Die wichtigen Werke von Arthur Schopenhauer. Arthur Schopenhauer

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Die wichtigen Werke von Arthur Schopenhauer - Arthur Schopenhauer

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etwan bloß auf die Lebensklugheit, auf die Wahl der Mittel und die Beurtheilung der Angemessenheit des Zwecks zu meinem eigentlichen Willen; sondern auch auf das eigentlich Ethische. So kann ich z.B. egoistischer gehandelt haben, als meinem Charakter gemäß ist, irre geführt durch übertriebene Vorstellungen von der Noth, in der ich selbst war, oder auch von der List, Falschheit, Bosheit Anderer, oder auch dadurch, daß ich übereilt, d.h. ohne Ueberlegung handelte, bestimmt, nicht durch in abstracto deutlich erkannte, sondern durch bloß anschauliche Motive, durch den Eindruck der Gegenwart und durch den Affekt, den er erregte, und der so stark war, daß ich nicht eigentlich den Gebrauch meiner Vernunft hatte; die Rückkehr der Besinnung ist dann aber auch hier nur berichtigte Erkenntniß, aus welcher Reue hervorgehn kann, die sich dann allemal durch Gutmachen des Geschehenen, so weit es möglich ist, kund giebt. Doch ist zu bemerken, daß man, um sich selbst zu täuschen, sich scheinbare Uebereilungen vorbereitet, die eigentlich heimlich überlegte Handlungen sind. Denn wir betrügen und schmeicheln Niemanden durch so feine Kunstgriffe, als uns selbst. – Auch der umgekehrte Fall des Angeführten kann eintreten: mich kann ein zu gutes Zutrauen zu Andern, oder Unkenntniß des relativen Werthes der Güter des Lebens, oder irgend ein abstraktes Dogma, den Glauben an welches ich nun mehr verloren habe, verleiten, weniger egoistisch zu handeln, als meinem Charakter gemäß ist, und mir dadurch Reue anderer Art zu bereiten. Immer also ist die Reue berichtigte Erkenntniß des Verhältnisses der That zur eigentlichen Absicht. – Wie dem Willen, sofern er seine Ideen im Raum allein, d.h. durch die bloße Gestalt offenbart, die schon von andern Ideen, hier Naturkräften, beherrschte Materie sich widersetzt und selten die Gestalt, welche hier zur Sichtbarkeit strebte, vollkommen rein und deutlich, d.h. schön, hervorgehn läßt; so findet ein analoges Hinderniß der in der Zeit allein, d.h. durch Handlungen sich offenbarende Wille, an der Erkenntniß, die ihm selten die Data ganz richtig angiebt, wodurch dann die That nicht ganz genau dem Willen entsprechend ausfällt und daher Reue vorbereitet. Die Reue geht also immer aus berichtigter Erkenntniß, nicht aus der Aenderung des Willens hervor, als welche unmöglich ist. Gewissensangst über das Begangene ist nichts weniger als Reue, sondern Schmerz über die Erkenntniß seiner selbst an sich, d.h. als Wille. Sie beruht gerade auf der Gewißheit, daß man den selben Willen noch immer hat. Wäre er geändert und daher die Gewissensangst bloße Reue, so höbe diese sich selbst auf: denn das Vergangene könnte dann weiter keine Angst erwecken, da es die Aeußerungen eines Willens darstellte, welcher nicht mehr der des Reuigen wäre. Wir werden weiter unten die Bedeutung der Gewissensangst ausführlich erörtern.

