Deutsche Geschichte. Ricarda Huch
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Als im Jahre 1104 der Sohn Heinrichs IV., Heinrich, gegen seinen Vater ausgespielt und von den Fürsten zum König gewählt wurde, begab sich Heinrich IV. an den Rhein, wo er Anhänger hatte. Unter anderen Vorwürfen wurde auch der gegen ihn erhoben, dass er den Adel zurückgesetzt und Leute von niedriger Lebensstellung zu höchsten Ehren erhoben habe. Eine grundsätzliche Bevorzugung der Städte oder abhängiger Schichten lässt sich kaum bei Heinrich IV. nachweisen; aber die Bestrebungen des Gottesfriedens, die er in seinen letzten Regierungsjahren förderte, kamen allerdings den Bürgern und Bauern zugute, während der Adel die Friedenserrichtung als einen Eingriff in sein Fehderecht ansah. In Mainz, dessen Bischof zum neuen König übergangen war, wurde der alte Kaiser mit Jubel empfangen, die Bürgerschaft erklärte sich bereit, für ihn zu kämpfen. Dem Kaiser jedoch, den der nochmalige Abfall eines Sohnes schwer verwundet hatte, gab die Unternehmungslust der Städte keinen Aufschwung. Mit gebrochenen Schwingen schleppte sich der alte Adler, der in unzähligen Kämpfen und Stürzen nie ermattet war, jammervoll am Boden hin. Der Tod sickerte durch seinen Körper, wenn es auch niemand sah und er selbst es nicht wusste. Die Hilfe, die der Herzog von Nieder-Lothringen, der Bischof von Lüttich und die Städte am Rhein ihm stürmisch anboten, wehrte er müde ab; er wollte auf die Krone verzichten, er wollte keine Schlacht mit seinem Sohne, er glaubte nicht mehr an die Möglichkeit des Sieges. Allzu vertrauend ließ er sich von seinem Sohn zu einer Zusammenkunft bereden und wurde gefangengenommen. Nachdem es ihm geglückt war, zu fliehen, ging er nach Köln, wo die Geschlechter voll Teilnahme ihn wieder vergeblich zur Aufnahme des Kampfes zu ermutigen suchten; anstatt dessen folgte er einer Einladung des Bischofs von Lüttich. Unwillig mussten die Kölner erleben, dass der Gegenkönig, vom Erzbischof gerufen, in die Stadt einzog. Da begab es sich, dass der Herzog von Nieder-Lothringen und der Bischof von Lüttich über das Heer des Gegenkönigs einen Sieg erfochten und dass der an Erfolge nicht gewöhnte Kaiser noch einmal Mut schöpfte. Als sich Heinrich V. von Aachen aus, wohin er sich begeben hatte, nach Köln wandte, um dort Ostern zu feiern, verschloss ihm die Stadt, nun die Stadt der Bürger, die selbstständige, selbstherrliche, dem alten Kaiser treu, die Tore. Aber inmitten dieses herrlichen Aufschwungs den Rhein entlang blieb Heinrich IV. müde und hoffnungslos; er sah, dass das Glück sich ihm zuwendete, aber sein Herz blieb schwer. Soweit gab er seinen Freunden nach, dass er nach Köln ging, sich mit der Bürgerschaft verbündete, die Befestigung leitete. Dem Gegenkönig, der im Sommer mit einem Heere anrückte, gelang es weder in die Stadt einzudringen, noch ihr den Strom zu sperren, noch sie an Ausfällen zu hindern; er brach die Belagerung ab. Die Stadt der Bürger hatte sich erprobt, und als der unglückliche Kaiser starb, setzte sie, obwohl ganz ohne Haupt, ein stolzes Glied des Reiches, dem König, der nun als der rechtmäßige galt, immer noch Widerstand entgegen. So viel Achtung flößten die Herren von Köln Heinrich V. ein, dass er, als die Stadt dem Falle nah war, sie nicht bestrafte, sondern sie mit einer Geldzahlung Frieden und Versöhnung erkaufen ließ.
Welfen und Staufer
Mit Lothar von Süpplingenberg kam noch einmal ein Kaiser aus sächsischem Stamme auf den Cäsarenthron. Lothars Vater, Graf Gebhard, fiel 1075 in einer Schlacht gegen Heinrich IV., der Sohn übernahm sein Rebellentum. Durch seine Heirat mit Richenza, einer reichen Erbin, der Schwester Eckberts von Meißen, der einer der mächtigsten Gegner Heinrichs IV. und auf seine Veranlassung, wie man sagte, ermordet war, verstärkte sich ihm die kaiserfeindliche Tradition. Trotzdem erhob ihn Heinrich V., als im Jahre 1106 die Billunger ausstarben, zum Herzog von Sachsen, um den nicht verächtlichen Feind zu gewinnen. Aber der Ausspruch Herzog Bernhards, zwischen einem Erzbischof von Bremen und einem Herzog von Sachsen könne so wenig Freundschaft sein wie zwischen Feuer und Wasser, konnte man auch auf den Kaiser und Sachsen anwenden: es kam bald wieder zu Feindseligkeiten und im Jahre 1115 zu der furchtbaren Schlacht am Welfesholze, wo Graf Hoyer von Mansfeld, der Ungeborene, Niebesiegte, der auf kaiserlicher Seite focht, fiel, und durch welche Heinrich V. aus Sachsen verdrängt wurde. Sein Tod verhinderte ihn, das aufrührerische Land zu unterwerfen, das unter Lothar selbstständiger als je war. Lothar verstärkte die herzogliche Gewalt über die Großen, wählte mit kundigem Blick geeignete Personen für die wichtigen Stellungen und betrieb erfolgreich was jetzt für Sachsen die Hauptaufgabe war, die Eroberung des slawischen Gebiets. Fast wie ein Kaiser des Nordens stand er dem salischen Kaiser gegenüber und war für dessen Gegner der gegebene Prätendent. Dass die Erzbischöfe von Köln und Mainz sich ihm verbanden, verschaffte ihm die Wahl im Gegensatz zum Herzog Friedrich von Schwaben, der als Neffe Heinrichs V. sich zur Nachfolge berechtigt fühlen durfte. Friedrich war der Sohn der Agnes, der einzigen Tochter Heinrichs IV., die er seinem Anhänger, dem Grafen Friedrich von Büren, zur Frau gegeben hatte. Indessen, während herkömmlicherweise das Wahlrecht der Fürsten durch Berücksichtigung der Verwandtschaft beschränkt wurde, betonten jetzt die Fürsten gern ihr Wahlrecht, indem sie die Verwandten übergingen. Denjenigen Fürsten, der als Schwiegervater Herzog Friedrichs von Schwaben naturgemäß auf staufischer Seite stand, der als mächtiger Herr ein gefährlicher Gegner war, Herzog Heinrich den Schwarzen von Bayern, gewann Lothar dadurch, dass er ihm die Hand seiner einzigen Tochter und Erbin, Gertrud, für seinen Sohn versprach. Durch diese Heirat verdichtete sich der Gegensatz zwischen dem Norden und Süden Deutschlands zum Gegensatz zwischen den Familien der Welfen und Staufer, der jahrhundertelang Deutschland und auch Italien zerrissen hat. Die Welfen, ursprünglich ein schwäbisches Geschlecht, führten ihren Ursprung tief in die Vergangenheit zurück: ihre Stammväter sollen unter Odoaker gegen den letzten römischen Kaiser gefochten haben. Zu Karls des Großen Zeit waren sie Grafen im südlichen Schwaben; die schöne Welfin Judith wurde die zweite Frau Ludwigs des Frommen. Ihr Bruder