Die wichtigen Werke von Arthur Schopenhauer. Arthur Schopenhauer

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Die wichtigen Werke von Arthur Schopenhauer - Arthur Schopenhauer

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eine Episode gewesen, die, den oben erwähnten Schicksalen jeder neuen und großen Erkenntniß beizuzählen, jetzt unverkennbar ihrem Ende nahe ist, indem die so anhaltend aufgetriebene Seifenblase doch endlich platzt. Man fängt allgemein an, inne zu werden, daß die wirkliche und ernstliche Philosophie noch da steht, wo Kant sie gelassen hat. Jedenfalls erkenne ich nicht an, daß zwischen ihm und mir irgend etwas in derselben geschehn sei; daher ich unmittelbar an ihn anknüpfe.

      Was ich in diesem Anhange zu meinem Werke beabsichtige, ist eigentlich nur eine Rechtfertigung der von mir in demselben dargelegten Lehre, insofern sie in vielen Punkten mit der Kantischen Philosophie nicht übereinstimmt, ja ihr widerspricht. Eine Diskussion hierüber ist aber nothwendig, da offenbar meine Gedankenreihe, so verschieden ihr Inhalt auch von der Kantischen ist, doch durchaus unter dem Einfluß dieser steht, sie nothwendig voraussetzt, von ihr ausgeht, und ich bekenne, das Beste meiner eigenen Entwickelung, nächst dem Eindrucke der anschaulichen Welt, sowohl dem der Werke Kants, als dem der heiligen Schriften der Hindu und dem Plato zu verdanken. – Meine des ungeachtet vorhandenen Widersprüche gegen Kant aber rechtfertigen, kann ich durchaus nur dadurch, daß ich ihn in den selben Punkten des Irrthums zeihe und Fehler, die er begangen, aufdecke. Daher muß ich in diesem Anhange durchaus polemisch gegen Kant verfahren und zwar mit Ernst und mit aller Anstrengung: denn nur so kann es geschehn, daß der Irrthum, welcher Kants Lehre anklebt, sich abschleife, und die Wahrheit derselben desto heller scheine und sicherer bestehe. Man hat daher nicht zu erwarten, daß meine gewiß innig gefühlte Ehrerbietung gegen Kant sich auch auf seine Schwächen und Fehler erstrecke, und daß ich daher diese nicht anders, als mit der behutsamsten Schonung aufdecken sollte, wobei mein Vortrag durch die Umschweife schwach und matt werden müßte. Gegen einen Lebenden bedarf es solcher Schonung, weil die menschliche Schwäche auch die gerechteste Widerlegung eines Irrthums nur unter Besänftigungen und Schmeicheleien und selbst so schwer erträgt, und ein Lehrer der Jahrhunderte und Wohlthäter der Menschheit doch zum wenigsten verdient, daß man auch seine menschliche Schwäche schone, um ihm keinen Schmerz zu verursachen. Der Todte aber hat diese Schwäche abgeworfen: sein Verdienst steht fest: von jeder Ueberschätzung und Herabwürdigung wird die Zeit es mehr und mehr reinigen. Seine Fehler müssen davon gesondert, unschädlich gemacht und dann der Vergessenheit hingegeben werden. Daher habe ich bei der hier anzu stimmenden Polemik gegen Kant ganz allein seine Fehler und Schwächen im Auge, stehe ihnen feindlich gegenüber und führe einen schonungslosen Vertilgungskrieg gegen sie, stets darauf bedacht, nicht sie schonend zu bedecken, sondern sie vielmehr in das hellste Licht zu stellen, um sie desto sicherer zu vernichten. Ich bin mir, aus den oben angeführten Gründen, hiebei weder einer Ungerechtigkeit, noch einer Undankbarkeit gegen Kant bewußt. Um indessen auch in den Augen Anderer jeden Schein von Malignität abzuwenden, will ich meine tiefgefühlte Ehrfurcht und Dankbarkeit gegen Kant zuvor noch dadurch an den Tag legen, daß ich sein Hauptverdienst, wie es in meinen Augen erscheint, kurz ausspreche, und zwar von so allgemeinen Gesichtspunkten aus, daß Ich nicht genöthigt werde, die Punkte mitzuberühren, in welchen ich ihm nachher zu widersprechen habe.

