Gesammelte Werke von Cicero. Марк Туллий Цицерон

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Gesammelte Werke von Cicero - Марк Туллий Цицерон страница 38

Gesammelte Werke von Cicero - Марк Туллий Цицерон

Скачать книгу

entspricht. (§ 27.) Dies habe ich also weiter zu untersuchen, und wenn es etwas ausführlicher und deutlicher geschieht, so werdet Ihr mich entschuldigen; da ich dabei auf das Alter unseres langen Freundes Rücksicht nehmen muss, der dies vielleicht das erste Mal zu hören bekommt. – Ganz recht so, sagte ich, obgleich das, was Du bisher gesprochen hast, für jedes Alter richtig dargelegt sein dürfte. –

      Kap. X. Nachdem so, fuhr er fort, das zu erstrebende Ziel von mir auseinandergesetzt worden ist, habe ich nun zu zeigen, weshalb die Sache sich so verhält. Ich beginne deshalb wieder mit dem zuerst aufgestellten Satze, der auch sachlich der erste ist, wonach jedes Geschöpf sich selbst liebt. Wenn dieser Satz auch zweifellos ist, da diese Liebe in jeder Natur steckt und Jeder sie mit seinen Sinnen befasst, so dass kein Widerspruch dagegen zugelassen werden kann, so möchte ich doch, um nichts zu übergehen, einige Gründe dafür anführen. (§ 28.) Wie könnte man wohl einsehen oder denken, dass ein Geschöpf sich selbst hasste; widersprechende Dinge träfen dann zusammen. Denn wenn jenes Begehren der Seele etwas ab sichtlich zu erreichen suchte, was ihm schädlich wäre, weil es sein eigener Feind wäre, so müsste es dies doch seinetwegen thun, und so hasste und liebte es sich zu gleicher Zeit, was unmöglich ist. Wollte ein Geschöpf sein eigener Feind sein, so müsste es die Güter für Uebel und umgekehrt die Uebel für Güter halten und das zu Begehrende fliehen und das zu Verabscheuende begehren, was unzweifelhaft eine Zerstörung des Lebens sein würde. Allerdings kommt es vor, dass Einzelne sich einen Strick oder ein anderes Mittel für den Tod suchen, wie Jener bei Terenz, der »meinte, seinem Sohne so lange weniger Unrecht zuzufügen, als er selbst elend sei«, aber deshalb sind doch solche Menschen nicht als ihre eignen Feinde anzusehn. (§ 29.) Vielmehr treibt Manchen der Schmerz oder die Begierde, Viele auch der Zorn; sie stürzen sich selbst ins Unglück und meinen, damit doch am besten für sich zu sorgen. Deshalb sagt man ohne Zaudern:

      »Es ist so einmal meine Gewohnheit; Du handle, wie Du selbst es für nöthig hältst.«

      Wenn solche Menschen sich auch selbst den Krieg angekündigt hätten und sich Tag und Nacht kreuzigten und peinigten, so würden sie doch deshalb sich nicht selbst verklagen und zugestehn, dass sie sich selbst in Nachtheil gebracht. Man hört also solche Klagen nur von Denen, die sich selbst lieben und werth schätzen. Wenn man daher von Jemand sagt, dass er schlecht für sich sorge, dass er sein eigner Feind und Verfolger sei und sein Leben verabscheue, so ist immer eine Ursache vorhanden, welche erklärt, dass er dabei doch sich selbst liebt. (§ 30.) Auch genügt es nicht, anzuerkennen, dass Niemand sich selbst hasse, vielmehr muss man auch einsehn, dass Niemandem es gleichgültig ist, in welchem Zustande er sich befinde. Denn sonst würde damit alles Begehren der Seele aufgehoben sein, und so wie wir bei Dingen, die sich in nichts unterscheiden, zu dem Einen nicht mehr neigen, wie zu dem Andern, so würden wir es auch dann für gleichgültig halten, wie wir selbst uns befänden.

      Kap. XI. Selbst wenn Jemand behaupten wollte, dass diese Liebe zu sich selbst wesentlich einem andern Gegenstande gelte, den man liebe, und nicht sich selbst, so würde dies durchaus verkehrt sein. Wenn man sich auch in Bezug auf die Freundschaft, auf die Pflichten und die Tugenden so ausdrückt, so weiss man doch, wie es auch gemeint sein mag, was dies heissen solle. In Bezug auf uns selbst aber kann man es nicht einmal verstehn, wenn Jemand sagt, dass er sich selbst wegen eines andern Dinges, z.B. wegen der Lust, liebe; da man vielmehr seiner selbst wegen die Lust liebt, aber nicht sich selbst ihrer wegen. (§ 31.) Denn was ist wohl offenbarer, als dass Jeder sich selbst liebt und zwar in hohem Maasse? Giebt es wohl Einen oder unter wie Vielen Einen, dem nicht bei dem Herannahen des Todes

