Ida Pfeiffer: Ausgewählte Werke. Ida Pfeiffer
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Ida Pfeiffer: Ausgewählte Werke - Ida Pfeiffer страница 26
Die Stadt St. Jean d'Acre und ihre Festungswerke sind seit dem letzten Kriege vom Jahre 1840 noch ganz zerstört und seufzen vergebens nach einer Wiederherstellung. Häuser und Moscheen sind voll Kugeln und Löcher. — Alles liegt und steht noch, als wäre der Feind erst gestern abgezogen. Sechs Kanonenschlünde sind drohend auf dem Walle aufgepflanzt. — Stadt und Festung liegen meerumgürtet auf einer Erdzunge.
27. Mai 1842.
In der Nacht kamen wir nach Cäsarea. — Mit wahrer Demosthenischer Beredsamkeit suchte uns der Schiffspatron von dem Vorsatze, hier zu landen abzubringen; er stellte uns die Gefahren vor, denen wir ausgesetzt wären, und was wir Alles von den Beduinen und den Schlangen zu befürchten hätten; erstere pflegen hordenweise sich in den Ruinen aufzuhalten, um die Reisenden von ihren Effekten und ihrer Barschaft zu befreien, sie wissen aus Erfahrung, daß solche Orte nur von neugierigen, wohlhabenden Franken besucht werden, darum sind sie hier beständig auf der Lauer, gleich den einstmaligen gemächlichen Raubrittern des guten alten deutschen Reiches. Ein eben so gefährlicher Feind sind die vielen Schlangen, die in dem alten Gemäuer und auf dem wild bewachsenen Boden den darüber Schreitenden bei jedem Tritte lendensgefährlich werden können. Wir wußten dieß alles sehr genau, theils aus Reisebeschreibungen, theils aus mündlichen Überlieferungen, allein es that unserer Neugierde keinen Einhalt. —
Dem Kapitän selbst war es weniger der Gefahr wegen, als um den Zeitverlust zu thun, darum suchte er uns von dieser Exkursion abzuhalten; doch es half ihm alles nichts, — er mußte Anker werfen, den Tag erwarten, und uns dann auf dem Boote an's Land setzen.
Unsere Waffen bestanden aus Sonnenschirmen und Stöcken (letztere trugen wir, um das Gesträuch zu sondiren); unsere Begleitung aus dem Kapitän, dem Diener und zwei Matrosen.
Wir trafen richtig zwischen den Ruinen einige verdächtige Gestalten, herumstreifende Beduinen. Zum fliehen war es zu spät; wir gingen ihnen daher herzhaft entgegen, sehen sie furchtlos und freundlich an, sie uns desgleichen, und damit war alles abgethan. Wir stiegen von einer Ruine zur andern, und hielten uns gewiß über zwei Stunden auf, ohne von diesen Leuten und noch weniger von Schlangen beunruhigt zu werden. Von den letzeren sahen wir nicht einmal eine einzige.
Ruinen sind da im Ueberflusse vorhanden. Ganze Seitenwände und Mauern, die wohl Privathäusern, aber keinen Tempeln oder Prachtgebäuden angehört haben mögen, stehen noch beinahe unversehrt da. Stücke von Säulen liegen in Menge zerstreut herum, aber ohne Fries, Kapitäler und Fußgestelle.
Ein ganz eigenes nie gekanntes Gefühl erweckte es in mir, auch da zu gehen, wo Christus ging. Jeden Fleck, jedes Gebäude betrachtete ich mit doppeltem Interesse. Vielleicht, dachte ich, betrete ich diese Stelle, dasselbe Haus, das einst von Jesus besucht wurde. Glücklich und selig kehrte ich auf unsere Barke zurück.
Um 3 Uhr Nachmittag befanden wir uns hart unter Jaffa's Mauern. Das Einlaufen in den Hafen, der sehr versandet ist, wird als gefährlich geschildert. Man sagte uns, wir würden manche Trümmer gestrandter Schiffe und Barken sehen; doch so sehr ich meine Augen anstrengte, — ich gewahrte nicht das Geringste. Wir liefen glücklich ein, und so mit war diese kleine Reise beendet, auf der ich viel Interressantes und Neues an Gegenständen gesehen, und auch das Leben der Matrosen kennen gelernt hatte. Oft, wenn Windesstille eintrat, lagerten sich unsere Araber auf den Boden, bildeten einen Kreis, sangen Lieder, die aber so eintönig und harmonielos klangen, als man es sich nur denken kann; dazu klatschten sie in die Hände und erhoben zeitweise ein hölzernes Gelächter dazu. Ich fand nicht nur nichts Anziehendes an dieser Unterhaltung — im Gegentheil, es machte auf mich einen melancholischen Eindruck, wenn man sieht, wie weit diese guten Menschen noch in Allem zurück sind.
