Ida Pfeiffer: Ausgewählte Werke. Ida Pfeiffer
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In Ramla hielten wir nicht an. Das Kloster steht auf demselben Platze, wo einst das Haus Josef's von Arimathäa stand.
Die Klöster gleichen in Syrien mehr Festungen, als friedlichen Wohnungen. Sie sind gewöhnlich mit hohen, festen Mauern umzogen, und mit Schießscharten versehen. Die große Pforte ist immer fest verschlossen, oft von innen noch überdieß verrammelt und befestigt; nur ein ganz kleines Pförtchen wird dem Ankömmlinge geöffnet, und dieß nur, wenn Frieden und keine Pest im Lande herrscht.
Endlich um Mittag kamen wir an das judäische Gebirge. Hier muß man Abschied nehmen von dem schönen fruchtbaren Thale und von dem herrlichen Wege. Es beginnt die steinige Region, aus der man sich nicht leicht wieder herausarbeitet.
Gleich am Eingange des Gebirges liegt links ein höchst ärmliches Dörfchen, und in dessen Nähe eine Cisterne, an welcher wir Rast machten, um uns und unsere armen Thiere zu tränken. Nur mit vieler Mühe und etwas Geld gelang es uns, ein Bischen Wasser zu erhalten, denn alle Kameele, Esel, Pferde, Ziegen und Schafe von nah und fern waren hier versammelt, und leckten begierig jeden Tropfen dieses Elementes auf. Ich trank hier ein Wasser, so schmutzig, trüb und lau, daß ich wohl nie gedacht hätte, noch froh seyn zu müssen, mit so eklichem Getränke meinen Durst zu stillen. Wir füllten neuerdings unsere ledernen Flaschen, und zogen wohlgemuth den steinigen Pfad entlang, der oft so schmal wurde, daß wir nur mit großer Mühe und vieler Gefahr den uns entgegenkommenden Kameelen ausweichen konnten. Ein Glück, daß meistens einige dieser Thiere Glöckchen an dem Halse tragen, und man beizeiten durch den Schall aufmerksam gemacht, Vorkehrungen treffen kann.
Die Beduinen und Araber haben gewöhnlich nichts als ein Hemd an, das ihnen oft kaum bis an's Knie reicht. Der Kopf ist mit einem Leinwandtuch bedeckt, um welches ein dicker Strick zweimal gewunden ist, was sich sehr gut ausnimmt. Manche haben noch über ihr Hemd einen gestreiften Kotzen. Die Füße sind nackt. Die Reichern unter ihnen, oder ihre Häuptlinge, tragen mitunter Turbane.
Nun geht es immer aufwärts, in Schluchten zwischen Felsen und Gebirgen, über Steingerölle fort. Hin und wieder sieht man einige Ölbäume aus den Felsenrißen hervorsproßen. So häßlich dieser Baum auch ist, in diesen öden Gegenden gewährt er doch dem Auge einen freundlichen Anblick. Manchmal erklimmt man Höhen, von welchen man weit über die Ebene, bis hin an das Meer sieht. Solche Ansichten begeistern noch mehr das Gefühl, das gewiß jeden Reisenden erfaßt, wenn er denkt, wo er wandelt und wohin sein Ziel gerichtet ist. Jeder Schritt, der weiter führt, leitet an religiös merkwürdigen Stellen vorüber, — jede Ruine, jedes Bruchstück eines Thurmes oder einer Burg, über die sich terassenförmig die schroffen Felsenwände erheben, spricht von längst vergangener Zeit.
Nach einem fünfstündigen unausgesetzten Ritte vom Eingange des Gebirges auf diesem schlechten Wege, ward mir durch die ungewohnte Hitze, und durch den gänzlichen Mangel an Labung und Erholung, plötzlich so übel und schwindlich, daß ich mich auf dem Pferde kaum mehr zu erhalten vermochte. Obwohl wir schon im Ganzen, nämlich von Jaffa bis hieher, eilf Stunden geritten waren, wollte ich aus Angst, daß Mr. B. mich nicht für schwach und kränklich hielte, und mich am Ende von Jerusalem nicht mehr zurück nach Jaffa nähme, ihm meine Ermüdung und mein Unwohl nicht gestehen. Ich stieg also vom Pferde ehe ich herabfiel, und ging zitternd und schwankend neben her, bis ich mich wieder so viel erholt hatte, um aufsitzen zu können. Mr. B. hatte sich vorgenommen, den Ritt von Jaffa bis Jerusalem, eine Tour von sechszehn Stunden, in einem Zuge zu machen. Er fragte mich zwar, ob ich mich stark genug fühle, dieß auszuhalten; ich wollte aber seine Güte nicht mißbrauchen und versicherte ihn, daß ich schon noch fünf bis sechs Stunden reiten könne. Glücklicherweise befielen ihn kurze Zeit nach diesem Vorschlage dieselben Zustände, die früher mir zu Theil geworden, und nun meinte er, es wäre doch besser, im nächsten Dorfe einige Stunden auszuruhen, da wir ohnehin die Thore von Jerusalem vor Sonnenuntergang nicht mehr erreichen konnten. Ich pries Gott im Stillen für diesen glücklichen Zufall, und stellte das Ruhen oder Gehen ganz seinem Willen anheim, weil ich schon sah, daß er das erstere im Sinne hatte, und so erreichte ich meinen Zweck, ohne meine Schwäche gestehen zu müssen. Wir blieben also im nächsten Dorfe Kariet el Aneb, dem einstmaligen Emmaus, wo Jesus den Jüngern begegnete, und wo man noch ziemlich gut erhaltene Ruinen einer christlichen Kirche sieht, die jetzt in einen Stall verwandelt ist. Hier herrschte vor mehreren Jahren ein berüchtigter Räuber und zugleich Scheikh des Ortes, der keinen Franken durchließ, ohne nach Willkühr Tribut von ihm erpreßt zu haben. Seit der Regierung Mehemed Ali's hörte dieß auf, so wie auch in Jerusalem, wo man ebenfalls früher den Eintritt in die Grabeskirche und in andere heilige Orte bezahlen mußte. Selbst von Räubereien, die sonst in diesen Gebirgen an der Tagesordnung waren, hört man jetzt äußerst selten etwas.
