Die wichtigen Werke von Arthur Schopenhauer. Arthur Schopenhauer
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Wer nun besagtermaaßen sich in die Anschauung der Natur so weit vertieft und verloren hat, daß er nur noch als rein erkennendes Subjekt daist, wird eben dadurch unmittelbar inne, daß er als solches die Bedingung, also der Träger, der Welt und alles objektiven Daseyns ist, da dieses nunmehr als von dem seinigen abhängig sich darstellt. Er zieht also die Natur in sich hinein, so daß er sie nur noch als ein Accidenz seines Wesens empfindet. In diesem Sinne sagt Byron:
Are not the mountains, waves and skies, a part Of me and of my soul, as I of them? 52
Wie aber sollte, wer dieses fühlt, sich selbst, im Gegensatz der unvergänglichen Natur, für absolut vergänglich halten? Ihn wird vielmehr das Bewußtsein dessen ergreifen, was der Upanischad des Veda ausspricht: Hae omnes creaturae in totum ego sum, et praeter me aliud ens non est. (Oupnekhat, I, 122.)53
§ 35
Um eine tiefere Einsicht in das Wesen der Welt zu erlangen, ist unumgänglich nöthig, daß man unterscheiden lerne den Willen als Ding an sich von seiner adäquaten Objektität, sodann die verschiedenen Stufen, auf welchen diese deutlicher und vollendeter hervortritt, d.i. die Ideen selbst, von der bloßen Erscheinung der Ideen in den Gestaltungen des Satzes vom Grunde, der befangenen Erkenntnißweise der Individuen. Dann wird man dem Plato beistimmen, wenn er nur den Ideen eigentliches Seyn beilegt, hingegen den Dingen in Raum und Zeit, dieser für das Individuum realen Welt, nur eine scheinbare, traumartige Existenz zuerkennt. Dann wird man einsehn, wie die eine und selbe Idee sich in so vielen Erscheinungen offenbart und den erkennenden Individuen ihr Wesen nur stückweise, eine Seite nach der andern, darbietet. Man wird dann auch die Idee selbst unterscheiden von der Art und Weise wie ihre Erscheinung in die Beobachtung des Individuums fällt, jene für wesentlich, diese für unwesentlich erkennen. Wir wollen dieses im Geringsten und dann im Größten beispielsweise betrachten. – Wann die Wolken ziehn, sind die Figuren, welche sie bilden, ihnen nicht wesentlich, sind für sie gleichgültig: aber daß sie als elastischer Dunst, vom Stoß des Windes zusammengepreßt, weggetrieben, ausgedehnt, zerrissen werden; dies ist ihre Natur, ist das Wesen der Kräfte, die sich in ihnen objektiviren, ist die Idee: nur für den individuellen Beobachter sind die jedesmaligen Figuren. – Dem Bach, der über Steine abwärts rollt, sind die Strudel, Wellen, Schaumgebilde, die er sehn läßt, gleichgültig und unwesentlich: daß er der Schwere folgt, sich als unelastische, gänzlich verschiebbare, formlose, durchsichtige Flüssigkeit verhält; dies ist sein Wesen, dies ist, wenn anschaulich erkannt, die Idee: nur für uns, solange wir als Individuen erkennen, sind jene Gebilde. – Das Eis an der Fensterscheibe schießt an nach den Gesetzen der Krystallisation, die das Wesen der hier hervortretenden Naturkraft offenbaren, die Idee darstellen; aber die Bäume und Blumen, die es dabei bildet, sind unwesentlich und nur für uns da. – Was in Wolken, Bach und Krystall erscheint, ist der schwächste Nachhall jenes Willens, der vollendeter in der Pflanze, noch vollendeter im Thier, am vollendetesten im Menschen hervortritt. Aber nur das Wesentliche aller jener Stufen seiner Objektivation macht die Idee aus: hingegen die Entfaltung dieser, indem sie in den Gestaltungen des Satzes vom Grunde auseinandergezogen wird zu mannigfaltigen und vielseitigen Erscheinungen; dieses ist der Idee unwesentlich, liegt bloß in der Erkenntnißweise des Individuums und hat auch nur für dieses Realität. Das Selbe nun gilt nothwendig auch von der Entfaltung derjenigen Idee, welche die vollendeteste Objektität des Willens ist: folglich ist die Geschichte des Menschengeschlechts, das Gedränge der Begebenheiten, der Wechsel der Zeiten, die vielgestalteten Formen des menschlichen Lebens in verschiedenen Ländern und Jahrhunderten, – dieses Alles ist nur die zufällige Form der Erscheinung der Idee, gehört nicht dieser selbst, in der allein die adäquate Objektität des Willens liegt, sondern nur der Erscheinung an, die in die Erkenntniß des Individuums fällt, und ist der Idee selbst so fremd, unwesentlich und gleichgültig, wie den Wolken die Figuren, die sie darstellen, dem Bach die Gestalt seiner Strudel und Schaumgebilde, dem Eise seine Bäume und Blumen.
Wer dieses wohl gefaßt hat und den Willen von der Idee, und diese von ihrer Erscheinung zu unterscheiden weiß, dem werden die Weltbegebenheiten nur noch sofern sie die Buchstaben sind, aus denen die Idee des Menschen sich lesen läßt, Bedeutung haben, nicht aber an und für sich. Er wird nicht mit den Leuten glauben, daß die Zeit etwas wirklich Neues und Bedeutsames hervorbringe, daß durch sie oder in ihr etwas schlechthin Reales zum Daseyn gelange, oder gar sie selbst als ein Ganzes Anfang und Ende, Plan und Entwickelung habe, und etwan zum letzten Ziel die höchste Vervollkommnung (nach ihren Begriffen) des letzten, dreißig Jahre lebenden Geschlechts. Daher wird er so wenig mit Homer einen ganzen Olymp voll Götter zur Lenkung jener Zeitbegebenheiten bestellen, als mit Ossian die Figuren der Wolken für individuelle Wesen halten, da, wie gesagt, Beides, in Bezug auf die darin erscheinende Idee, gleich viel Bedeutung hat. In den mannigfaltigen Gestalten des Menschenlebens und dem unaufhörlichen Wechsel der Begebenheiten wird er als das Bleibende und Wesentliche nur die Idee betrachten, in welcher der Wille zum Leben seine vollkommenste Objektität hat, und welche ihre verschiedenen Seiten zeigt in den Eigenschaften, Leidenschaften, Irrthümern und Vorzügen des Menschengeschlechts, in Eigennutz, Haß, Liebe, Furcht, Kühnheit, Leichtsinn, Stumpfheit, Schlauheit, Witz, Genie u.s.w., welche alle, zu tausendfältigen Gestalten (Individuen) zusammenlaufend und gerinnend, fortwährend die große und die kleine Weltgeschichte aufführen, wobei es an sich gleichviel ist, ob, was sie in Bewegung setzt, Nüsse oder Kronen sind. Er