Ida Pfeiffer: Ausgewählte Werke. Ida Pfeiffer
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Die armen Pferde litten auf diesem Wege schrecklich, entweder hatten sie Felsen, Steine und Berge zu ersteigen, oder heißen Sand, in welchen sie bei jedem Schritte bis an die Knöchel einsanken, zu durchwaten. Es wäre besser gewesen, die Pferde nur von Jerusalem bis Nazareth zu miethen, und von Nazareth wieder neue bis Beirut. Allein man sagte uns zu Jerusalem, daß man in Nazareth nicht immer Pferde bekomme, deßhalb nahmen wir sie bis Beirut. Als wir in Nazareth angekommen waren, überzeugten wir uns freilich, daß man uns in Jerusalem die Unwahrheit gesagt habe; man bekommt dort ebenfalls immer Pferde genug. Aber der Vertrag war geschlossen, und so mußten wir unsere Thiere behalten.
Die Temperatur war während der zehn Tage unserer Reise sehr verschieden. Die Hitze wechselte bei Tage von 18 bis 33 Gr., auch die Nächte waren nicht gleich, manche sehr warm, manche wieder empfindlich kalt.
Beirut.
Diese Stadt liegt in einer Sandfläche, nur die Maulbeerpflanzungen, mit welchen sie reichlich umgeben ist, gewähren ihr ein freundliches, frisches Ansehen. Doch geht man überall, in den Gärten und Alleen und auf allen Wegen tief im Sande. Von Ferne gesehen, macht Beirut, wie ich schon bei meiner ersten Ankunft von Konstantinopel bemerkte, einen überraschenden Eindruck, allein in der Nähe betrachtet, verliert es sehr. Ungern ging ich in der Stadt und deren Umgebung herum, aber mit wahrem Vergnügen betrachtete ich die Landschaft an einem schönen Abende auf einer hohen Terrasse sitzend. Ich sah den dunkelblauen Himmel sich wölben über die herrliche Gebirgskette, über das üppige Thal und über die weite Meeresfläche. Ich sah die goldne Sonne, wie sie ihre Strahlen zum Abendgruße den Gebirgen zusandte, und endlich selbst dem Auge entschwand — Alles in ein sanftes Dunkel hüllend. Ich sah die unzähligen Sterne glänzen und den Mond sein zauberisches Licht über die nächtliche Landschaft ergießen; — und wer bei diesem Übermaß von Naturschönheiten nicht den bessern Menschen in sich fühlt, der ist wahrlich des Namens: „Mensch" nicht würdig. Ja der Tempel Gottes ist überall, überall verkünden seine Werke ein Etwas, dem auch der ungläubigste Geist nicht widerstehen kann, — es ist das Dasein Gottes. Wie viele so schöne Abende genoß ich nicht in Beirut, — sie waren auch meine einzige Entschädigung für die unendlichen Leiden, die ich in dieser Stadt ertragen mußte.
Aufenthalt in Beirut.
Im Gasthofe bei Battista fand ich abermals kein Kämmerchen, und dießmal war ich in einer noch viel größeren Verlegenheit, ein Unterkommen zu finden, als das erste Mal; denn die Frau des Wirthes war sammt den Kindern auf dem Land, ihre Privatwohnung vermiethet und ich saß somit, im vollen Sinne des Wortes, auf der Gasse. — Ein Geistlicher, den ich in Konstantinopel kennen gelernt hatte und welcher jetzt gerade in Beirut war, erbarmte sich meiner und brachte mich, gleich außerhalb der Stadt, bei einer recht braven arabischen Familie unter. Nun war ich zwar unter Dach und Fach, allein ich konnte mich mit Niernanden verständigen, denn keine Seele sprach italienisch und ich wußte keine andern Worte arabisch, als: taip, moi, sut, mafisch; schön, Wasser, Milch, nichts.
Mit diesem Reichthume an Ausdrücken war natürlich nicht weit zu kommen, was ich gleich am folgenden Tage sehr schmerzlich empfand. Ich ließ mich nämlich durch einen Knaben in die Kirche führen, und deutete ihm, daß er auf mich warten solle, um mich wieder nach Hause zu begleiten. Als ich fort wollte, sah ich den Jungen nicht mehr. Ich wartete vergebens, und mußte mich endlich entschließen, den Weg allein zu suchen.
