MUSIK-KONZEPTE 190: Giacomo Puccini. Группа авторов
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Die Fortschritte an wissenschaftlicher Aufarbeitung von Leben und Werk Puccinis innerhalb der letzten Dekaden lassen sich auch anhand des thematischen Spektrums erkennen, das von Fachbeiträgen und Einzelstudien inzwischen abgedeckt wurde. Die systematische Bibliografie, die vom Centro studi Giacomo Puccini erstellt und partiell auf der (lediglich auf Italienisch konsultierbaren) Webseite sowie integral und regelmäßig aktualisiert in den Periodika der Studi pucciniani (seit 1998) veröffentlicht wird, hat sich zum unerlässlichen hilfswissenschaftlichen Orientierungsinstrument mit Vorbildcharakter entwickelt, dem man mehr Sichtbarkeit und Konsultierende wünscht. Die Systematik der Erfassung reicht von den einzelnen Werkbesprechungen (Opern, Instrumental- und Vokalwerke) über die Kategorie der Libretti (Editionen und Libretto-Studien) zu jenen von Quelleneditionen (Briefe, Ego-Dokumente), Findmitteln (Repertorien, Bibliografien), Monografien, Biografien, werkübergreifenden und zeitkontextualisierenden Beiträgen bis hin zu ikonografischen Studien, Ausstellungskatalogen und Erinnerungsliteratur. Auch wenn ein strukturierender wie gleichermaßen quantifizierender Blick auf den verfügbaren Forschungsbestand die Frage nach Qualität und Nachhaltigkeit der Ergebnisse nicht beantwortet, lässt sich doch mit einiger Berechtigung behaupten, dass Themenbereiche, die bezogen auf Puccini noch gar nicht angebrochen worden sind, eine zunehmend verschwindende Größe in diesem Panorama darstellen dürften. Die Schwerpunktsetzungen der einschlägigen werkanalytischen Opernstudien ließen sich skizzenhaft und ohne Anspruch auf Vollständigkeit folgendermaßen umreißen: stoffgeschichtliche, werkgenetische, musikdramaturgische und satztechnische Analysen vorzugsweise der ›bekannten‹ Opern (also im Negativ und noch weniger erschöpfend zu Le Villi, Edgar, La fanciulla del West und La rondine), Analysen zum musikalischen Formbau, zur Melodiegestaltung sowie zur Dimension des Klangs, Aspekte des musikalischen und stofflichen Exotismus und Lokalkolorits (besonders zu den beiden ›asiatischen‹ Opern), der Fragmentcharakter von Turandot und Rekonstruktionen des Finalduetts, Puccinis Verfahren der Selbstanleihen, Rollenprofile vorzugsweise seiner weiblichen Bühnenfiguren, Aspekte von Puccinis spezifischem Umgang mit dem Erbe der traditionellen Versifikation, der singuläre Werkstattcharakter der Zusammenarbeit mit seinen Librettisten-Teams wie schließlich auch der musik- und zeithistorische Einfluss- und Abhängigkeitshorizont seiner Kompositionen während aller Lebensphasen. Neben etablierten Themen wie diesen, zu dem auch der weite und hier nicht weiter en détail genannte Komplex der Rezeptionsforschung gehört, formen sich, aus diesen einerseits hervorgehend, sie andererseits ergänzend, Problemfelder heraus, die verstärkt in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt sind. Dazu gehört die faktische Komplexität der Werkgenesen mitsamt den mitunter nicht minder schwierigen Revisionsphasen nach den Uraufführungen, welche die Definition von Werkfassungen vor ganz neue Herausforderungen stellt, sowie Puccinis unablässige Rezeption der neuesten musikalischen wie theater-, bühnen- und filmästhetischen12 Entwicklungen Europas und partiell auch Nordamerikas, die sein gesamtes Opernschaffen ab der Madama Butterfly von 1904 zu experimentellen Einzellösungen auf die Frage nach der ästhetischen Relevanz der Gattung überhaupt werden ließen. Vor diesem Hintergrund – der noch lange nicht bis zum Grund durchmessen ist – stellt sich schon jetzt die Frage nach Position und Partizipation Puccinis am Modernitäts-Diskurs völlig neu.