      Der Einfluß, den die Erkenntniß, als das Medium der Motive, zwar nicht auf den Willen selbst, aber auf sein Hervortreten in den Handlungen hat, begründet auch den Hauptunterschied zwischen dem Thun der Menschen und dem der Thiere, indem die Erkenntnißweise Beider verschieden ist. Das Thier nämlich hat nur anschauliche, der Mensch, durch die Vernunft, auch abstrakte Vorstellungen, Begriffe. Obgleich nun Thier und Mensch mit gleicher Nothwendigkeit durch die Motive bestimmt werden, so hat doch der Mensch eine vollkommene Wahlentscheidung vor dem Thiere voraus, welche auch oft für eine Freiheit des Willens in den einzelnen Thaten angesehn worden, obwohl sie nichts Anderes ist, als die Möglichkeit eines ganz durchgekämpften Konflikts zwischen mehreren Motiven, davon das stärkere ihn dann mit Nothwendigkeit bestimmt. Hiezu nämlich müssen die Motive die Form abstrakter Gedanken angenommen haben; weil nur mittelst dieser eine eigentliche Deliberation, d.h. Abwägung entgegengesetzter Gründe zum Handeln, möglich ist. Beim Thier kann die Wahl nur zwischen anschaulich vorliegenden Motiven Statt haben, weshalb dieselbe auf die enge Sphäre seiner gegenwärtigen, anschaulichen Apprehension beschränkt ist. Daher kann die Nothwendigkeit der Bestimmung des Willens durch das Motiv, welche der der Wirkung durch die Ursache gleich ist, allein bei Thieren anschaulich und unmittelbar dargestellt werden, weil hier auch der Zuschauer die Motive so unmittelbar, wie ihre Wirkung, vor Augen hat; während beim Menschen die Motive fast immer abstrakte Vorstellungen sind, deren der Zuschauer nicht theilhaft wird, und sogar dem Handelnden selbst die Nothwendigkeit ihres Wirkens sich hinter ihrem Konflikt verbirgt. Denn nur in abstracto können mehrere Vorstellungen, als Urtheile und Ketten von Schlüssen, im Bewußtsein neben einander liegen und dann frei von aller Zeitbestimmung gegen einander wirken, bis das stärkere die übrigen überwältigt und den Willen bestimmt. Dies ist die vollkommene Wahlentscheidung, oder Deliberationsfähigkeit, welche der Mensch vor dem Thiere voraus hat, und wegen welcher man ihm Willensfreiheit beigelegt hat, vermeinend, sein Wollen sei ein bloßes Resultat der Operationen des Intellekts, ohne daß ein bestimmter Trieb demselben zur Basis diene; während, in Wahrheit, die Motivation nur wirkt auf der Grundlage und unter der Voraussetzung seines bestimmten Triebes, welcher bei Ihm individuell, d.h. ein Charakter ist. Eine ausführlichere Darstellung jener Deliberationsfähigkeit und der durch sie herbeigeführten Verschiedenheit der menschlichen und thierischen Willkür findet man in den »Beiden Grundproblemen der Ethik« (1. Auflage, S. 35 ff.), worauf ich also hier verweise. Uebrigens gehört diese Deliberationsfähigkeit des Menschen auch zu den Dingen, die sein Daseyn so sehr viel quaalvoller, als das des Thieres machen; wie denn überhaupt unsere größten Schmerzen nicht in der Gegenwart, als anschauliche Vorstellungen oder unmittelbares Gefühl, liegen: sondern in der Vernunft, als abstrakte Begriffe, quälende Gedanken, von denen das allein in der Gegenwart und daher in beneidenswerther Sorglosigkeit lebende Thier völlig frei ist.

      Die nachgewiesene Verschiedenheit der Art wie das Thier, von der wie der Mensch durch die Motive bewegt wird, erstreckt ihren Einfluß auf das Wesen Beider sehr weit und trägt das Meiste bei zu dem durchgreifenden und augenfälligen Unterschied des Daseyns Beider. Während nämlich das Thier immer nur durch eine anschauliche Vorstellung motivirt wird, ist der Mensch bestrebt diese Art der Motivation gänzlich auszuschließen und allein durch abstrakte Vorstellungen sich bestimmen zu lassen, wodurch er sein Vorrecht der Vernunft zu möglichstem Vortheil benutzt und, unabhängig von der Gegenwart, nicht den vorübergehenden Genuß oder Schmerz wählt oder flieht, sondern die Folgen Beider bedenkt. In den meisten Fällen, von den ganz unbedeutenden Handlungen abgesehn, bestimmen uns abstrakte, gedachte Motive, nicht gegenwärtige Eindrücke. Daher ist uns jede einzelne Entbehrung für den Augenblick ziemlich leicht, aber jede Entsagung entsetzlich schwer: denn jene trifft nur die vorübereilende Gegenwart, diese aber die Zukunft und schließt daher unzählige Entbehrungen in sich, deren Aequivalent sie ist. Die Ursache unseres Schmerzes, wie unserer Freude, liegt daher meistens nicht in der realen Gegenwart; sondern bloß in abstrakten Gedanken: diese sind es, welche uns oft unerträglich fallen, Quaalen schaffen, gegen welche alle Leiden der Thierheit sehr klein sind, da über dieselben auch unser eigener physischer Schmerz oft gar nicht empfunden wird, ja, wir bei heftigen geistigen Leiden uns physische verursachen, bloß um dadurch die Aufmerksamkeit von jenen abzulenken auf diese: daher rauft man, im größten geistigen Schmerze, sich die Haare aus, schlägt die Brust, zerfleischt das Antlitz, wälzt sich auf dem Boden; welches Alles eigentlich nur gewaltsame Zerstreuungsmittel von einem unerträglich fallenden Gedanken sind. Eben weil der geistige Schmerz, als der viel größere, gegen den physischen unempfindlich macht, wird dem Verzweifelnden, oder von krankhaftem Unmuth Verzehrten, der Selbstmord sehr leicht, auch wenn er früher, im behaglichen Zustande, vor dem Gedanken daran zurückbebte. Imgleichen reiben die Sorge und Leidenschaft, also das Gedankenspiel, den Leib öfter und mehr auf, als die physischen Beschwerden. Dem also gemäß sagt Epiktetos mit Recht: Tarassei tous anthrôtous ou ta pragmata, allata peri tôn pragmatôn dogmata (Perturbant homines non res ipsae, sed de rebus decreta) (V.) und Seneka: Plura sunt, quae nos terrent, quam quae premunt, et saepius opinione quam re laboramus (Ep.5). Auch Eulenspiegel persiflirte die menschliche Natur ganz vortrefflich, indem er bergaufgehend lachte,

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