Die wichtigen Werke von Arthur Schopenhauer. Arthur Schopenhauer
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Die wichtigen Werke von Arthur Schopenhauer - Arthur Schopenhauer страница 51
Es ist uns aus dem vorigen Buch erinnerlich, daß das Erkennen überhaupt selbst zur Objektivation des Willens auf ihren höheren Stufen gehört, und die Sensibilität, Nerven, Gehirn, eben nur, wie andere Theile des organischen Wesens, Ausdruck des Willens in diesem Grade seiner Objektität sind und daher die durch sie entstehende Vorstellung auch eben so zu seinem Dienste bestimmt ist, als ein Mittel (mêchanê) zur Erreichung seiner jetzt komplicirteren (polytelestera) Zwecke, zur Erhaltung eines vielfache Bedürfnisse habenden Wesens. Ursprünglich also und ihrem Wesen nach ist die Erkenntniß dem Willen durchaus dienstbar, und wie das unmittelbare Objekt, welches mittelst Anwendung des Gesetzes der Kausalität ihr Ausgangspunkt wird, nur objektivirter Wille ist, so bleibt auch alle dem Satze vom Grunde nachgehende Erkenntniß in einer näheren oder entfernteren Beziehung zum Willen. Denn das Individuum findet seinen Leib als ein Objekt unter Objekten, zu denen allen derselbe mannigfaltige Verhältnisse und Beziehungen nach dem Satz vom Grunde hat, deren Betrachtung also immer, auf näherem oder fernerem Wege, zu seinem Leibe, also zu seinem Willen, zurückführt. Da es der Satz vom Grunde ist, der die Objekte in diese Beziehung zum Leibe und dadurch zum Willen stellt; so wird die diesem dienende Erkenntniß auch einzig bestrebt seyn, von den Objekten eben die durch den Satz vom Grunde gesetzten Verhältnisse kennen zu lernen, also ihren mannigfaltigen Beziehungen in Raum, Zeit und Kausalität nachgehn. Denn nur durch diese ist das Objekt dem Individuo interessant, d.h. hat ein Verhältniß zum Willen. Daher erkennt denn auch die dem Willen dienende Erkenntniß von den Objekten eigentlich nichts weiter, als ihre Relationen, erkennt die Objekte nur, sofern sie zu dieser Zeit, an diesem Ort, unter diesen Umständen, aus diesen Ursachen, mit diesen Wirkungen dasind, mit Einem Wort, als einzelne Dinge: und höbe man alle diese Relationen auf, so wären ihr auch die Objekte verschwunden, eben weil sie übrigens nichts an ihnen erkannte. – Wir dürfen auch nicht verhehlen, daß Das, was die Wissenschaften an den Dingen betrachten, im Wesentlichen gleichfalls nichts Anderes als alles Jenes ist, nämlich ihre Relationen, die Verhältnisse der Zeit, des Raumes, die Ursachen natürlicher Veränderungen, die Vergleichung der Gestalten, Motive der Begebenheiten, also lauter Relationen. Was sie von der gemeinen Erkenntniß unterscheidet, ist bloß ihre Form, das Systematische, die Erleichterung der Erkenntniß durch Zusammenfassung alles Einzelnen, mittelst Unterordnung der Begriffe, ins Allgemeine, und dadurch erlangte Vollständigkeit derselben. Alle Relation hat selbst nur ein relatives Daseyn: z.B. alles Seyn in der Zeit ist auch wieder ein Nichtseyn: denn die Zeit ist eben nur dasjenige, wodurch dem selben Dinge entgegengesetzte Bestimmungen zukommen können: daher ist jede Erscheinung in der Zeit eben auch wieder nicht: denn was ihren Anfang von ihrem Ende trennt, ist eben nur Zeit, ein wesentlich Hinschwindendes, Bestandloses und Relatives, hier Dauer genannt. Die Zeit ist aber die allgemeinste Form aller Objekte der im Dienste des Willens stehenden Erkenntniß und der Urtypus der übrigen Formen derselben.
Dem Dienste des Willens bleibt nun die Erkenntniß in der Regel immer unterworfen, wie sie ja zu diesem Dienste hervorgegangen, ja dem Willen gleichsam so entsprossen ist, wie der Kopf dem Rumpf. Bei den Thieren ist diese Dienstbarkeit der Erkenntniß unter dem Willen gar nie aufzuheben. Bei den Menschen tritt solche Aufhebung nur als Ausnahme ein, wie wir sogleich näher betrachten werden. Dieser Unterschied zwischen Mensch und Thier ist äußerlich ausgedrückt durch die Verschiedenheit des Verhältnisses des Kopfes zum Rumpf. Bei den unteren Thieren sind Beide noch ganz verwachsen: bei allen ist der Kopf zur Erde gerichtet, wo die Objekte des Willens liegen: selbst bei den oberen sind Kopf und Rumpf noch viel mehr Eines, als beim Menschen, dessen Haupt dem Leibe frei aufgesetzt erscheint, nur von ihm getragen, nicht ihm dienend. Diesen menschlichen Vorzug stellt im höchsten Grade der Apoll von Belvedere dar: das weitumherblickende Haupt des Musengottes steht so frei auf den Schultern, daß es dem Leibe ganz entwunden, der Sorge für ihn nicht mehr unterthan erscheint.