      »die Furcht das Blut aus den Adern treibt

       und ihn vor Angst erblassen macht?«

      Es mag ein Fehler sein, wenn man seine eigne Auflösung so heftig fürchtet, und dasselbe gilt auch für den Schmerz; allein da dieser Abscheu doch bei ziemlich Allen sich findet, so zeigt dies deutlich, wie die Natur vor ihrem eignen Untergange sich scheut, und selbst wenn dies so weit geht, dass es gerechten Tadel verdient, so erhellt doch daraus um so mehr, dass selbst ein solches Uebermaass bei Einzelnen nicht eintreten könnte, wenn nicht ein massiger Abscheu dieser Art der menschlichen Natur überhaupt anhaftete. Ich spreche auch hier nicht blos von der Todesfurcht solcher Personen, welche sich von den Gütern dieses Lebens nicht trennen mögen oder welche mögliche Schrecknisse nach dem Tode fürchten, oder die aus Furcht vor Schmerzen den Tod scheuen; denn selbst Kinder, die an nichts der Art denken, erschrecken, wenn man ihnen scherzweise droht, sie irgendwo herabzustürzen. Ja selbst die wilden Thiere, denen, wie Pacuvius sagt:

      »die kluge Einsicht fehlt, um sich vorzusehn«,

      erschrecken, wenn sie mit dem Tode bedroht werden. (§ 32.) Selbst von dem Weisen, der zu sterben beschlossen hat, muss man annehmen, dass ihn die Trennung von den Seinigen und der Abschied von dem Tageslicht erschüttert. Hauptsächlich erhellt aber die Macht der Natur hier daraus, dass Viele selbst ein Bettlerleben ertragen, nur um zu leben, und dass Menschen, die vom Alter niedergebeugt sind, sich über die Annäherung des Todesängstigen und es so machen wie Philoktet in der Dichtung, der trotz der Schmerzen, von denen er gefoltert wurde, doch sein Leben durch Vogelfang zu fristen suchte und »ein Langsamer die Schnellen und stehend die Fliegenden erlegte«, wie Accius sagt, und »aus dem Gewebe von Federn sich eine Decke für seinen Körper verfertigte«. (§ 33.) Weshalb spreche ich aber hier von den Menschen und überhaupt von lebenden Wesen? Selbst bei den Bäumen und Sträuchern ist die Natur beinah die gleiche. Mag hier, wie weise Männer meinen, eine Höhere und göttlichere Ursache ihnen diese Kraft eingepflanzt haben oder mag es der Zufall so gemacht haben, immer bleibt es offenbar, dass diese Erzeugnisse der Erde sich durch ihre Rinden und Wurzeln ebenso kräftig erhalten, wie es die lebenden Wesen durch die empfangenen Sinne und die Zusammenfügung ihrer Glieder vermögen. Wenn ich auch hier Denen beistimme, welche annehmen, dass die Natur dies Alles leite und dass, wenn die Natur in dieser Sorge nachliesse, dies Alles nicht bestehn könne, so will ich doch Jedem hierbei seine eigene Ansicht lassen. Mögen sie, wenn ich von der menschlichen Natur spreche, immer den Menschen selbst darunter verstehn; denn Beides läuft auf dasselbe hinaus, so möchte wohl eher Jemand sich von sich selbst trennen können, als das Begehren nach dem, was ihm zuträglich ist, verlieren. Mit Recht haben deshalb die grössten Philosophen den Anfang des höchsten Gutes von der Natur selbst entnommen und gemeint, dass das Begehren nach den der Natur entsprechenden Dingen Allen angeboren sei, weil diese Dinge in der Empfehlung der Natur mit enthalten sind, vermöge deren sie sich selbst lieben.

      Kap. XII. (§ 34.) Nachdem so genügend dargelegt worden, dass Jeder von Natur sich liebt, so ist nun die menschliche Natur selbst näher zu untersuchen; denn sie ist das, was wir suchen. Es ist nun klar, dass der Mensch aus Leib und Seele besteht und dass die Bestandtheile der Seele die ersten, die des Körpers die zweiten sind. Auch ist unser Körper so gestaltet, dass er die anderer Geschöpfe übertrifft und dass die Seele theils mit Sinnen ausgerüstet ist, theils mit einem überlegenen Geiste, welchem die ganze Natur des Menschen gehorcht und in welchem eine wunderbare Kraft der Vernunft, des Denkens, der Wissenschaft und aller Tugenden enthalten ist. Die Bestandtheile des Körpers lassen sich in ihrer Bedeutsamkeit mit den Theilen der Seele nicht vergleichen, auch ist ihre Erkenntniss leichter; ich will deshalb mit ihnen beginnen. (§ 35.) Hier erhellt, wie sehr die Theile unseres Körpers, sowie seine ganze Gestalt und Form und Haltung der Natur entspricht, und man erkennt sofort an der Stirn, den Augen und übrigen Theilen, dass sie so nur den Menschen eigenthümlich sind. Aber dabei ist erforderlich, dass sie gesund und kräftig seien und ihre natürlichen Bewegungen und Verrichtungen haben und dass kein Theil an ihnen fehle oder krank oder schwach sei; denn dies verlangt die Natur. Ebenso besitzt der Körper eine Thätigkeit, welche die naturgemässen Stellungen und Bewegungen festhält. Ist hier durch Verrenkung oder Verkümmerung oder durch eine hässliche Bewegung oder Stellung ein Fehler vorhanden, wie wenn Jemand auf den Händen gehn oder nicht vorwärts, sondern rückwärts schreiten wollte, so würde ein solcher Mensch gleichsam sich selbst zu fliehen, die Menschlichkeit abzulegen und die menschliche Natur zu hassen scheinen. Deshalb laufen manche Arten zu sitzen und manche Biegungen und Verdrehungen, wie man sie bei schamlosen oder verweichlichten Menschen findet,

Скачать книгу