Gesammelte Werke (Über 800 Titel in einem Band). Joachim Ringelnatz

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Gesammelte Werke (Über 800 Titel in einem Band) - Joachim  Ringelnatz

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sehr rege Treiben auf dem Platz, als mich plötzlich mein Nebenmann anstieß und mit dem Finger auf den Strand wies. Dort stiegen soeben Kapitän Pommer, Jahn und August abermals aus dem Boot. Hatten sie mich vorher erkannt und kamen nun mich holen?

      Im ersten Schreck kroch ich unter den Kran, und darauf legte ich mich wieder auf die Plattform und vergrub das Gesicht in meinen Kleidersack. Der Strohhut verdeckte meinen Kopf, und so lag ich da und hielt den Atem an; denn die beiden deutschen Matrosen hatten sich neben mich auf den Kran gesetzt, so dicht, daß ich sie hätte mit der Hand fassen können. Ich hörte sie von einem kranken Steuermann sprechen; aber da sie sehr undeutlich sprachen, oder vielleicht auch aus Aufregung, verstand ich nichts Näheres.

      Gerade als ich die Stimme des mexikanischen Kommandanten von weitem hörte und mit Schrecken daran dachte, daß ich jetzt aufstehen müßte und mich die Deutschen dann entdecken würden, entfernten sich diese.

      Mir fiel ein großer Stein vom Herzen.

      Der Kommandant erschien mit dem Zimmermann und war sehr aufgebracht darüber, daß sein Boot noch nicht da war. Er wandte sich nun an ein in der Nähe liegendes Leichterboot wegen der Überfahrt. Die Kerle schienen aber zu hoch zu fordern, denn die Verhandlung dauerte ziemlich lange und wurde sehr lebhaft. Zu dieser Stunde ging es überhaupt sehr laut in dem Hafen zu. Eine Menge Menschen war um uns herum beschäftigt, Schwarze, Gelbe, Weiße – fluchend, schreiend, schwatzend –, ein buntes Bild.

      Endlich war der Kommandant mit den Kreolen einig und rief uns zu, einzusteigen. Er selbst und der Zimmermann stiegen zuerst in den Leichter, dann folgte der schöne Mexikaner, und eben wollte ich auch hinüberklettern und hatte bereits einen Fuß auf den Rand des Bootes gesetzt, als mich jemand auf die Schulter klopfte und mit durchdringender Stimme fragte: »What ship you belong to?«

      Ein englischer Geheimpolizist – ich kannte sie – stand hinter mir. »I belong to the Mexican ship!« entgegnete ich.

      »Gut, komm mit, der Mexikaner ist dort!« meinte der andere und deutete nach der Polizeistation.

      Ich stellte mich, als ob ich nicht verstände, aber es half nichts. Ich mußte ihm folgen. Ich war ganz verzweifelt. Nun war alles aus. Das wußte ich. Nachdem ich jeder Entdeckung bisher entgangen, sollte ich jetzt im letzten Moment alles verlieren, was mir das Glück geboten hatte.

      Eine steinerne Treppe führte zu einer offenen Vorhalle der Wache. An den Seitenwänden dieses Raumes standen Bänke, auf denen schwarze und weiße Polizisten herumfaulenzten. Hierhin mußte ich dem Detektiv folgen.

      Man fragte mich nochmals, zu welchem Schiff ich gehöre. Ich blieb dabei: zum Mexikaner. Ob ich das beschwören könne. Ich hob die Hand in die Höhe. Darauf mußte ich mich auf die Bank zwischen zwei Polizisten setzen, von denen der eine, ein langer Kerl mit einem niederträchtig heimtückischen Gesicht, sich in ein Gespräch mit mir einließ. Er fragte, ob ich Französisch spreche, zeigte mir ein Bilderbuch und war überhaupt scheinheilig freundlich um mich bemüht.

      Unterdessen hatte man den Zimmermann auf die Wache geholt. Ich bemerkte, als er vorüberging, daß er die vier von mir unterschriebenen Kontrakte in der Hand trug.

      Während ich nun mit gekünstelter Gleichgültigkeit auf die Straße sah und mit den Beinen baumelte, wartete ich mit innerem Fieber der Dinge, die da kommen sollten.

      Nach kurzer Zeit trat der Zimmermann wieder aus der Polizeistube. Die Kontrakte hatte er nicht mehr in der Hand, und er warf mir im Weggehen einen mitleidigen Blick zu. Vielleicht dachte er, ich hätte ein schlimmes Verbrechen begangen.

      Aber immer noch hatte ich einen Schimmer Hoffnung.

