Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe). Jean Jacques Rousseau

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Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe) - Jean Jacques Rousseau

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deiner angebeteten Hand! Die meinige zittert, indem ich sie ausstrecke, um dies kostbare Pfand zu empfangen. Ich hätte sie tausendmal küssen mögen, diese gebenedeiten Schriftzüge: o Furchtsamkeit einer schüchternen Liebe! ich habe nicht den Muth, den Brief an meinen Mund zu führen, noch ihn vor Zeugen zu öffnen. Ich eile hinweg. Meine Knie zittern unter mir: meine wachsende Aufregung läßt mich kaum auf meinen Weg achten. Hinter der ersten Ecke öffne ich den Brief; ich durchfliege ihn, ich verschlinge ihn; und kaum bin ich bei den Zeilen, wo du so schön die Freude deines Herzens bei der Umarmung deines verehrungswürdigen Vaters schilderst, so zer gieße ich in Thränen; man sieht mich an; ich schlüpfe in einen Baumgang, um den Beobachtern zu entrinnen: dort theile ich deine Rührung; ich umarme mit Entzücken diesen glücklichen Vater, den ich kaum kenne; und indem die Stimme der Natur mich an den meinigen erinnert, vergieße ich auch dessen verehrtem Andenken Thränen.

      Und was für Belehrung, unvergleichliches Mädchen, wolltest du denn in meinem trübseligen, eiteln Wissen schöpfen? Ach! Von Ihnen, Julie, muß man lernen, was nur Gutes, Edles in ein menschliches Herz kommen kann, und vor Allem dieses himmlische Beisammensein von Tugend, Liebe und Natürlichkeit, das sich so noch nirgend wie in Ihnen fand. Nein, es giebt keine gesunde Liebesregung, die nicht in Ihrem Herzen eine Statt hätte, die sich in ihm nicht durch die Zartheit auszeichnete, welche Ihnen eigen ist, und wenn ich mein eigenes Herz aus den rechten Weg leiten will, so sehe ich wohl, ich muß, wie ich alle meine Handlungen Ihrem Willen unterworfen habe, so auch alle meine Gefühle den Ihrigen unterthänig machen.

      Welcher Unterschied aber zwischen Ihrer Lage und der meinigen! o, übersehen Sie es nicht. Ich spreche nicht von Ihrem Rang und Vermögen; das gleichen Ehre und Liebe alles aus: aber Sie sind umgeben von Menschen, die Ihnen theuer sind und von denen Sie angebetet werden: die Sorgen einer zärtlichen Mutter, eines Vaters, dessen einzige Hoffnung Sie sind; die Freundschaft einer Cousine, die nur für Sie zu athmen scheint; eine ganze Familie, deren Zierde Sie sind; eine ganze Stadt, die stolz darauf ist, daß sie Sie werden sah, alles das heischt und theilt Ihre zärtlichen Gefühle; und was der Liebe übrig bleibt, ist nur der geringste Theil unter dem allen, was ihr die Rechte des Blutes und der Freundschaft entziehen. Aber ich, Julie, ach! umherirrend, ohne Familie, und fast ohne Vaterland, ich habe nur Sie auf Erden und die Liebe allein ist mein Alles. Wundern Sie sich also nicht, mag auch Ihre Seele die gefühlvollere sein, daß dennoch die meinige besser lieben kann, und daß ich, der ich Ihnen in so vielen Dingen nachstehe, wenigstens in der Liebe den Preis davontrage.

      Fürchten Sie indessen nicht, daß ich Sie wieder mit meinen zudringlichen Klagen belästige. Nein, ich werde Ihre Freuden ehren, sowohl ihrer selbst wegen, da sie so lauter sind, als Ihretwegen, die Sie sie schmecken. Ich werde mir im Geiste das rührende Schauspiel derselben vorhalten, ich werde aus der Ferne Theil daran nehmen; und da ich nicht mit eigenem Glück glücklich sein kann, werde ich es mit dem Ihrigen sein. Welche Gründe es auch sein mögen, die mich von Ihnen entfernt halten, ich achte sie: und was würde es mir helfen, sie zu kennen, da ich, selbst wenn ich sie nicht billigen könnte, nichts desto weniger dem Willen, der von ihnen bestimmt ist, gehorchen müßte? Wird es mir schwerer fallen, zu schweigen, als es mir fiel, Sie zu verlassen? Julie, erinnern Sie sich stets, daß Ihre Seele zwei Körper zu beherrschen hat, und daß derjenige, welchen sie aus Wahl beseelt, ihr allezeit der treueste sein wird;

      Nodo più forte, Fabbricato da noi, non dalla sorte. [Ein stärkeres Band, Nicht vom Geschick, geknüpft von unserer Hand.]

      Ich schweige also, und bis es Ihnen gefallen wird, meine Verbannung zu enden, will ich die Pein des Wartens zu bekämpfen suchen, indem ich die Gebirge des Wallis durchstreife, solange sie noch gangbar sind. Ich bemerke, daß dieses wenig bekannte Land die Beachtung der Menschen wohl verdient, und daß ihm, um bewundert zu werden, nichts fehlt, als Beschauer, die es zu sehen verstünden. Ich will suchen, einige Beobachtungen zu gewinnen, die Ihres Beifalls werth sein könnten. Um ein schönes Weib zu unterhalten, müßte man ein, liebenswürdiges, galantes Volk schildern; aber für dich, meine Julie, ach! ich weiß es wohl, ist das Gemälde eines schlichten, glücklichen Volks das, was dein Herz verlangt.

