adieu, mein Freund; ich scheide von dem Papier, aber, glauben Sie mir, nicht von Ihnen.

      Billet.

      Ich schreibe durch einen Schiffer, den ich nicht kenne, unter der gewöhnlichen Addresse, um anzuzeigen, daß ich Meillerie zu meinem Aufenthalte gewählt habe, am gegenüberliegenden Ufer, um mich wenigstens an dem Anblicke des Ortes zu erfreuen, dem ich nicht zu nahen wage.

      Sechsundzwanzigster Brief.

       An Julie.

       Inhaltsverzeichnis

      Wie hat sich mein Zustand in wenigen Tagen verwandelt! Wie viel Bitteres mischt sich in das süße Gefühl, Ihnen näher zu sein! Was für trübe Gedanken belagern mich! Was für Widerwärtigkeiten zeigt mir meine bange Ahnung in der Ferne! O Julie! was für ein unseliges Geschenk des Himmels ist eine empfindsame Seele! Wem eine solche zu Theil geworden, der sei darauf gefaßt, auf Erden nichts als Kummer und Schmerz zu haben! Ein elendes Spielzeug der Luft und des Wetters; Sonne oder Nebel, bedeckter oder heiterer Himmel machen sein Geschick, und er ist freudig oder traurig, je nachdem der Wind steht. Ein Opfer der Vorurtheile, findet er in abgeschmackten Grundsätzen ein unübersteigliches Hinderniß seiner gerechten Herzenswünsche. Die Menschen strafen ihn dafür, daß er ein richtiges Gefühl von jeder Sache hat und sie mehr nach dem beurtheilt, was wahrhaft, als nach dem, was herkömmlich ist. Alleinstehend hätte er schon daran genug, um elend zu sein, daß er sich unkluger Weise dem himmlischen Zuge des Rechten und Schönen überläßt, während die schweren Ketten der Nothwendigkeit ihn an die Schmach binden.

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