Gesammelte Werke von Cicero. Марк Туллий Цицерон

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Gesammelte Werke von Cicero - Марк Туллий Цицерон

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preist nicht die Töchter des Erechtheus? Wem ist nicht der Name des Tubulus verhasst und wer liebt nicht selbst den todten Aristides? Man bedenke, wie sehr man sich gerührt fühlt, wenn man von einer frommen oder von einer für einen Feind verrichteten, oder von einer grossherzigen That hört oder liest! (§ 63.) Ich brauche aber nicht blos von uns zu sprechen, denen das Verlangen nach Lob und Anstand angeboren, überkommen und anerzogen worden ist; man hört ja, wie selbst die Menge und die Ungebildeten im Theater immer Beifall klatschen, so oft sie die Worte vernehmen:

      »Ich bin Orest!«

      und der Andere sagt:

      »Nein, ich vielmehr bin es, der Orest!«

      und wenn endlich Beide nach gegebener Aufklärung dem bestürzten und verwirrten Könige zurufen:

      »Lass uns also Beide tödten, das bitten wir!«

      so werden diese Worte mit der höchsten Bewunderung vernommen. So billigt und lobt Jedermann solche Gemüthsart, die doch noch keinen Nutzen ver langt, sondern die Treue auch da bewahrt, wo ihr not Schaden droht. (§ 64.) Mit solchen Vorgängen sind nicht blos die Dichtungen, sondern auch die Geschichte der Völker, namentlich des unsrigen, erfüllt. Denn wir haben zum Empfang der Idäischen Heiligthümer den besten Mann ausgewählt; wir haben den Königen Vormünder bestellt; unsere Feldherren haben ihr Leben dem Vaterlande zum Opfer gebracht; unsere Consuln haben jenen König, der als unser gefährlichster Feind schon den Stadtmauern sich näherte, vor dem Giftmischer gewarnt; in unserm Freistaate sühnte eine Frau durch freiwilligen Tod ihre gewaltsam erlittene Entehrung und hier tödtete ein Vater seine eigene Tochter, um sie vor der Entehrung zu schützen. Wer erkennt nicht, dass bei diesen und unzähligen anderen Thaten Die, welche sie verrichtet, nur von dem Glänze der sittlichen Würde geleitet worden sind und an ihren Nutzen dabei nicht gedacht haben, und dass, wenn wir sie preisen, wir dies nur aus sittlichem Gefühle thun?

      Kap. XXIII. Aus dieser gedrängten Darstellung, bei welcher ich nicht alles Hierhergehörige angeführt habe, da die Sache unzweifelhaft ist, erhellt fürwahr, dass alle Tugenden und das in ihnen enthaltene und aus ihnen hervorgehende Sittliche um ihrer selbst willen zu erstreben sind. (§ 65.) Innerhalb dieses Sittlichen tritt nichts so leuchtend hervor und erstreckt sich so weit, wie die Verbindungen der Menschen untereinander; jene Gesellschaften derselben, wo sie sich das Nützliche einander mittheilen, und jene Liebe, die in dem menschlichen Geschlechte sich findet. Sie beginnt mit dem ersten Anfang des Lebens, wo schon die Eltern die Neugebornen lieben und das ganze Haus durch die Ehe und Abstammung verbunden wird. Dann schreitet sie allmählich über das Haus hinaus, zunächst zu den Verwandten, dann zu den Verschwägerten, dann zu den Freunden; weiter zu den Nachbarn, zu den Bürgern und den Genossen und Freunden des Staats; endlich zu dem menschlichen Geschlecht im Ganzen. Diese Gesinnung giebt Jedem das Seine, und indem sie diese Verbindungen der Menschen zu Gesellschaften grossartig und gleichmässig beschützt, heisst sie die Gerechtigkeit, zu der dann auch die Frömmigkeit, die Güte, die Freigebigkeit, das Wohlwollen, die Höflichkeit und andere ähnliche Tugenden gehören; sie sind der Gerechtigkeit ebenso einwohnend, wie auch den andern Tugenden gemeinsam. (§ 66.) Denn die menschliche Natur ist so beschaffen, dass ihr die bürgerliche und staatliche Gesinnung, welche die Griechen politikon nennen, gleichsam angeboren ist, und deshalb wird jede tugendhafte Handlung dieser Gemeinsamkeit, Liebe und menschlichen Gesellschaft, wie ich sie dargelegt habe, nicht entgegentreten, und so wie die Gerechtigkeit selbst durch Hebung sich in die übrigen Tugenden verbreitet, so wird sie auch wiederum diese in sich aufnehmen. Nur ein muthiger und weiser Mann kann die Gerechtigkeit bewahren. In dieser Verbindung und Uebereinstimmung aller Tugenden besteht die Sittlichkeit; das Sittliche ist die Tugend selbst oder das tugendhafte Handeln. Wenn das Leben eines Menschen damit stimmt und den Tugenden entspricht, so kann es als das rechte und sittliche und feste, mit der Natur übereinstimmende angesehen werden. (§ 67.) Indess halten die Philosophen bei dieser Verbindung und Verschmelzung der Tugenden doch auch gewisse Unterschiede derselben fest. Alle Tugenden sind zwar so miteinander verbunden und verknüpft, dass jede einzelne an allen anderen Theil hat und keine von den andern getrennt werden kann; trotzdem hat jede Tugend ihre eigene Verrichtung. So zeigt sich die Tapferkeit in den mühevollen Unternehmungen und Gefahren; die Mässigkeit in dem Vorbeigehen an der Lust; die Klugheit in der Auswahl unter den Gütern und Uebeln und die Gerechtigkeit dadurch, dass sie Jedem das Seine gewährt. Indem so in jeder Tugend eine über das Haus hinausgehende Rücksicht enthalten ist, welche nach Andern verlangt und sie befasst, kommt es, dass die Freunde, die Brüder, die Verwandten, die Verschwägerten, die Bürger und alle Menschen überhaupt, weil man will, dass alle Menschen nur eine Gemeinschaft bilden, zu dem an sich selbst Begehrenswerthen gehören. Aber in diesen Dingen ist doch nichts enthalten, was zu dem Endziele und höchsten Gute gerechnet werden kann. (§ 68.) So giebt es daher zwei Arten von Dingen, die um ihrer selbst willen begehrenswerth sind. Die eine Art befasst Alles, woraus jenes höchste Gut besteht, und betrifft sowohl die Zustände der Seele wie des Körpers; die andere Art befasst das Aeussere, was weder zur Seele noch zu dem Körper gehört, wie die Freunde, die Eltern, die Kinder, die Verwandten, das Vaterland; Alles dies ist um sein selbst willen uns theuer, aber es gehört nicht zu jener ersten Art; denn wenn alles dieses Aeussere, weil es begehrenswerth ist, zu dem höchsten Gute gehörte, so würde dasselbe Niemand jemals erreichen können.