      Kants größtes Verdienst ist die Unterscheidung der Erscheinung vom Dinge an sich, – auf Grund der Nachweisung, daß zwischen den Dingen und uns immer noch der Intellekt steht, weshalb sie nicht nach dem, was sie an sich selbst seyn mögen, erkannt werden können. Auf diesen Weg geführt wurde er durch Locke (siehe Prolegomena zu jeder Metaphysik, § 13, Anm. 2). Dieser hatte nachgewiesen, daß die sekundären Eigenschaften der Dinge, wie Klang, Geruch, Farbe, Härte, Weiche, Glätte u. dgl., als auf die Affektionen der Sinne gegründet, dem objektiven Körper, dem Dinge an sich selbst, nicht angehörten, welchem er vielmehr nur die primären Eigenschaften, d.h. solche, welche bloß den Raum und die Undurchdringlichkeit voraussetzen, also Ausdehnung, Gestalt, Solidität, Zahl, Beweglichkeit, beilegte. Allein diese leicht zu findende Locke'sche Unterscheidung, welche sich auf der Oberfläche der Dinge hält, war gleichsam nur ein jugendliches Vorspiel des Kantischen. Diese nämlich, von einem ungleich hohem Standpunkt ausgehend, erklärt alles Das, was Locke als qualitates primarias, d.h. Eigenschaften des Dinges an sich selbst, gelten gelassen hatte, für ebenfalls nur der Erscheinung desselben in unserm Auffassungsvermögen angehörig, und zwar gerade deshalb, weil Bedingungen desselben, Raum, Zeit und Kausalität, von uns a priori erkannt werden. Also hatte Locke vom Dinge an sich den Antheil, welchen die Sinnesorgane an der Erscheinung desselben haben, abgezogen; Kant aber zog nun noch den Antheil der Gehirnfunktionen (wiewohl nicht unter diesem Namen) ab; wodurch jetzt die Unterscheidung der Erscheinung vom Dinge an sich eine unendlich größere Bedeutung und einen sehr viel tiefem Sinn erhielt. Zu diesem Zwecke mußte er die große Sonderung unserer Erkenntniß a priori von der a posteriori vornehmen, welches vor ihm noch nie in gehöriger Strenge und Vollständigkeit, noch mit deutlichem Bewußtseyn geschehn war: demnach ward nun Dieses der Hauptstoff seiner tiefsinnigen Untersuchungen. – Hier nun wollen wir gleich bemerken, daß Kants Philosophie zu der seiner Vorgänger eine dreifache Beziehung hat: erstens, eine bestätigende und erweiternde zu der Locke's, wie wir soeben gesehn haben; zweitens, eine berichtigende und benutzende zu der Hume's, welche man am deutlichsten ausgesprochen findet in der Vorrede zu den »Prolegomena« (dieser schönsten und faßlichsten aller Kantischen Hauptschriften, welche viel zu wenig gelesen wird, da sie doch das Studium seiner Philosophie außerordentlich erleichtert); drittens, eine entschieden polemische und zerstörende zur Leibnitz-Wolfischen Philosophie. Alle drei Lehren soll man kennen, ehe man zum Studium der Kantischen Philosophie schreitet. – Ist nun, laut Obigem, die Unterscheidung der Erscheinung vom Dinge an sich, also die Lehre von der gänzlichen Diversität des Idealen und Realen, der Grundzug der Kantischen Philosophie; so giebt die bald nachher auftretende Behauptung der absoluten Identität dieser Beiden einen traurigen Beleg zu dem früher erwähnten Ausspruche Goethes; um so mehr, als sie sich auf nichts stützte, als auf die Windbeutelei intellektualer Anschauung, und demgemäß nur eine, unter dem Imponiren durch vornehme Miene, Bombast und Gallimathias maskirte Rückkehr zur Rohheit der gemeinen Ansicht war. Sie wurde der würdige Ausgangspunkt für den noch grobem Unsinn des plumpen und geistlosen Hegel. – Wie nun also Kants, auf die oben dargelegte Weise gefaßte Sonderung der Erscheinung vom Dinge an sich in ihrer Begründung an Tiefsinn und Besonnenheit Alles, was je dagewesen, weit übertraf; so war sie auch in ihren Ergebnissen unendlich folgenreich. Denn ganz aus sich selbst, auf eine völlig neue Weise, von einer neuen Seite und auf einem neuen Wege gefunden stellte er hierin die selbe Wahrheit dar, die schon Plato unermüdlich wiederholt und in seiner Sprache meistens so ausdrückt: diese, den Sinnen erscheinende Welt habe kein wahres Seyn, sondern nur ein unaufhörliches Werden, sie sei, und sei auch nicht, und ihre Auffassung sei nicht sowohl eine Erkenntniß, als ein Wahn. Dies ist es auch, was er in der schon im dritten Buch gegenwärtiger Schrift erwähnten wichtigsten Stelle aller seiner Werke, dem Anfange des siebenten Buches der Republik mythisch ausspricht, indem er sagt, die Menschen, in einer finstern Höhle festgekettet, sähen weder das ächte ursprüngliche Licht, noch die wirklichen Dinge, sondern nur das dürftige Licht des Feuers in der Höhle und die Schatten wirklicher Dinge, die hinter ihrem Rücken an diesem Feuer vorüberziehn: sie meinten je doch, die Schatten seien die Realität, und die Bestimmung der Succession dieser Schatten sei die wahre Weisheit. – Die selbe Wahrheit, wieder ganz anders dargestellt, ist auch eine Hauptlehre der Veden und Puranas, die Lehre von der Maja, worunter eben auch nichts Anderes verstanden wird, als was Kant die Erscheinung, im Gegensatze des Dinges an sich nennt: denn das Werk der Maja wird eben angegeben als diese sichtbare Welt, in der wir sind, ein hervorgerufener Zauber, ein bestandloser, an sich wesenloser Schein, der optischen Illusion und dem Traume zu vergleichen, ein Schleier, der das menschliche Bewußtsein umfängt, ein Etwas, davon es gleich falsch und gleich wahr ist, zu sagen daß es sei, als daß es nicht sei. – Kant nun aber drückte nicht allein die selbe Lehre auf eine völlig neue und originelle Weise aus, sondern machte sie, mittelst der ruhigsten und nüchternsten Darstellung, zur erwiesenen und unstreitigen Wahrheit; während sowohl Plato, als die Inder, ihre Behauptungen bloß auf eine allgemeine Anschauung der Welt gegründet hatten, sie als unmittelbaren Ausspruch ihres Bewußtseins vorbrachten, und sie mehr mythisch und poetisch, als philosophisch und deutlich darstellten. In dieser Hinsicht verhalten sie sich zu Kant, wie die Phythagoreer Hiketas, Philolaos und Aristarch, welche schon die Bewegung der Erde um die ruhende Sonne behaupteten, zum Kopernikus. Solche deutliche Erkenntniß und ruhige, besonnene Darstellung dieser

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