§ 34
Der, wie gesagt, mögliche, aber nur als Ausnahme zu betrachtende Uebergang von der gemeinen Erkenntniß einzelner Dinge zur Erkenntniß der Idee geschieht plötzlich, indem die Erkenntniß sich vom Dienste des Willens losreißt, eben dadurch das Subjekt aufhört ein bloß individuelles zu seyn und jetzt reines, willenloses Subjekt der Erkenntniß ist, welches nicht mehr, dem Satze vom Grunde gemäß, den Relationen nachgeht; sondern in fester Kontemplation des dargebotenen Objekts, außer seinem Zusammenhange mit irgend andern, ruht und darin aufgeht.
Dieses bedarf, um deutlich zu werden, nothwendig einer ausführlichen Auseinandersetzung, über deren Befremdendes man sich einstweilen hinauszusetzen hat, bis es, nach Zusammenfassung des ganzen in dieser Schrift mitzutheilenden Gedankens, von selbst verschwunden ist.
Wenn man, durch die Kraft des Geistes gehoben, die gewöhnliche Betrachtungsart der Dinge fahren läßt, aufhört, nur ihren Relationen zu einander, deren letztes Ziel immer die Relation zum eigenen Willen ist, am Leitfaden der Gestaltungen des Satzes vom Grunde, nachzugehn, also nicht mehr das Wo, dasWann, das Warum und das Wozu an den Dingen betrachtet; sondern einzig und allein das Was; auch nicht das abstrakte Denken, die Begriffe der Vernunft, das Bewußtsein einnehmen läßt; sondern, statt alles diesen, die ganze Macht seines Geistes der Anschauung hingiebt, sich ganz in diese versenkt und das ganze Bewußtsein ausfüllen läßt durch die ruhige Kontemplation des gerade gegenwärtigen natürlichen Gegenstandes, sei es eine Landschaft, ein Baum, ein Fels, ein Gebäude oder was auch immer; indem man, nach einer sinnvollen Deutschen Redensart, sich gänzlich in diesen Gegenstand verliert, d.h. eben sein Individuum, seinen Willen, vergißt und nur noch als reines Subjekt, als klarer Spiegel des Objekts bestehend bleibt; so, daß es ist, als ob der Gegenstand allein da wäre, ohne jemanden, der ihn wahrnimmt, und man also nicht mehr den Anschauenden von der Anschauung trennen kann, sondern Beide Eines geworden sind, indem das ganze Bewußtsein von einem einzigen anschaulichen Bilde gänzlich gefüllt und eingenommen ist; wenn also solchermaaßen das Objekt aus aller Relation zu etwas außer ihm, das Subjekt aus aller Relation zum Willen getreten ist: dann ist, was also erkannt wird, nicht mehr das einzelne Ding als solches; sondern es ist die Idee, die ewige Form, die unmittelbare Objektität des Willens auf dieser Stufe: und eben dadurch ist zugleich der in dieser Anschauung Begriffene nicht mehr Individuum: denn das Individuum hat sich eben in solche Anschauung verloren: sondern er ist reines, willenloses, schmerzloses, zeitloses Subjekt der Erkenntniß. Dieses für jetzt so Auffallende, (von dem ich sehr wohl weiß, daß es den von Thomas Paine herrührenden Ausspruch, du sublime au ridicule il n'y a qu'un pas, bestätigt) wird durch das Folgende nach und nach deutlicher und weniger befremdend werden. Es war es auch, was dem Spinoza vorschwebte, als er niederschrieb: mens aeterna est, quatenus res sub aeternitatis specie concipit (Eth. V, pr. 31, schol.)51. In solcher Kontemplation nun wird mit Einem Schlage das einzelne Ding zur Idee seiner Gattung und das anschauende Individuum zum reinen Subjekt des Erkennens. Das Individuum als solches erkennt nur einzelne Dinge; das reine Subjekt des Erkennens nur Ideen. Denn das Individuum ist das Subjekt des Erkennens in seiner Beziehung auf eine bestimmte einzelne Erscheinung des Willens, und dieser dienstbar. Diese einzelne Willenserscheinung ist als solche dem Satz vom Grunde, in allen seinen Gestaltungen, unterworfen: alle auf dasselbe sich beziehende Erkenntniß folgt daher auch dem Satz vom Grunde, und zum Behuf des Willens taugt auch keine andere als diese, welche immer nur Relationen zum Objekt hat. Das erkennende Individuum als solches und das von ihm erkannte einzelne Ding sind immer irgendwo, irgendwann und Glieder in der Kette der Ursachen und Wirkungen. Das reine Subjekt der Erkenntniß und sein Korrelat, die Idee, sind aus allen jenen Formen des Satzes vom Grunde herausgetreten: die Zeit, der Ort, das Individuum, welches erkennt, und das Individuum, welches erkannt wird, haben für sie keine Bedeutung. Allererst indem auf die beschriebene Weise ein erkennendes Individuum sich zum reinen Subjekt des Erkennens und eben damit das betrachtete Objekt zur Idee erhebt, tritt die Welt als Vorstellung gänzlich und rein hervor, und geschieht die vollkommene Objektivation des Willens, da allein die Idee seine adäquate Objektität