Perry Rhodan 3089: Das Atlan-Update. Kai Hirdt
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Dass mir die Hände gebunden waren, brachte mich schier um den Verstand. Denn leider musste man sagen: Ich war am Schicksal Tschirmayns nicht ganz unschuldig. Ich wollte Buße tun, die Rettungsaktion an vorderster Front mitgestalten. Aber das Risiko war gewaltig. Konnte ich sicher sein, dass die Cairaner den Planeten nicht einfach nur deshalb zu einem eisigen Tod verdammt hatten, um mich aus der Deckung zu locken?
Nein, das konnte ich nicht. Und so blieb ich in meinem Versteck auf der THORA, dem terranischen Flaggschiff, das Reginald Bull mir für unbestimmte Zeit zur Verfügung gestellt hatte.
Eine Nachricht des Schiffskommandanten Holger Bendisson lockte mich aus meinem Quartier in die Zentrale. Die TARTS war von Tschirmayn zurückgekehrt – mein eigentliches Flaggschiff, seit ich als Mascant den Oberbefehl über die arkonidischen Flotten übernommen hatte. Geführt wurde es von meinem Stellvertreter, dem De-Keon'athor Markul agh Fermi. Er war ein extrem fähiger und zugleich ungewöhnlich aufrichtiger Offizier mit ausgeprägtem moralischem Kompass. Männer wie er waren, wie mir schien, in den letzten Jahrhunderten selten geworden.
»Kontakt herstellen!«, forderte ich.
»Haben wir schon versucht«, erklärte Bendisson mir lächelnd. Er lächelte immer. »Sie lehnen ab und wollen nur über eine gesicherte Verbindung sprechen.«
»Wo ist das Problem? Warum bauen wir keine auf?«
»Sie verstehen darunter etwas anderes als wir.« Der Kommandant vergrößerte einen Ausschnitt des Ortungsholos. Ein winziger Flugkörper war von der TARTS unterwegs zu unserer Position.
»Eine Sonde?«, fragte ich erstaunt.
»In der Tat könnte man es so nennen, wobei die Abmessungen eher ungewöhnlich groß sind«, erklärte Bendisson. »Mit individuellen, verplombten Codes. Standardflottenverschlüsselung ist ihnen zu unsicher. Sie halten es für möglich, dass die Cairaner diese kennen und alles mithören. Deshalb sollst du warten, bis der Container hier ist, und dich dann beim De-Keon'athor melden.«
In finsterer Stimmung brütete ich 20 Minuten lang, bis wir die heiße Ware endlich in einem Hangar gesichert hatten. Agh Fermi wollte wirklich ganz sichergehen, dass die Codes nicht in falsche Hände gerieten. Ich musste mich mit Fingerabdruck, Netzhautscan und Genprobe ausweisen, bevor die Sonde sich öffnete und mir Zugriff auf ihr Inneres gewährte.
Dein Stellvertreter entpuppt sich als kleine Plaudertasche, kommentierte mein Extrasinn das Bild, das sich mir bot.
Ich wusste nicht recht, was ich erwartet hatte: eine gläserne Bulle mit einem Datenträger darin, vielleicht erhöht deponiert auf einem Piedestal, am besten mit dramatischem Scheinwerferlicht in Szene gesetzt?
So theatralisch war agh Fermi nicht veranlagt. Mit der Bulle hatte ich zwar gar nicht falsch gelegen, aber die verplombte Kapsel bestand aus mattem Metall, nicht aus Glas. Und vor allem war es nicht nur eine, sondern 400 Stück davon, die in schmucklosen, eckigen Metallboxen auf mich warteten. Damit hatte agh Fermi für eine Weile vorgesorgt. Wenn wir in Zukunft vertraulich plauschen wollten, war bis auf Weiteres keine zeitraubende Lieferung mehr notwendig.
Unzeremoniös schnappte ich mir eine Codekapsel, schloss den Container und ordnete eine lückenlose Überwachung des Hangars an. Dann begab ich mich in meinen Bereitschaftsraum und legte meinen Daumen auf das vorgesehene Kontaktfeld. Ein Ende der Röhre glühte auf und verdampfte, ohne dabei mehr als leichte Wärme zu verströmen.
Ich entnahm einen Datenkristall und schob ihn in die Kommunikationsstation. Kurz darauf erschien ein Holo von Markul agh Fermi und, zu meiner Überraschung, Kristallbaron Larsav da Ariga. Wenn der Primus inter Pares der Vereinigten Baronien sich die Zeit nahm, um mit mir zu sprechen, musste etwas Wichtiges anstehen.
