Die wichtigen Werke von Arthur Schopenhauer. Arthur Schopenhauer

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Die wichtigen Werke von Arthur Schopenhauer - Arthur Schopenhauer страница 87

Die wichtigen Werke von Arthur Schopenhauer - Arthur Schopenhauer

Скачать книгу

Dem ist aber anders, und wiewohl man immer der Selbe ist, so versteht man jedoch sich selbst nicht jederzeit, sondern verkennt sich oft, bis man die eigentliche Selbstkenntniß in gewissem Grade erworben hat. Der empirische Chrakter ist, als bloßer Naturtrieb, an sich unvernünftig: ja, seine Aeußerungen werden noch dazu durch die Vernunft gestört, und zwar um so mehr, je mehr Besonnenheit und Denkkraft der Mensch hat. Denn diese halten ihm immer vor, was dem Menschen überhaupt, als Gattungscharakter, zukommt und im Wollen, wie im Leisten, demselben möglich ist. Hiedurch wird ihm die Einsicht in Dasjenige, was allein von dem Allen er, vermöge seiner Individualität, will und vermag, erschwert. Er findet in sich zu allen, noch so verschiedenen menschlichen Anstrebungen und Kräften die Anlagen; aber der verschiedene Grad derselben in seiner Individualität wird ihm nicht ohne Erfahrung klar: und wenn er nun zwar zu den Bestrebungen greift, die seinem Charakter allein gemäß sind, so fühlt er doch, besonders in einzelnen Momenten und Stimmungen, die Anregung zu gerade entgegengesetzten, damit unvereinbaren, die, wenn er jenen ersteren ungestört nachgehn will, ganz unterdrückt werden müssen. Denn, wie unser physischer Weg auf der Erde immer nur eine Linie, keine Fläche ist; so müssen wir im Leben, wenn wir Eines ergreifen und besitzen wollen, unzähliges Anderes, rechts und links, entsagend, liegen lassen. Können wir uns dazu nicht entschließen, sondern greifen, wie Kinder auf dem Jahrmarkt, nach Allem was uns im Vorübergehn reizt; dann ist dies das verkehrte Bestreben, die Linie unsers Wegs in eine Fläche zu verwandeln: wir laufen sodann im Zickzack, irrlichterliren hin und her und gelangen zu nichts. – Oder, um ein anderes Gleichniß zu gebrauchen, wie, nach Hobbes' Rechtslehre, ursprünglich Jeder auf jedes Ding ein Recht hat, aber auf keines ein ausschließliches; letzteres jedoch auf einzelne Dinge erlangen kann, dadurch, daß er seinem Recht auf alle übrigen entsagt, wogegen die Andern in Hinsicht auf das von ihm erwählte das gleiche thun; gerade so ist es im Leben, wo wir irgend eine bestimmte Bestrebung, sei sie nach Genuß, Ehre, Reichthum, Wissenschaft, Kunst, oder Tugend, nur dann recht mit Ernst und mit Glück verfolgen können, wann wir alle ihr fremden Ansprüche aufgeben, auf alles Andere verzichten. Darum ist das bloße Wollen und auch Können an sich noch nicht zureichend, sondern ein Mensch muß auch wissen, was er will, und wissen, was er kann: erst so wird er Charakter zeigen, und erst dann kann er etwas Rechtes vollbringen. Bevor er dahin gelangt, ist er, ungeachtet der natürlichen Konsequenz des empirischen Charakters, doch charakterlos, und obwohl er im Ganzen sich treu bleiben und seine Bahn durchlaufen muß, von seinem Dämon gezogen; so wird er doch keine schnurgerechte, sondern eine zitternde, ungleiche Linie beschreiben, schwanken, abweichen, umkehren, sich Reue und Schmerz bereiten: dies Alles, weil er, im Großen und Kleinen, so Vieles als dem Menschen möglich und erreichbar vor sich sieht, und noch nicht weiß, was davon allein ihm gemäß und ihm ausführbar, ja, auch nur ihm genießbar ist. Er wird daher Manchen um eine Lage und Verhältnisse beneiden, die doch nur dessen Charakter, nicht dem seinigen, angemessen sind, und in denen er sich unglücklich fühlen würde, wohl gar es nicht ein Mal aushaken könnte. Denn wie dem Fische nur im Wasser, dem Vogel nur in der Luft, dem Maulwurf nur unter der Erde wohl ist, so jedem Menschen nur in der ihm angemessenen Atmosphäre; wie denn z.B. die Hofluft nicht Jedem respirabel ist. Aus Mangel an genügsamer Einsicht in alles Dieses wird Mancher allerlei mißlingende Versuche machen, wird seinem Charakter im Einzelnen Gewalt anthun, und im Ganzen ihm doch wieder nachgeben müssen: und was er so, gegen seine Natur, mühsam erlangt, wird ihm keinen Genuß geben; was er so erlernt, wird todt bleiben; ja sogar in ethischer Hinsicht wird eine nicht aus reinem, unmittelbarem Antriebe, sondern aus einem Begriff, einem Dogma entsprungene, für seinen Charakter zu edle That, durch nachfolgende egoistische Reue, alles Verdienst verlieren, selbst in seinen eigenen Augen. Velle non discitur. Wie wir der Unbiegsamkeit der fremden Charaktere erst durch die Erfahrung inne werden und bis dahin kindisch glauben, durch unvernünftige Vorstellungen, durch Bitten und Flehen, durch Beispiel und Edelmuth könnten wir irgend Einen dahin bringen, daß er von seiner Art lasse, seine Handlungsweise ändere, von seiner Denkungsart abgehe, oder gar seine Fähigkeiten erweitere; so geht es uns auch mit uns selbst. Wir müssen erst aus Erfahrung lernen, was wir wollen und was wir können: bis dahin