Gesammelte Werke von Cicero. Марк Туллий Цицерон
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Kap. VII. Nach der einen Ansicht soll das Verlangen nach der Lust und die Beseitigung des Schmerzes der erste Trieb sein; nach einer andern soll es die Schmerzlosigkeit und die Abwendung jedes Schmerzes sein. (§ 18.) Hiervon abweichend gehn Andere von dem aus, was sie das erste Naturgemässe nennen; dazu rechnen sie die Unversehrtheit und Erhaltung aller Theile des Körpers. Die Gesundheit, richtige Sinne, Schmerzlosigkeit, Kraft, Schönheit u.s.w., sollen als erstes Naturgemässe in der Seele sein und gleichsam den Funken und den Samen der Tugenden bilden. Eines von diesen dreien muss das sein, was zuerst die menschliche Natur zum Begehren oder Verabscheuen veranlagst, und da ausser diesen dreien es nichts weiter der Art geben kann, so folgt, dass alle Pflichten sich auf das Fliehen oder Verfolgen von Etwas dieser Art beziehn, und die Klugheit, welche ich die Kunst des Lebens genannt habe, muss eines von diesen dreien zum Gegenstande haben und davon den Anfang des ganzen Verhaltens ableiten. (§ 19.) Aus dem nun, was als dasjenige angenommen wird, was die Natur zuerst erregt, geht die Lehre über das Rechte und Sittliche hervor, welche mit einem von diesen dreien so übereinstimmen muss, dass das Sittliche entweder in einem Handeln der Lust wegen besteht, selbst wenn man sie nicht erlangt, oder der Schmerzlosigkeit wegen, selbst wenn man sie nicht erreichen kann, oder des Naturgemässen wegen, selbst wenn es erfolglos bleibt. Daher kommt es, dass die Verschiedenheit, welche über die natürlichen Grundtriebe besteht, auch in gleichem Maasse sich auf die Ansichten über das höchste Gut und Uebel überträgt. Andere beziehen wieder von diesen Grundtrieben aus alle Pflichten auf die Erreichung der Lust, oder der Schmerzlosigkeit, oder des ersten Naturgemässen. (§ 20.) Nachdem sich somit sechs verschiedene Ansichten über das höchste Gut herausgestellt haben, so sind die vornehmsten Vertheidiger der drei letztern Aristipp in Bezug auf die Lust, Hieronymus in Bezug auf die Schmerzlosigkeit, und in Bezug auf den Genuss dessen, was wir das erste Naturgemässe nennen, war Karneader zwar nicht der Begründer, aber der Vertheidiger, um die Dialektik zu üben. Die erstem drei Ansichten waren von Karneades nur als mögliche aufgestellt worden, und nur eine davon ist wirklich und zwar mit Entschiedenheit vertheidigt worden. Denn Niemand sagt, dass mau Alles um der Lust willen thun müsse, und dass schon diese Absicht, auch wenn die Lust nicht erlangt werde, die an sich richtige, sittliche und das alleinige Gute sei. Ebenso wenig hat Jener die Vermeidung jeden Schmerzes schon an sich zu dem Begehrenswerthen gerechnet, auch wenn der Schinerz nicht umgangen werden kann. Dagegen behaupten die Stoiker, dass das auf das Naturgemässe gerichtete Handeln, selbst wenn es dasselbe auch nicht erlange, das Sittliche, das allein Begehrenswerthe und das alleinige Gut sei.
Kap. VIII. (§ 21.) Sonach giebt es sechs einfache Aussprüche über das höchste Gut und Uebel, von denen zwei keinen Schutzherrn, aber vier ihre Vertheidiger haben. Verbundene oder doppelte Bestimmungen des höchsten Guts giebt es überhaupt drei, und mehr konnte es, wenn man auf die Natur der Sache genau einging, auch nicht geben. Denn man konnte die Lust mit dem Sittlichen verbinden, wie Calliphon und Dinomachus thaten, oder die Schmerzlosigkeit konnte damit verbunden werden, wie von Diodor geschehn, oder das erste Naturgemässe, wie die Alten meinten, die man auch die Akademiker und Peripatetiker nennt. Da sich indess nicht Alles auf einmal sagen lässt, so mag jetzt als ausgemacht gelten, dass wir von der Lust abzusehn haben, wenn wir, wie sich gleich ergeben wird, zu Grösserem geboren sind. Ueber die Schmerzlosigkeit wird meist dasselbe gesagt, wie über die Lust. Da ich nun mit Torquatus über die Lust und mit Cato über das Sittliche, insofern es allein als das höchste Gut gelten soll, schon verhandelt habe, so gilt das früher zunächst über die Lust Gesagte beinah vollständig auch von der Schmerzlosigkeit; (§ 22) und es bedarf dann keiner weiteren Gründe gegen diese Ansicht des Karneades. Denn sowie das höchste Gut so aufgestellt wird, dass das Sittliche darin nicht enthalten ist, so können in einer solchen Lehre weder Pflichten, noch Tugenden, noch die Freundschaft bestehen. Ebenso macht jede Verbindung des Sittlichen mit der Lust oder mit der Schmerzlosigkeit das Sittliche, was man festhalten will, zu einem Schlechten. Denn wenn man seine Handlungen entweder mit auf die Schmerzlosigkeit, als das höchste Gut, oder auf den leichtesten Theil der Natur bezieht, so verdunkelt, um nicht zu sagen beschmutzt man allen Glanz der Sittlichkeit. So bleiben nur die