Seinem Rang entsprechend grüßte ich ihn zuerst, dann meinen Stellvertreter: »De-Keon'athor. Ich freue mich, euch zu sehen. Es ist ein zum Teil unerwartetes Vergnügen.«
»Wieso?«, fragte da Ariga. »Der Herrscher wird sich doch noch mit seinem obersten Feldherrn in Verbindung setzen dürfen?«
Ich zog den Mund schief. Prinzipiell hatte da Ariga recht, aber ganz so einfach war die Situation nicht. Ich hatte zwar nominell den Oberbefehl. Aber da die Cairaner nicht erfahren durften, wo ich mich befand, führte de facto agh Fermi die Flotte. Wenn es mir überhaupt gelang, mit ihm in Kontakt zu treten, musste ich ihm meine Befehle heimlich erteilen. Und oft genug hatte er sehr eigenwillige Interpretationen dafür gefunden.
Ich ging nicht auf die Bemerkung ein, das hätte nur Zeit gekostet. Ich hatte davon viel zu viel, aber die beiden anderen waren mit der Bewältigung einer Krise beschäftigt. »Wie schlimm ist die Lage bei Tschirmayn wirklich?«
»Was meinst du?«, fragte agh Fermi.
»Was über offizielle Nachrichtenkanäle hereinkommt, ist nicht schön«, antwortete ich. »Die Evakuierung und dass wir uns nicht annähern dürfen, auf fremde Hilfe angewiesen sind. Aber im Großen und Ganzen klingt es so, als könnte ein Armageddon mit unzähligen Todesopfern vermieden werden.«
»Und?«, fragte der Baron.
»Beruhigende Nachrichten erfüllen mich seit Jahrtausenden mit Misstrauen.«
Agh Fermi musste lächeln. »Dann muss ich dich bitter enttäuschen. Es ist alles wahr. Die Cairaner arbeiten mit Lügen und Täuschung. Wir haben beschlossen, auf die Wahrheit zu setzen. Die Terraner helfen, als ginge es um ihre eigenen Leute, und der Kommandant der Jülziish, dieser Lyirid Ghüra, ist brillant. Abgesehen von ein paar Unfällen, die bei einer solchen Massenevakuierung wohl unvermeidbar sind, gibt es bislang keine Opfer. Und wir gedenken, das so zu halten.«
»Wozu dann die Heimlichtuerei?« Ich hielt den Rest von der Codekapsel in den Erfassungsbereich der Aufnahmeoptik.
Da Ariga atmete kurz durch. Ich kannte diese Geste von ihm. Er musste ein unangenehmes Thema anschneiden. »Wir halten es für möglich, dass du einen Verräter an Bord hast.«
»Hmm.« Ich zog die Brauen zusammen. Niemand hört so etwas gern über sein Schiff, und ich hatte mit den Männern und Frauen der THORA einiges durchgemacht in den letzten Wochen. Aber ich war lange genug dabei, um den Vorwurf nicht einfach abzutun. Schließlich war ich erst kurz an Bord und hatte mit der Auswahl und Überprüfung der Besatzung nichts zu schaffen gehabt. »Wie kommt ihr auf die Idee?«
Agh Fermi übernahm. »Die Geschwindigkeit, mit der die Cairaner auf deinen Ladhonen-Vorstoß reagiert haben.«
Da war er, mein wunder Punkt. Die Allianz zwischen Cairanern und Ladhonen war lange Zeit verheimlicht worden und danach noch immer gewissermaßen inoffiziell, obwohl im Grunde durch den Gang der Ereignisse mittlerweile hinlänglich bewiesen. Für die Öffentlichkeit waren die beiden Völker verfeindet gewesen und hatten nur selten gemeinsam agiert. Ich hatte einen Keil zwischen die Fraktionen treiben wollen und den Ladhonen eine Zusammenarbeit mit den Arkoniden angeboten. Selbstverständlich auf Umwegen, denn ich hatte ja meinen Standort nicht verraten dürfen.
Die Versetzung Tschirmayns war die Strafe der Cairaner für dieses harmlose, taktische Manöver gewesen. Ich hatte einen freundlichen Funkspruch abgesetzt, sie verurteilten eine blühende Welt zum Tode. Quid pro quo.
»Was genau meint ihr?«,