Die wichtigen Werke von Arthur Schopenhauer. Arthur Schopenhauer

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Die wichtigen Werke von Arthur Schopenhauer - Arthur Schopenhauer

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Das, was er ist, durch seinen Willen, und sein Charakter ist ursprünglich; da Wollen die Basis seines Wesens ist. Durch die hinzugekommene Erkenntniß erfährt er, im Laufe der Erfahrung, was er ist, d.h. er lernt seinen Charakter kennen. Er erkennt sich also in Folge und Gemäßheit der Beschaffenheit seines Willens; statt daß er, nach der alten Ansicht, will in Folge und Gemäßheit seines Erkennens. Nach dieser dürfte er nur überlegen, wie er am liebsten seyn möchte, und er wäre es: das ist ihre Willensfreiheit. Sie besteht also eigentlich darin, daß der Mensch sein eigenes Werk ist, am Lichte der Erkenntniß. Ich hingegen sage: er ist sein eigenes Werk vor aller Erkenntniß, und diese kommt bloß hinzu, es zu beleuchten. Darum kann er nicht beschließen, ein Solcher oder Solcher zu seyn, noch auch kann er ein Anderer werden; sondern er ist, ein für alle Mal, und erkennt successive was er ist. Bei Jenen will er was er erkennt; bei mir erkennt er was er will.

      Die Griechen nannten den Charakter êthos und die Aeußerungen desselben, d.i. die Sitten êthê dieses Wort kommt aber von ethos, Gewohnheit: sie hatten es gewählt, um die Konstanz des Charakters metaphorisch durch die Konstanz der Gewohnheit auszudrücken. To gar êthos apo tou ethous echei tên epônymian. êthikê gar kaleitai dia to ethizesthai (a vocce ethos, i.e. consuetudo, êthos est appellatum: ethica ergo dicta est apo tou ethizesthai, sive ab assuescendo), sagt Aristoteles (Eth. magna, I, 6, S. 1186, und Eth. Eud., S. 1220, und Eth. Nic., S. 1103, ed. Ber.). Stobäos führt an: hoi de kata Zênôna tropikôs; êthos esti pêgê biou, aph' hês hai kata meros praxeis reousi (Stoici autem, Zenonis castra sequentes, metaphorice ethos definiunt vitae fontem, e quo singulae manant actiones.) II, Kap. 7. – In der Christlichen Glaubenslehre finden wir das Dogma von der Prädestination, in Folge der Gnadenwahl und Ungnadenwahl (Röm. 9, 11-24), offenbar aus der Einsicht entsprungen, daß der Mensch sich nicht ändert; sondern sein Leben und Wandel, d.i. sein empirischer Charakter, nur die Entfaltung des intelligibeln ist, die Entwickelung entschiedener, schon im Kinde erkennbarer, unveränderlicher Anlagen, daher gleichsam schon bei seiner Geburt sein Wandel fest bestimmt ist und sich bis ans Ende im Wesentlichen gleich bleibt. Diesem stimmen auch wir bei; aber freilich die Konsequenzen, welche aus der Vereinigung dieser ganz richtigen Einsicht mit den in der Jüdischen Glaubenslehre vorgefundenen Dogmen hervorgiengen und nun die allergrößte Schwierigkeit, den ewig unauflösbaren Gordischen Knoten gaben, um welchen sich die allermeisten Streitigkeiten der Kirche drehn, – übernehme ich nicht zu vertreten; da dieses sogar dem Apostel Paulus selbst wohl schwerlich gelungen ist, durch sein zu diesem Zweck aufgestelltes Gleichniß vom Töpfer: denn da wäre das Resultat zuletzt doch kein anderes als:

      »Es fürchte die Götter

       Das Menschengeschlecht!

       Sie halten die Herrschaft

       In ewigen Händen:

       Und können sie brauchen

       Wie's ihnen gefällt. –«

      Dergleichen Betrachtungen sind aber eigentlich unserm Gegenstande fremd. Vielmehr werden jetzt über das Verhältniß zwischen dem Charakter und dem Erkennen, in welchem alle seine Motive liegen, einige Erörterungen zweckmäßig seyn.