Wir nahmen Besitz von der Vorhalle einer Moschee, in deren Nähe die herrlichste Quelle aus einer Grotte hervorsprudelte. Nicht bald erquickte und stärkte mich etwas so, wie diese Quelle. Ich erholte mich in Kurzem und genoß noch einen recht freundlichen und herrlichen Abend.
Kaum erfuhr der Scheikh des Dorfes, daß Franken da seien, als er uns vier oder fünf Gerichte sandte, wovon aber für unsern Gaumen nur die saure Milch genießbar war. Die übrigen Gerichte, ein Gemisch von Honig, Gurken, hart gesottenen Eiern, Zwiebel, Oel, Oliven u.s.w., überließen wir großmüthig dem Dragoman und dem Muker, die bald damit fertig wurden. Eine Stunde später kam der Scheikh selbst, uns seine Aufwartung zu machen. Wir lagerten uns auf die Terrassen der Vorhalle, die Männer rauchten und tranken Kaffee. Dabei wurde ein Gespräch geführt, das der Dragoman übersetzte, und das sehr langweilig war. Endlich fiel es dem Scheikh doch ein, daß wir von der Reise ermüdet seien. Er nahm Abschied und versprach uns unaufgefordert, zwei Mann Wache zu senden, was er auch that. Wir konnten also mit größter Sicherheit unter freiem Himmel mitten in einem türkischen Dorfe, zur Ruhe gehen.
Noch ehe wir uns der Ruhe überließen, bekam mein Reisegefährte den höchst originellen Einfall, um Mitternacht aufzubrechen. Er fragte mich zwar, ob ich Angst hätte, meinte aber, daß man um diese Zeit sicherer wäre, wie gegen Morgen; um Mitternacht würde man gewiß Niemanden auf einem so gefährlichen Wege vermuthen. Ich hatte wohl ein Bischen Furcht, allein mein Ehrgeiz erlaubte mir nicht, die Wahrheit zu gestehen, und somit erhielten unsere Leute den Befehl, um zwölf Uhr zur Weiterreise bereit zu seyn.
So zogen wir vier Personen um Mitternacht, ohne alle Waffen durch die ödesten und schrecklichsten Gegenden. Zum Glück sah der Mond so freundlich lächelnd auf uns herab und beleuchtete die Pfade, daß die Pferde mit festem Tritt über Stock und Stein dahin schreiten konnten. Wie so manches Schattenbild schreckte mich nicht! Ich sah Leben und Bewegung, Gestalten von Riesen und Zwergen, bald auf uns zueilend, bald sich hinter Felsenmassen verbergend, oder in ihr Nichts zusammensinkend. Licht und Schatten, Angst und Furcht trieben so ihr Spiel mit meiner Einbildungskraft.
Einige Stunden von unserm Nachtlager entfernt, kamen wir an ein Flußbett, über welches eine steinerne Brücke führt. Merkwürdig ist dieses Flußbett nur darum, weil David die fünf Kieselsteine, mit denen er den Riesen Goliath bekämpfte, daraus geholt hat. — In dieser Jahreszeit fanden wir kein Wasser, das Bett war ganz ausgetrocknet.
Ungefähr eine Stunde, ehe man Jerusalem erreicht, öffnet sich das Thal, und kleine Fruchtfelder deuten auf eine etwas belebtere Gegend, und auf die Nähe der geheiligten Stadt; still und gedankenvoll ritten wir unserem Ziele zu, und strengten mit doppelter Kraft unsere Augen an, um durch das Halbdunkel, das uns die Fernsicht so neidisch beschränkte, durchzudringen. Schon glaubten wir von der nächsten Höhe die heilige Stadt zu