Die Tracht dieser Leute war höchst einfach: ein Hemd deckte nothdürftig ihre Blöße, und ein Tuch um den Kopf geschlagen, schützte sie vor dem Sonnenstiche. Der Kapitän zeichnete sich nur durch den Turban aus, der gar komisch zur übrigen halb nackten Gestalt paßte. Ihre Kost bestand aus einem einzigen warmen Gerichte, das sie Abends aßen, entweder Pilav oder Hülsenfrüchte. Während des Tages begnügten sie sich mit Brot, und manchmal einer Gurke dazu. Ihr Getränk war Wasser.
Die Stadt Jaffa hat ein ganz eigenthümliches Aussehen. Sie erstreckt sich vom Strande des Meeres bis an die Spitze eines ziemlich bedeutenden, ganz einzeln stehenden Hügels. Die untere Straße, von einer Mauer umgeben, scheint breit zu sein, die übrigen laufen auf den Höhen und scheinen auf den unter ihnen liegenden Häusern zu ruhen. Von der Barke aus gesehen, hätte man behaupten mögen, daß die Menschen auf den platten Dächern herum wandelten.
Da in Jaffa weder ein Gasthof, noch ein Kloster, das Reisende beherbergt, ist, so ging ich zum k. k. österreichischen Konsul, Herrn Da..., der mich recht herzlich aufnahm und bei seiner Familie einführte, die nebst der Frau aus drei Töchtern und eben so vielen Söhnen besteht. Ihre Tracht war türkisch. Die Töchter, worunter zwei ausgezeichnet schön waren, trugen weite Beinkleider, eine Binde um die Mitte und einen Kaftan darüber. Auf dem Kopfe hatten sie einen kleinen Feß, die Haare waren in fünfzehn bis zwanzig kleine Flechten getheilt, und mit kleinen Goldmünzen durchzogen. Am Ende jedes Zöpfchens war eine etwas größere befestigt. Den Hals schmückte ein Collier von Goldmünzen. Eben so war auch der Anzug der Mutter. Wenn ältere Frauen wenig oder keine Haare haben, so ersetzen sie durch künstliche Seidenzöpfchen, was die Natur nicht mehr gewährt.
Das Anheften der Münzen ist in Syrien so gebräuchlich, das daß ärmste Weib, Mädchen oder Kind, so viel als möglich davon an sich trägt. Wenn es keine Goldmünzen sind, so begnügen sie sich mit Silbergelde, und wenn sogar dieses mangelt, mit Kupfer- oder sonstiger kleinen Scheidemünze.
Der Konsul und seine Söhne waren ebenfalls türkisch gekleidet, nur hatte der Vater statt des Turbans einen alten dreieckigen Hut auf dem Kopf, was über alle Beschreibung lächerlich aussah. Eine Tochter und ein Sohn dieses guten, halb türkisch und halb europäisch gekleideten Mannes waren einäugig, ein Gebrechen, welches in Syrien ziemlich häufig vorkommt. Man schreibt es der trockenen Hitze, dem feinen Sandstaube und dem grellen Lichte der Kalkgebirge zu.
Da ich in Jaffa zeitlich ankam, so ging ich in Begleitung eines Sohnes des Herrn Konsuls in der Stadt und deren Umgebung umher. Die Stadt gleicht an Schmutz, Unebenheiten u. dgl. allen bisher gesehenen. Nur die untere Straße am Meere ist breit und belebt, und wird immer von vielen beladenen und unbeladenen Kameelen durchzogen. Der Bazar besteht aus jämmerlich hölzernen Buden, deren Inhalt gemeine Lebensmittel und ganz gewöhnliche Waaren sind.
Die Umgebung ist schön und äußerst fruchtbar. Große und viele Gärten mit Obstbäumen von allen Gattungen südlicher Früchte und mit der undurchdringlichen Hecke des indianischen Feigenbaumes umpflanzt, bilden einen Halbkreis um den untern Theil der Stadt.
Der indianische Feigenbaum, den ich hier zum erstenmale erblickte, sieht sonderbar aus. An dem Stamme, welcher sehr niedrig ist, sprossen 1 Schuh lange, ½½ Zoll dicke Blätter hervor. Selten bildet der Baum Äste, sondern ein Blatt entsproßt dem andern, und auf dem äußeren Blättern setzt sich die Frucht an, die 2 bis 3 Zoll lang seyn mag. Oft setzen sich 10 bis 20 solcher Feigen an ein Blatt an.
Ich konnte nicht begreifen, wie alle Bäume in diesen heißen Ländern, ohne erquickenden Regen, so frisch und schön aussehen können. Hier fand ich die Erklärung in den vielen Kanälen, welche die Gärten durchschneiden und künstlich bewässern. Auch der starke Thau und die kühlen Nächte erfrischen die bei Tag hinwelkende Natur. Aber eine Hauptzierde unserer Gärten fehlt jenen ganz, nämlich ein schöner Wasen mit Feldblumen.