      Kap. XXIV. (§ 69.) Du wirst daher fragen, wie in Wahrheit Alles auf das höchste Gut bezogen werden könne, wenn die Freunde, die Verwandten und alles andere Aeusserliche nicht zu dem höchsten Gute gehöre? Indess geschieht dies dadurch, dass dieses Aeusserliche durch jene Pflichten beschützt wird, welche aus den einzelnen ihnen entsprechenden Tugenden hervorgehen. Denn die Pflege der Freunde und der Eltern ist Dem, der seine Pflicht erfüllt, eben dadurch nützlich, weil solche Pflichterfüllung zu den rechten Handlungen gehört, welche aus den Tugenden hervorgehen. Diese Tugenden üben die Weisen und benutzen die Natur dabei als Führerin; die weniger vollkommnen, aber mit hervorragendem Geiste versehenen Menschen lassen sich dagegen oft von der Ehre bestimmen, welche die äussere Gestalt der Sittlichkeit hat und ihr ähnelt. Könnten sie aber die durchaus vollkommene und abgeschlossene Sittlichkeit, welche allein das Erhabenste und Lobenswertheste ist, ganz durchschauen, so würden sie von der höchsten Freude sich erfüllt fühlen, da sie schon an deren so verdunkelter Vorstellung sich ergötzen. (§ 70.) Kann wohl ein Mensch, der den Lüsten ergeben ist und entflammt von der Hitze der Begierde auch das, was er am heftigsten verlangt, erreicht hat, so durchaus glücklich erachtet werden, wie es der ältere Scipio sein musste, als er den Hannibal besiegt hatte; oder der jüngere Scipio, als er Karthago zerstört hatte? Wen hat wohl die jährliche Festfahrt die Tiber hinab so mit Freude erfüllt, wie sie L. Paullus bei der Einfahrt in diesen Strom empfand, als er den König Perseus gefangen mit sich führte? (§ 71.) Deshalb, mein Lucius, pflege in Deinem Geiste die Erhabenheit und Vortrefflichkeit der Tugenden und Du wirst nicht mehr zweifeln, dass Menschen, welche die Tugenden besitzen, in ihrem grossen und festen Geiste immer glücklich sind, und dass alle Schwankungen des Glücks und aller Wechsel der Dinge und Zeiten von ihnen für gering und schwach erachtet werden, wenn diese der Tugend sich entgegenstellen. Die von mir aufgezählten Güter des Lebens vollenden zwar das glückliche Leben, aber nur so, dass das glückliche Leben auch ohne sie bestehen kann. Jene Zuthaten von Gütern sind so gering und klein, dass sie gleich den Sternen beim Sonnenschein im Glänze der Tugend nicht sichtbar bleiben. (§ 72.) Aber so wie es richtig ist, dass diese körperlichen Vortheile nur von geringer Bedeutung für das glückliche Leben sind, so wäre es doch eine Gewaltsamkeit, wenn man ihnen alle Bedeutung dafür absprechen wollte. Wer dies behauptet, scheint mir die natürlichen Grundlagen, von denen er ausgegangen ist, selbst zu vergessen. Man muss ihnen daher allerdings eine Bedeutung zugestehen, nur muss man wissen, von welcher Grösse. Es ziemt also einem Philosophen, welcher nicht sowohl das Blendende, als vielmehr das Wahre sucht, das nicht für Nichts zu achten, was jene berühmten Männer selbst als naturgemäss anerkennen. Nur hat der Philosoph die Kraft der Tugend und so zu sagen das Ansehen der Sittlichkeit so hoch zu stellen, dass alles Uebrige zwar nicht für Nichts, aber doch nur für so gering zu achten ist, dass es beinahe für Nichts gelten kann. Dies ist die Sprache Dessen, der zwar nicht alles Andere neben der

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