      Da die Motive, welche die Erscheinung des Charakters, oder das Handeln, bestimmen, durch das Medium der Erkenntniß auf ihn einwirken, die Erkenntniß aber veränderlich ist, zwischen Irrthum und Wahrheit oft hin und her schwankt, in der Regel jedoch im Fortgange des Lebens immer mehr berichtigt wird, freilich in sehr verschiedenen Graden; so kann die Handlungsweise eines Menschen merklich verändert werden, ohne daß man daraus auf eine Veränderung seines Charakters zu schließen berechtigt wäre. Was der Mensch eigentlich und überhaupt will, die Anstrebung seines Innersten Wesens und das Ziel, dem er ihr gemäß nachgeht, Dies können wir durch äußere Einwirkung auf ihn, durch Belehrung, nimmermehr ändern: sonst könnten wir ihn Umschaffen. Seneka sagt vortrefflich: velle non discitur; wobei er die Wahrheit seinen Stoikern vorzieht, welche lehrten, didaktên einai tên aretên (doceri posse virtutem). Von außen kann auf den Willen allein durch Motive gewirkt werden. Diese können aber nie den Willen selbst ändern: denn sie selbst haben Macht über ihn nur unter der Voraussetzung, daß er gerade ein solcher ist, wie er ist. Alles, was sie können, ist also, daß sie die Richtung seines Strebens ändern, d.h. machen, daß er Das, was er unveränderlich sucht, auf einem andern Wege suche, als bisher. Daher kann Belehrung, verbesserte Erkenntniß, also Einwirkung von außen, zwar ihn lehren, daß er in den Mitteln irrte, und kann demnach machen, daß er das Ziel, dem er, seinem Innern Wesen gemäß, ein Mal nachstrebt, auf einem ganz andern Wege, sogar in einem ganz andern Objekt als vorher verfolge: niemals aber kann sie machen, daß er etwas wirklich Anderes wolle, als er bisher gewollt hat; sondern dies bleibt unveränderlich, denn er ist ja nur dieses Wollen selbst, welches sonst aufgehoben werden müßte. Jenes Erstere inzwischen, die Modifikabilität der Erkenntniß und dadurch des Thuns, geht so weit, daß er seinen stets unveränderlichen Zweck, er sei z.B. Mohammeds Paradies, ein Mal in der wirklichen Welt, ein ander Mal in einer imaginären Welt zu erreichen sucht, die Mittel hienach abmessend und daher das erste Mal Klugheit, Gewalt und Betrug, das andere Mal Enthaltsamkeit, Gerechtigkeit, Almosen, Wallfahrt nach Mekka anwendend. Sein Streben selbst hat sich aber deshalb nicht geändert, noch weniger er selbst. Wenn also auch allerdings sein Handeln sehr verschieden zu verschiedenen Zeiten sich darstellt, so ist sein Wollen doch ganz das selbe geblieben. Velle non discitur.

      Zur Wirksamkeit der Motive ist nicht bloß ihr Vorhandenseyn, sondern auch ihr Erkanntwerden erfordert: denn, nach einem schon ein Mal erwähnten sehr guten Ausdruck der Scholastiker, causa finalis movet non secundum suum esse reale; sed secundum esse cognitum. Damit z.B. das Verhältniß, welches, in einem gegebenen Menschen, Egoismus und Mitleid zu einander haben, hervortrete, ist es nicht hinreichend, daß derselbe etwan Reichthum besitze und fremdes Elend sehe; sondern er muß auch wissen, was sich mit dem Reichthum machen läßt, sowohl für sich, als für Andere; und nicht nur muß fremdes Leiden sich ihm darstellen, sondern er muß auch wissen, was Leiden, aber auch was Genuß sei. Vielleicht wußte er bei einem ersten Anlaß dieses Alles nicht so gut, wie bei einem zweiten; und wenn er nun bei gleichem Anlaß verschieden handelt, so liegt dies nur daran, daß die Umstände eigentlich andere waren, nämlich dem Theil nach, der von seinem Erkennen derselben abhängt, wenn sie gleich die selben zu seyn scheinen. – Wie das Nichtkennen wirklich vorhandener Umstände ihnen die Wirksamkeit nimmt, so können andererseits ganz imaginäre Umstände wie reale wirken, nicht nur bei einer einzelnen Täuschung, sondern auch im Ganzen und auf die Dauer. Wird z.B. ein Mensch fest überredet, daß jede Wohlthat ihm im künftigen Leben hundertfach vergolten wird; so gilt und wirkt eine solche Ueberzeugung ganz und gar wie ein sicherer Wechsel auf sehr lange Sicht, und er kann aus Egoismus geben, wie er, bei anderer Einsicht, aus Egoismus nehmen würde. Geändert hat er sich nicht: velle non discitur. Vermöge dieses großen Einflusses der Erkenntniß auf das Handeln bei unveränderlichem Willen, geschieht es, daß erst allmälig der Charakter sich entwickelt und seine verschiedenen Züge hervortreten. Daher zeigt er sich in jedem Lebensalter verschieden, und auf eine heftige, wilde Jugend kann ein gesetztes, mäßiges, männliches Alter folgen. Besonders wird das Böse des Charakters mit der Zeit immer mächtiger hervortreten; bisweilen aber auch werden Leidenschaften, denen man in der Jugend nachgab, später freiwillig gezügelt, bloß weil die entgegengesetzten Motive erst jetzt in die Erkenntniß getreten sind. Daher auch sind wir Alle Anfangs unschuldig, welches bloß heißt, daß weder wir, noch Andere das Böse unserer eigenen Natur kennen: erst an den Motiven tritt es hervor, und erst mit der Zeit treten die Motive in die Erkenntniß. Zuletzt lernen wir uns selbst kennen, als ganz Andere, als wofür wir uns a priori hielten, und oft erschrecken wir dann über uns selbst.

      Reue entsteht nimmermehr daraus, daß (was unmöglich) der Wille, sondern daraus, daß die Erkenntniß sich geändert hat. Das Wesentliche und Eigentliche von Dem, was ich jemals gewollt, muß ich auch noch wollen: denn ich selbst bin dieser Wille, der außer der Zeit und der Veränderung liegt. Ich kann daher nie bereuen, was ich gewollt, wohl aber was ich gethan habe; weil ich, durch falsche Begriffe geleitet,

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