wissen wir es nicht, sind charakterlos und müssen oft durch harte Stöße von außen auf unsern eigenen Weg zurückgeworfen werden. – Haben wir es aber endlich gelernt, dann haben wir erlangt, was man in der Welt Charakter nennt, den erworbenen Charakter. Dieses ist demnach nichts Anderes, als möglichst vollkommene Kenntniß der eigenen Individualität: es ist das abstrakte, folglich deutliche Wissen von den unabänderlichen Eigenschaften seines eigenen empirischen Charakters und von dem Maaß und der Richtung seiner geistigen und körperlichen Kräfte, also von den gesammten Stärken und Schwächen der eigenen Individualität. Dies setzt uns in den Stand, die an sich ein Mal unveränderliche Rolle der eigenen Person, die wir vorhin regellos naturalisirten, jetzt besonnen und methodisch durchzuführen und die Lücken, welche Launen oder Schwächen darin verursachen, nach Anleitung fester Begriffe auszufüllen. Die durch unsere individuelle Natur ohnehin nothwendige Handlungsweise haben wir jetzt auf deutlich bewußte, uns stets gegenwärtige Maximen gebracht, nach denen wir sie so besonnen durchführen, als wäre es eine erlernte, ohne hiebei je irre zu werden durch den vorübergehenden Einfluß der Stimmung, oder des Eindrucks der Gegenwart, ohne gehemmt zu werden durch das Bittere oder Süße einer im Wege angetroffenen Einzelheit, ohne Zaudern, ohne Schwanken, ohne Inkonsequenzen. Wir werden nun nicht mehr, als Neulinge, warten, versuchen, umhertappen, um zu sehn, was wir eigentlich wollen und was wir vermögen; sondern wir wissen es ein für alle Mal, haben bei jeder Wahl nur allgemeine Sätze auf einzelne Fälle anzuwenden und gelangen gleich zum Entschluß. Wir kennen unsern Willen im Allgemeinen und lassen uns nicht durch Stimmung, oder äußere Aufforderung verleiten, im Einzelnen zu beschließen, was ihm im Ganzen entgegen ist. Wir kennen eben so die Art und das Maaß unserer Kräfte und unserer Schwächen, und werden uns dadurch viele Schmerzen ersparen. Denn es giebt eigentlich gar keinen Genuß anders, als im Gebrauch und Gefühl der eigenen Kräfte, und der größte Schmerz ist wahrgenommener Mangel an Kräften, wo man ihrer bedarf. Haben wir nun erforscht, wo unsere Stärken und wo unsere Schwächen liegen; so werden wir unsere hervorstechenden natürlichen Anlagen ausbilden, gebrauchen, auf alle Weise zu nutzen suchen und immer uns dahin wenden, wo diese taugen und gelten, aber durchaus und mit Selbstüberwindung die Bestrebungen vermeiden, zu denen wir von Natur geringe Anlagen haben; werden uns hüten. Das zu versuchen, was uns doch nicht gelingt. Nur wer dahin gelangt ist, wird stets mit voller Besonnenheit ganz er selbst seyn, und wird nie von sich selbst im Stiche gelassen werden, weil er immer wußte, was er sich selber zumuthen konnte. Er wird alsdann oft der Freude theilhaft werden, seine Stärken zu fühlen, und selten den Schmerz erfahren, an seine Schwächen erinnert zu werden, welches letztere Demüthigung ist, die vielleicht den größten Geistesschmerz verursacht: daher man es viel besser ertragen kann, sein Mißgeschick, als sein Ungeschick deutlich ins Auge zu fassen. – Sind wir nun also vollkommen bekannt mit unsern Stärken und Schwächen; so werden wir auch nicht versuchen, Kräfte zu zeigen, die wir nicht haben, werden nicht mit falscher Münze spielen, weil solche Spiegelfechterei doch endlich ihr Ziel verfehlt. Denn da der ganze Mensch nur die Erscheinung seines Willens ist; so kann nichts verkehrter seyn, als, von der Reflexion ausgehend, etwas Anderes seyn zu wollen, als man ist: denn es ist ein unmittelbarer Widerspruch des Willens mit sich selbst. Nachahmung fremder Eigenschaften und Eigenthümlichkeiten ist viel schimpflicher, als das Tragen fremder Kleider: denn es ist das Urtheil der eigenen Werthlosigkeit von sich selbst ausgesprochen. Kenntniß seiner eigenen Gesinnung und seiner Fähigkeiten jeder Art und ihrer unabänderlichen Gränzen ist in dieser Hinsicht der sicherste Weg, um zur möglichsten Zufriedenheit mit sich selbst zu gelangen. Denn es gilt von den inneren Umständen, was von den äußeren, daß es nämlich für uns keinen wirksamem Trost giebt, als die volle Gewißheit der unabänderlichen Nothwendigkeit. Uns quält ein Uebel, das uns betroffen, nicht so sehr, als der Gedanke an die Umstände, durch die es hätte abgewendet werden können; daher nichts wirksamer zu unserer Beruhigung ist, als das Betrachten des Geschehenen aus dem Gesichtspunkte der Nothwendigkeit, aus welchem alle Zufälle sich als Werkzeuge eines waltenden Schicksals darstellen und wir mithin das eingetretene Uebel als durch den Konflikt innerer und äußerer Umstände unausweichbar herbeigezogen erkennen, also der Fatalismus. Wir jammern oder toben auch eigentlich nur so lange, als wir hoffen dadurch entweder auf Andere zu wirken, oder uns selbst zu unerhörter Anstrengung anzuregen. Aber Kinder und Erwachsene wissen sich sehr wohl zufrieden zu geben, sobald sie deutlich einsehn, daß es durchaus nicht anders ist:

Скачать книгу