Stoiker übrig, die aber Alles von den Peripatetikern und Akademikern übernommen haben und für dieselben Dinge nur andere Namen aufgestellt haben; es ist deshalb besser, sich gegen die einzelnen Männer dieser Schule zu richten. Dies soll zu einer andern uns passenden Zeit geschehen; jetzt fahre ich in meiner Aufgabe fort. (§ 23.) Die »Sicherheit« des Demokrit, welche er euthymia nannte, also gewissermassen die Ruhe der Seele, habe ich deshalb in unsere Erörterung nicht hineingezogen, weil diese Seelenruhe das glückliche Leben selbst ist und wir nicht ermitteln wollen, welcher Art dasselbe ist, sondern woraus es hervorgeht. Die verrufenen und verworfenen Ansichten des Pyrrho, Aristo und Herillus können nicht mit unter einen der obigen möglichen Fälle gestellt werden und bedürfen deshalb keiner weitern Erwähnung. Denn die ganze Untersuchung über das Endziel und höchste Gut und Uebel hat das von mir als das »der Natur Entsprechende und Gemässe« bezeichnete, was als das Erste seiner selbst wegen begehrt wird, zur Grundlage. Diese Grundlage heben Diejenigen gänzlich auf, die für alle Dinge, mit Ausnahme des Sittlichen und des Schlechten, keinen Grund anerkennen, weshalb das eine dem andern vorzuziehen sei, und bei diesen Dingen überhaupt keinen Unterschied anerkennen. Auch Herillus hat, wenn er kein Gut neben der Erkenntniss anerkennt, damit jede Unterlage für die Fassung der Entschlüsse und für die Feststellung der Pflichten aufgehoben. Somit erhellt, dass die Ansicht der alten Philosophen, nachdem die Ansichten der übrigen beseitigt worden und weitere nicht möglich sind, die allein richtige sein muss. Deshalb beginne ich nach der Weise jener alten Philosophen, die auch die Stoiker befolgen, hiermit.
Kap. IX. (§ 24.) Jedes lebende Wesen liebt sich selbst und sorgt von seiner Geburt ab für seine Erhaltung. Von der Natur hat es als ersten Trieb zum Schutz seines ganzen Lebens den empfangen, dass es sich selbst erhält, und zwar in dem möglichst besten naturgemässen Zustande. Im Beginn ist es so verworren und unsicher eingerichtet, dass es nur so, wie es beschaffen ist, sich schützen mag, ohne zu wissen, was es ist, was es vermag und wie seine eigene Natur beschaffen ist. Ist es jedoch ein wenig vorgeschritten und beginnt es zu bemerken, wie die einzelnen Dinge es betreffen und sich auf es beziehen, so beginnt es allmählich, sich weiter zu entwickeln, sich kennen zu lernen und einzusehen, weshalb es den erwähnten Trieb habe. Dann beginnt es das seiner Natur Gemässe zu begehren und das Gegentheilige zu verabscheuen. Sonach beruht bei jedem Geschöpfe das Begehren nach bestimmten Dingen darauf, dass diese Dinge seiner Natur angemessen sind, und das höchste Gut besteht daher in einem naturgemässen Leben und in einem möglichst besten und der Natur angemessensten Zustande. (§ 25.) Da nun jedes Geschöpf seine eigenthümliche Natur hat, so muss auch für Alle als Ziel gelten, dass dieser Natur Genüge geleistet werde; denn es steht dem nicht entgegen, dass der Mensch mit den Thieren und diese unter einander etwas Gemeinsames haben, weil die Natur überhaupt Allen gemein ist, vielmehr wird jenes Höchste und Letzte, was wir aufsuchen, nach den verschiedenen Gattungen der Geschöpfe verschieden sein und jede Gattung wird etwas Besonderes, ihr Passendes haben, wie es ihre eigene Natur verlangt. (§ 26.) Wenn ich daher sage, dass für alle lebende Wesen das Höchste in einem naturgemässen Leben bestehe, so darf man dies nicht so verstehn, als wenn für Alle ein und dasselbe als Höchstes gelten solle. Denn schon bei den Künsten lässt sich als etwas ihnen allen Gemeinsames angeben, dass es sich bei ihnen um die Erkenntniss überhaupt handelt, während jede einzelne Kunst auch ihre besondere Wissenschaft verlangt; ebenso haben auch die Geschöpfe ein Gemeinsames in ihrem naturgemässen Leben überhaupt; aber dabei sind doch ihre Naturen selbst verschieden. So ist sie bei dem Pferde eine andere, wie bei dem Ochsen und eine andere bei dem Menschen; aber dennoch haben auch Alle in der Hauptsache eine gemeinsame Natur, und dies gilt selbst über die lebenden Wesen hinaus für alle Dinge, welche die Natur ernährt, vermehrt und beschützt. So sieht man schon bei den Pflanzen, welche aus der Erde hervorsprossen, dass viele sich selbst das bereiten, was zu ihrem Bestehen und Wachsen erforderlich ist, damit sie ihr letztes Ziel erreichen, und deshalb kann man Alles dies zusammenfassen und unzweifelhaft behaupten, dass alle Naturen überhaupt sich selbst erhalten und als Ziel und Höchstes erstreben, sich in dem für ihre Gattung bessten Zustande zu erhalten. Somit kann man sagen, dass alle natürlichen Dinge ein ähnliches, wenn auch nicht genau dasselbe Ziel verfolgen. Hieraus ergiebt sich, dass das höchste Gut für den Menschen