Die wichtigen Werke von Arthur Schopenhauer. Arthur Schopenhauer
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§ 55
Daß der Wille als solcher frei sei, folgt schon daraus, daß er, nach unserer Ansicht, das Ding an sich, der Gehalt aller Erscheinung ist. Diese hingegen kennen wir als durchweg dem Satz vom Grunde unterworfen, in seinen vier Gestaltungen: und da wir wissen, daß Nothwendigkeit durchaus identisch ist mit Folge aus gegebenem Grunde, und Beides Wechselbegriffe sind; so ist Alles was zur Erscheinung gehört, d.h. Objekt für das als Individuum erkennende Subjekt ist, einerseits Grund, andererseits Folge, und in dieser letztern Eigenschaft durchweg nothwendig bestimmt, kann daher in keiner Beziehung anders seyn, als es ist. Der ganze Inhalt der Natur, Ihre gesammten Erscheinungen, sind also durchaus nothwendig, und die Nothwendigkeit jedes Theils, jeder Erscheinung, jeder Begebenheit, läßt sich jedesmal nachweisen, indem der Grund zu finden seyn muß, von dem sie als Folge abhängt. Dies leidet keine Ausnahme: es folgt aus der unbeschränkten Gültigkeit des Satzes vom Grunde. Andererseits nun aber ist uns diese nämliche Welt, in allen ihren Erscheinungen, Objektität des Willens, welcher, da er nicht selbst Erscheinung, nicht Vorstellung oder Objekt, sondern Ding an sich ist, auch nicht dem Satz vom Grunde, der Form alles Objekts, unterworfen, also nicht als Folge durch einen Grund bestimmt ist, also keine Nothwendigkeit kennt, d.h. frei ist. Der Begriff der Freiheit ist also eigentlich ein negativer, indem sein Inhalt bloß die Verneinung der Nothwendigkeit, d.h. des dem Satz vom Grund gemäßen Verhältnisses der Folge zu ihrem Grunde ist. – Hier liegt nun aufs Deutlichste vor uns der Einheitspunkt jenes großen Gegensatzes, die Vereinigung der Freiheit mit der Nothwendigkeit, wovon in neuerer Zeit oft, doch, so viel mir bekannt, nie deutlich und gehörig geredet worden, Jedes Ding ist als Erscheinung, als Objekt, durchweg nothwendig: dasselbe ist an sich Wille, und dieser ist völlig frei, für alle Ewigkeit. Die Erscheinung, das Objekt, ist nothwendig und unabänderlich in der Verkettung der Gründe und Folgen bestimmt, die keine Unterbrechung haben kann. Das Daseyn überhaupt aber dieses Objekts und die Art seines Daseyns, d.h. die Idee, welche in ihm sich offenbart, oder mit andern Worten, sein Charakter, ist unmittelbar Erscheinung des Willens. In Gemäßheit der Freiheit dieses Willens, könnte es also überhaupt nicht daseyn, oder auch ursprünglich und wesentlich ein ganz Anderes seyn; wo dann aber auch die ganze Kette, von der es ein Glied ist, die aber selbst Erscheinung des selben Willens ist, eine ganz andere wäre; aber ein Mal da und vorhanden, ist es in die Reihe der Gründe und Folgen eingetreten, in ihr stets nothwendig bestimmt und kann demnach weder ein Anderes werden, d.h. sich ändern, noch auch aus der Reihe austreten, d.h. verschwinden. Der Mensch ist, wie jeder andere Theil der Natur, Objektität des Willens: daher gilt alles Gesagte auch von ihm. Wie jedes Ding in der Natur seine Kräfte und Qualitäten hat, die auf bestimmte Einwirkung bestimmt reagiren und seinen Charakter ausmachen; so hat auch er seinen Charakter, aus dem die Motive seine Handlungen hervorrufen, mit Nothwendigkeit. In dieser Handlungsweise selbst offenbart sich sein empirischer Charakter, in diesem aber wieder sein intelligibler Charakter, der Wille an sich, dessen determinirte Erscheinung er ist. Aber der Mensch ist die vollkommenste Erscheinung des Willens, welche, um zu bestehn, wie im zweiten Buche gezeigt, von einem so hohen Grade von Erkenntniß beleuchtet werden mußte, daß in dieser sogar eine völlig adäquate Wiederholung des Wesens der Welt, unter der Form der Vorstellung, welches die Auffassung der Ideen, der reine Spiegel der Welt ist, möglich ward, wie wir sie im dritten Buche kennen gelernt haben. Im Menschen also kann der Wille zum völligen Selbstbewußtseyn, zum deutlichen und erschöpfenden Erkennen seines eigenen Wesens, wie es sich in der ganzen Welt abspiegelt, gelangen. Aus dem wirklichen Vorhandensein dieses Grades von Erkenntniß geht, wie wir im vorigen Buche sahen, die Kunst hervor. Am Ende unserer ganzen Betrachtung wird sich aber