Das Haus, wo ich wohnte, stand in einem Garten von Maulbeerbäumen, allein die Häuser in der ganzen Gegend haben dieselbe Bauart, an jedes ist ein Thurm angebaut, in welchem sich ein bewohnbares Zimmer befindet, und alle stehen in Gärten von Maulbeerpflanzungen, die entweder gar nicht abgetheilt oder nur durch kleine Sanderhöhungen von einander getrennt sind. Blumen oder Gemüse sieht man nirgends, eben so wenig Straßen oder Wege, und so gerieth ich in ein Labyrinth von Bäumen und Häusern ohne Ende. Ich begegnete lauter Arabern, die mich nicht verstanden, und daher auch nicht zurechtweisen konnten. So lief ich nun kreuz und quer, bis ich endlich nach langem, ermüdenden Herumirren zufällig auf mein Haus stieß. Dergleichen Unannehmlichkeiten wollte ich mich nicht öfters aussetzen, und lieber in der Stadt wohnen, wo ich ohnehin täglich seyn mußte, um eine Gelegenheit zur Reise nach Alexandrien zu suchen. Ich ließ mich daher von demselben Jungen in die Stadt zum österreichischen General-Konsul, Hrn. v. A. führen. Leider war dieser Herr für mich unbedeutende Person nicht zu sprechen, er ließ mir sagen, ich möchte einige Stunden später kommen. Dieß war für den Augenblick eine wahre Hiobspost. Die Hitze war groß, ich ohnehin zum zweitenmal in der Stadt — und nun sollte ich wieder hinaus in den glühenden Sand, um in einigen Stunden zurückzukehren. Wenn ich nicht übernatürliche Kraft gehabt hätte, wäre ich in dieser Lage halb untergegangen. Allein auch hier wußte ich mir glücklicher Weise zu helfen.
Ich ließ mich durch meinen kleinen Führer in das Haus führen, wo ehemals die Frau des Wirthes Battista wohnte. Bei meinem ersten Aufenthalte in Beirut hatte ich zufällig erfahren, daß in demselben Hause eine Französin wohne, die sich mit dem Unterrichte der Kinder beschäftige. Diese Französin suchte ich auf, fand sie glücklich, und nun war mir in so weit geholfen, daß ich doch mit Jemanden reden und Jemanden um Hülfe ansprechen konnte. Die Französin, ein Fräulein von ungefähr 40 Jahren, Namens Pauline Kandis, war ein vortreffliches Geschöpf. Meine verhängnißvolle Lage ging ihr so zu Gemüth, daß sie mir zum einstweiligen Aufenthalte ihr eigenes Zimmer anbot. Ich sah freilich, daß auch hier noch sehr viel zu wünschen übrig blieb, denn ihre Wohnung bestand aus einem Zimmer, welches durch mehrere hohe Kästen in zwei Theile abgetheilt war; in der vorderen Abteilung stand ein großer Tisch, um welchen vier oder fünf Mädchen saßen oder standen, die lernen sollten. Das rückwärtige Gemach machte die eigentliche Rumpelkammer aus. Da gab es denn Kisten und Körbe und Töpfe, ein altes Faß, auf welchem ein Bret lag, diente statt eines Tisches — aber meine Lage war in diesem Augenblicke zu verzweifelt, um nicht mit Freuden diese angebotene Rumpelkammer anzunehmen. Ich wanderte gleich mit meinen Jungen fort, und schon um Mittag war ich mit Sack und Pack bei meiner liebreichen Wirthin. Nun aber konnt' ich für diesen Tag auch keinen Schritt mehr machen. Meine Kräfte waren theils noch von der Reise, theils von dem heutigen Herumlaufen so erschöpft, daß ich um nichts, als um ein Lager bat, welches mir zwischen den alten Kisten und Körben auf dem Boden zu Theil ward. Ich legte mich nieder, um der mir höchst nöthigen Ruhe zu genießen.
Abends um sieben Uhr wurde die Schule geschlossen, da empfahl sich Fräulen K. und überließ mir beide Gemacher, indem sie hier nur Schule hält, und bei ihrem Bruder, dem Dr. K. wohnt.
Der Aufenthalt bei Fräulein K. war das Ärgste, was mich auf der Reise traf.
Von 8 Uhr Morgens bis 7 Uhr Abends waren vier oder fünf Mädchen da, die aber eher Alles thaten, als lernen. Das war den ganzen Tag ein Laufen und Springen, Lärmen und Schreien, daß man sein eigenes Wort nicht hörte. Nebstdem befanden sich in den höheren Regionen dieses Hörsaales acht Taubennester, da flatterten die Alten, die so zahm waren, daß sie einem den Bissen nicht nur vom Teller, sondern sogar vom Munde wegstahlen, beständig im Zimmer herum, so daß man sich nirgends setzen konnte, ohne vorher den Platz zu besichtigen und zu reinigen. Auf dem ebenerdigen Terrain balgte sich ein Hahn mit drei Gemahlinnen, und eine Frau Mutter Henne mit eilf hoffnungsvollen Jungen gackerten stets dazwischen. Mich wundert, daß ich nicht schielend wurde, denn ein Auge mußte stets in die Höhe und das andere in die Tiefe gerichtet seyn, um nirgends Unheil zu leiden oder anzurichten. Des Nachts war eine Hitze und ein Gestank, kaum zu ertragen, und der Hahn fing nach Mitternacht zu krähen an, als ob er dafür bezahlt würde. Ich öffnete bei Nacht das Fenster, um der Hitze und dem Geruche einen Ausweg zu verschaffen, und legte mich, wie einst der Mameluk vor Napoleons Thüre, vor das Fenster, um die mir anvertrauten Pfänder vor jedem nächtlichen Überfall zu schützen. Allein schon in der zweiten Nacht mußten ein Paar wandernde Katzen meine Gesellschaft erlauert haben; ohne viel zu deliberiren, stiegen sie ganz leise