      Plötzlich sah ich Jahn und August auf der Straße vorübergehen. Mich erkennend, blieben beide stehen, und Jahn rief mir lachend zu: »Na, hast du dich wirklich kitschen lassen?«

      Ich winkte ihnen bittend zu, weiterzugehen, aber August wandte sich nun mit wichtigem Ton direkt an die Polizisten und erklärte ihnen, daß ich ein entlaufener Schiffsjunge und von der deutschen Bark »Elli« sei.

      Da erschien Kapitän Pommer auf der Bildfläche. Er trat auf mich zu, ohne eine Miene zu verziehen, und fragte, wo ich meine Sachen hätte. Ich zeigte auf den Bananensack. Ob das alles wäre? »Ja, das andere habe ich an Bord zurückgelassen.«

      »Was willst du nun tun? Willst du solange in die Tretmühle hier, bis das Schiff abfährt, oder willst du mit an Bord fahren? Fort kommst du nicht.«

      Ich schwieg. Der Alte wiederholte seine Frage.

      Ich bat ihn, mich doch freizulassen. Ich könne es auf der »Elli« nicht aushalten. Aber der hartköpfige Ostfriese blieb unerbittlich. Er erklärte, ich käme auf jeden Fall an Bord. Seinetwegen könne ich mich ja dann ersaufen. Nach diesen Worten befahl er Jahn und August, mich an Bord zu rudern.

      Die Polizisten begleiteten mich bis ans Boot. »O, you are a bad boy!« sagte der mit dem heimtückischen Gesicht, worauf ich ihm ein Leckmich zurief. Im Boot mußte ich mich dann zwischen Jahn und August setzen. Der Alte blieb an Land. Sämtliche Polizisten standen am Ufer, als wir abstießen. Ebenso eine neugierige Menschenmenge, und alle schwenkten die Hüte. Die Policemen riefen mir: »Good bye, young mexican«, »Auf Wiedersehen!« und ähnliche ironische Bemerkungen nach. Ich schwieg verbittert.

      9. Kapitel: Schwere Tage

       Inhaltsverzeichnis

      Es war eine lange Fahrt bis zur »Elli«. Die See ging hoch. Die Strömung war gegen uns, und da ich seit morgens noch gar nichts gegessen hatte, kam mir das Pullen mit dem schweren Riemen recht sauer an. Die erste Frage meiner Begleiter betraf meine Uhr. Sie wunderten sich sehr, daß ich sie noch besaß. Wenn mich der Steuermann schlüge, solle ich ihn beim Konsul anzeigen.

      Inzwischen waren wir der »Elli« so nahe gekommen, daß ich Personen unterscheiden konnte. Man mußte auch mich bemerkt haben, denn ich sah, wie die Matrosen neugierig aus dem Logis kamen und in die Wanten kletterten. Der Koch war aus seiner Kombüse herausgetreten, und der Steuermann saß mit dem Fernglas auf der Reling.

      Dort gab's gewiß noch manchen Sturm für mich, aber nun mochte kommen, was wollte. Ich war zum Äußersten entschlossen. Das Boot legte an. Ich hatte meinen Strohhut trotzig über die Stirn gezogen, und so stieg ich festen Schrittes über das Fallreep an Deck und begab mich ins Logis. Es war gerade Kaffeezeit. Die ganze Mannschaft bestürmte mich nun mit Fragen. Wo ich gesteckt, wovon ich gelebt hätte, wie ich erwischt wäre. Ich hätte gewiß nichts zu fressen gehabt und so weiter. Ich antwortete bunt durcheinander und fühlte mich sehr abgespannt. Am liebsten hätte ich erst ein paar Brote verschlungen, aber ich schämte mich, den Eindruck zu erwecken, als ob ich an Land hätte hungern müssen. So aß ich gar nichts, sondern ging mit Hermann an die Arbeit. Die Erzählung meiner Erlebnisse in Belize fand nur wenig Glauben. August meinte, ich solle ihm doch nicht so einen dummen Bären aufbinden.

      Steuermann war zunächst zu meiner Verwunderung ziemlich ruhig. Wahrscheinlich fühlte er, daß ich mich nicht mehr vor ihm fürchtete.

      »Wie konntest du nur so etwas machen? Weißt du auch, daß dich das die ganze Heuer kostet?« sagte er. »Vielleicht muß sogar dein Vater noch etwas dazubezahlen.«

      »Nun, dann fahre ich lieber so lange, bis ich soviel verdient habe.«

      »Ja, wenn der Alte dich behält!« Ich mußte lachen. Als ob mir daran etwas gelegen wäre!

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