      Zweiundzwanzigster Brief.

       Von Julie.

       Inhaltsverzeichnis

      Endlich ist der erste Schritt gethan, es ist von Ihnen die Rede gewesen. Trotz der Verachtung, mit welcher Sie meine Gelehrsamkeit ansehen, ist mein Vater davon überrascht gewesen: er hat nicht weniger meine Fortschritte in der Musik und im Zeichnen [Erstaunlich viel Wissen, scheint mir, für einen zwanzigjährigen Weisen. Es ist wahr, Julie wünscht ihm zu dreißig Jahren Glück, daß er nicht mehr so gelehrt ist.] bewundert; und zum großen Erstaunen meiner Mutter, die durch Ihre Verleumdungen eingenommen war [Dies bezieht sich auf einen in etwas zweideutigen Ausdrücken gehaltenen Brief an die Mutter, welcher hier nicht mit aufgenommen worden ist.], ist er, die Heraldik abgerechnet, die ihm vernachlässigt schien, mit meinen Fertigkeiten sehr zufrieden gewesen. Über diese Fertigkeiten erwirbt man nicht ohne Lehrer; ich mußte den meinigen nennen; und ich that es mit einer pomphaften Aufzählung, aller der verschiedenen Wissenschaften, in die er mich einzuweihen unternommen, wobei ich nur eine ausließ. Er erinnerte sich, daß er Sie bei seinem vorigen Besuche mehrmals gesehen hatte, und er schien keinen unvortheilhaften Eindruck von Ihnen behalten zu haben.

      Darauf erkundigte er sich nach Ihrem Vermögen: Antwort, es wäre mittelmäßig; nach Ihrer Herkunft: Antwort, sie wäre anständig. Das Wort anständig lautet sehr zweideutig im Ohre eines Edelmanns, und erregte Argwohn, den die nähere Erkundigung bestätigte. Sobald er wußte, daß Sie nicht von Adel wären, fragte er, was Sie monatlich erhielten. Meine Mutter nahm das Wort und sagte, daß an ein derartiges Abkommen nicht im Entferntesten zu denken gewesen wäre, daß Sie im Gegentheil sich standhaft geweigert hätten, auch nur das kleinste Geschenk anzunehmen, selbst in Dingen, die man sonst nicht ausschlagen kann; in dieser stolzen Haltung konnte nur eine Herausforderung für seinen eigenen Stolz liegen. Wie ließe sich der Gedanke ertragen, einem Roturier verpflichtet zu sein? Er ist also entschieden, daß Ihnen eine Bezahlung angeboten werden solle, und daß Sie, im Falle Sie sie ausschlugen, ungeachtet alles Verdienstes, das eingeräumt wird, Ihrer Mühwaltung enthoben werden sollen. Dies, mein Freund, der kurze Inhalt einer Unterredung, welche in Betreff meines sehr geehrten Lehrers gepflogen worden ist, und während welcher seine demüthige Schülerin nicht gerade sehr ruhig war. Ich habe mich nicht genug beeilen zu können geglaubt, Sie davon in Kenntniß zu setzen, um Ihnen Zeit zur Ueberlegung zu lassen. Sobald Sie Ihren Entschluß gefaßt haben werden, setzen Sie mich unverzüglich davon in Kenntniß; denn diese Sache gehört vor Ihr Forum und meine Rechte reichen nicht so weit.

      Ich lese mit Unruhe, daß Sie Streifereien ins Gebirge machen; nicht, daß ich mir nicht davon eine angenehme Zerstreuung für Sie und unterhaltende Berichte für mich verspräche: aber ich fürchte, daß Sie sich dabei mehr anstrengen werden, als Ihnen gut ist. Ueberdies ist die Jahreszeit schon sehr vorgerückt; von einem Tage zum andern muß man erwarten, daß sich Alles mit Schnee bedecke, und ich stelle mir vor, daß Sie noch mehr von der Kälte als von der Ermüdung leiden werden. Wenn Sie dort, wo Sie jetzt sind, krank würden, würde ich untröstlich sein. Kommen Sie also, theurer Freund, mehr in unsere Nähe, Es ist noch nicht Zeit, wieder nach Vevay zu kommen, aber Sie sollen einen weniger rauhen Aufenthalt haben und einen, wo es uns leichter wird, Nachrichten von einander zu erhalten. Ich lasse Ihnen ganz die Wahl. Suchen Sie es nur so einzurichten, daß man hier nicht erfahre, wo Sie sind, und sein Sie verschwiegen, ohne den Geheimnißvollen zu spielen. Ich will Ihnen nichts über dieses Kapitel sagen; ich verlasse mich darauf, daß es für Sie selbst wichtig ist, vorsichtig zu sein, und noch mehr darauf, daß Sie wissen, wie wichtig Ihre Vorsicht für mich ist.

      Adieu, mein Freund; ich kann mich nicht länger mit Ihnen unterhalten. Sie wissen, wie sehr ich mich mit meinen Briefen in Acht nehmen muß. Dies ist noch nicht Alles. Mein Vater hat einen ehrenwerthen Gast mitgebracht, einen

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