II Seitenblick auf aktuelle (Editions-)Projekte
Insbesondere das letzterwähnte Themenfeld von Reichweite und Art seines Austauschs wie Reflektierens sowie der privaten und geschäftlichen Vernetzung, die Puccini ab der Jahrhundertwende in der unangefochtenen Stellung des arrivierten und in der internationalen Wahrnehmung führenden Vertreters der italienischen Opernkomponisten betreiben konnte, wird sich erst nach Abschluss eines derzeit erst angelaufenen editorischen Langzeitprojekts zur Gänze begreifen lassen: Nach einer mehrjährigen Phase der Sammlung und Erschließung von Puccinis brieflichen und briefähnlichen Quellen (Postkarten, Visitenkarten, kurze Kommunikationsnotizen usw.) und seit 2007 auch mit der kulturstaatlichen Anerkennung einer »Edizione Nazionale« prämiert, konnte das vom Centro studi betriebene Projekt des Epistolario bislang zwei der auf neun Bände projektierten Briefedition (zuzüglich weiterer Ergänzungsbände) vorlegen.13 Waren Anfang der 1990er Jahre ca. 4000 Briefe bekannt, wuchs zur Überraschung auch der involvierten Forschenden die Zahl der von Puccini handgeschriebenen Dokumente auf ca. 8500 an, die nun, systematisch erfasst und dann profund kommentiert, streng chronologisch herausgegeben werden: Der zweite Band des Epistolario reicht bis ins Jahr 1901, deckt also noch die Zeit nach der römischen Tosca-Premiere ab und endet in der frühen Konzeptionsphase der Madama Butterfly. Damit sind jedoch erst ca. 1600 Briefe ediert (mehr als ein Viertel davon erstmalig), sodass die beträchtlichen Dimensionen dieses Langzeitprojekts sowie der proportionale Zuwachs der uns heute bekannten Briefquellen in Puccinis letztem Lebensdrittel recht plastisch vor Augen treten. Die stetige Vergrößerung des Korrespondentenkreises sowie der internationalen Berühmtheit des Senders, die sich auf eine Erhöhung der Überlieferungschance ausgewirkt haben mögen, wären als wesentliche Gründe hierfür zu nennen. Anhand dieser Zahlen lässt sich leicht ermessen, welch ein zukünftiger Erkenntniszuwachs sich aus diesen Quellenkorpora insbesondere für das musiktheatralische Spätwerk, für die Biografie eines routiniert ins europäische Ausland und nach Übersee reisenden Komponisten, für die spezifischen Produktionsprozesse einer ebenso international aufgestellten, verlegerdominierten italienischen ›Opernindustrie‹ sowie für das daran beteiligte Künstler- und Kunsthandwerkernetzwerk, aber auch ganz allgemein für den zeitgeschichtlichen Kontext der Kriegs- und Umbruchszeit des Ersten Weltkriegs ergeben wird. Schon jetzt gehören die beiden erschienenen Bände dieser ›neuesten‹ Grundlagenarbeit zu Puccini zum Vademekum jeder (italienischen) Opernforschung dieser Epoche.
Die »Edizione Nazionale« des Centro studi beschränkt sich nicht nur auf die Herausgabe der nicht-musikalischen Quellen, sondern bemüht sich auch um die systematische Edition der musikalischen Werke nach wissenschaftlich-kritischen Maßstäben. Dieses von Forscherseite angestoßene Großprojekt hatte und hat weiterhin mit Hindernissen umzugehen, die sich aus den unterschiedlichen Interessengewichtungen mit den Musikverlagen ergaben (vorrangig mit dem Ricordi-Verlag, bei dem mit wenigen Ausnahmen alle Werke Puccinis schon zu Lebzeiten erschienen). Eine aktuelle Kooperation zwischen Ricordi bzw. dem Verlagskonzern Universal Music Publishing Classical, zu dem Ricordi seit einigen Jahren gehört, und dem Centro studi existiert diesbezüglich nicht.14 Was unter wissenschaftlicher Federführung des Centro studi bislang publiziert und mit dem Prädikat der »Edizione Nazionale« kenntlich gemacht wurde, sind die Editionen der nicht-theatralischen Werke Puccinis, die im deutschen Carus-Verlag erscheinen. Vier Bände liegen