auch ergeben, daß durch die selbe Erkenntniß, indem der Wille sie auf sich selbst bezieht, eine Aufhebung und Selbstverneinung desselben, in seiner vollkommensten Erscheinung, möglich ist: so daß die Freiheit, welche sonst, als nur dem Ding an sich zukommend, nie in der Erscheinung sich zeigen kann, in solchem Fall auch in dieser hervortritt und, indem sie das der Erscheinung zum Grunde liegende Wesen aufhebt, während diese selbst in der Zeit noch fortdauert, einen Widerspruch der Erscheinung mit sich selbst hervorbringt und gerade dadurch die Phänomene der Heiligkeit und Selbstverleugnung darstellt. Jedoch kann dieses Alles erst am Ende dieses Buches ganz verständlich werden. – Vorläufig wird hiedurch nur allgemein angedeutet, wie der Mensch von allen andern Erscheinungen des Willens sich dadurch unterscheidet, daß die Freiheit, d.h. Unabhängigkeit vom Satze des Grundes, welche nur dem Willen als Ding an sich zukommt und der Erscheinung widerspricht, dennoch bei ihm möglicherweise auch in der Erscheinung ein treten kann, wo sie aber dann nothwendig als ein Widerspruch der Erscheinung mit sich selbst sich darstellt. In diesem Sinne kann nicht nur der Wille an sich, sondern sogar der Mensch allerdings frei genannt und dadurch von allen andern Wesen unterschieden werden. Wie dies aber zu verstehn sei, kann erst durch alles Nachfolgende deutlich werden, und für jetzt müssen wir noch gänzlich davon absehn. Denn zunächst ist der Irrthum zu verhüten, daß das Handeln des einzelnen, bestimmten Menschen keiner Nothwendigkeit unterworfen, d.h. die Gewalt des Motivs weniger sicher sei, als die Gewalt der Ursache, oder die Folge des Schlusses aus den Prämissen. Die Freiheit des Willens als Dinges an sich geht, sofern wir, wie gesagt, vom obigen immer nur eine Ausnahme betreffenden Fall absehn, keineswegs unmittelbar auf seine Erscheinung über, auch da nicht, wo diese die höchste Stufe der Sichtbarkeit erreicht, also nicht auf das vernünftige Thier mit individuellem Charakter, d.h. die Person. Diese ist nie frei, obwohl sie die Erscheinung eines freien Willens ist: denn eben von dessen freiem Wollen ist sie die bereits determinirte Erscheinung, und indem diese in die Form alles Objekts, den Satz vom Grunde, eingeht, entwickelt sie zwar die Einheit jenes Willens in eine Vielheit von Handlungen, die aber, wegen der außerzeitlichen Einheit jenes Wollens an sich, mit der Gesetzmäßigkeit einer Naturkraft sich darstellt. Da aber dennoch jenes freie Wollen es ist, was in der Person und ihrem ganzen Wandel sichtbar wird, sich zu diesem verhaltend wie der Begriff zur Definition; so ist auch jede einzelne That derselben dem freien Willen zuzuschreiben und kündigt sich dem Bewußtseyn unmittelbar als solche an: daher hält, wie im zweiten Buche gesagt, Jeder a priori (d.h. hier nach seinem ursprünglichen Gefühl) sich auch in den einzelnen Handlungen für frei, in dem Sinne, daß ihm, in jedem gegebenen Fall, jede Handlung möglich wäre, und erst a posteriori, aus der Erfahrung und dem Nachdenken über die Erfahrung, erkennt er, daß sein Handeln ganz nothwendig hervorgeht aus dem Zusammentreffen des Charakters mit den Motiven. Daher kommt es, daß jeder Roheste, seinem Gefühle folgend, die völlige Freiheit in den einzelnen Handlungen auf das heftigste vertheidigt, während die großen Denker aller Zeiten, ja sogar die tiefsinnigeren Glaubenslehren, sie geleugnet haben. Wem es aber deutlich geworden, daß das ganze Wesen des Menschen Wille und er selbst nur Erscheinung dieses Willens ist, solche Erscheinung aber den Satz vom Grund zur nothwendigen, selbst schon vom Subjekt aus erkennbaren Form hat, die für diesen Fall sich als Gesetz der Motivation gestaltet, dem wird ein Zweifel an der Unausbleiblichkeit der That, bei gegebenem Charakter und vorliegendem Motiv, so vorkommen, wie ein Zweifel an der Uebereinstimmung der drei Winkel des Dreiecks mit zwei rechten. – Die Nothwendigkeit des einzelnen Handelns hat Priestley in seiner »Doctrine of philosophical necessity« sehr genügend dargethan; aber das Zusammenbestehn dieser Nothwendigkeit mit der Freiheit des Willens an sich, d.h. außer der Erscheinung, hat zuerst Kant, dessen Verdienst hier besonders groß ist, nachgewiesen80,