Deutsche Geschichte. Ricarda Huch

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Deutsche Geschichte - Ricarda Huch Sachbücher bei Null Papier

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sa­li­schen Kai­ser ga­ben ih­rem im­pe­ria­lis­ti­schen Hoch­ge­fühl Aus­druck durch den Bau der Kir­che von Spey­er, die sie zu ih­rer Grab­stät­te be­stimm­ten. Mit bis da­hin in Deutsch­land un­er­hör­ter Mäch­tig­keit er­hob sich der viel­tür­mi­ge Bau über den Sär­gen des stol­zen Ge­schlech­tes, weit­hin den Rhein be­herr­schend. Noch er­grei­fen­der ver­sinn­bild­li­chen die Rui­nen der Ab­tei­kir­che Lim­burg im Was­gau, zu der Kon­rad II. am sel­ben Tage wie zum Dom von Spey­er den Grund­stein leg­te, eine tri­um­phie­ren­de Macht und einen weltum­fas­sen­den Ge­dan­ken.

      Eine neue Idee er­griff die Geis­ter, ein neu­es Schlag­wort er­klang und wirk­te: die Un­ab­hän­gig­keit der Kir­che von welt­li­cher Ge­walt. Es war eine ganz und gar be­rech­tig­te, selbst­ver­ständ­li­che Idee, die frü­her oder spä­ter zur Auf­leh­nung ge­gen Ein­grif­fe der Kai­ser in das kirch­li­che Ge­biet füh­ren muss­te. Nicht nur aber Be­vor­mun­dung von Sei­ten des Staa­tes muss­te die Kir­che ab­leh­nen; es lag ihr nah, ih­rer­seits eine sol­che über den Staat aus­üben zu wol­len. Mit dem Sitz in Rom war der An­spruch auf Herr­schaft so not­wen­dig ver­bun­den, dass, so­wie ein her­vor­ra­gen­der, zur Herrsch­sucht nei­gen­der Mann Papst wur­de, das Ge­fühl, Nach­fol­ger der Cäsa­ren zu sein, ihn er­griff. Dann ver­schmolz die Idee des rö­mi­schen Wel­treichs mit der Idee der christ­li­chen Welt­kir­che zu ei­nem Trach­ten nach Wel­t­herr­schaft von fürch­ter­li­cher Kraft. Der Papst war dann nicht nur das Ober­haupt der christ­li­chen Kir­che, der dem Kai­ser das welt­li­che Schwert zu füh­ren über­ließ, son­dern er war der rö­mi­sche Kai­ser rö­mi­scher Na­ti­on, der in dem rö­mi­schen Kai­ser deut­scher Na­ti­on einen bar­ba­ri­schen Usur­pa­tor sah. Das mach­te sich gel­tend, so­wie schwa­che Kai­ser die Re­gie­rung in­ne­hat­ten. Wäh­rend das Reich un­ter den Söh­nen und En­keln Karls des Gro­ßen zer­fiel, in der Mit­te des 9. Jahr­hun­derts, als man glaub­te, der Un­ter­gang der Welt ste­he be­vor, be­stieg den päpst­li­chen Stuhl Ni­ko­laus I., ein vor­neh­mer und ge­bil­de­ter Rö­mer, und er­griff die Zü­gel, die den er­schlaff­ten Hän­den der Ka­ro­lin­ger ent­fal­len wa­ren. Die rat­lo­se, rings von Bar­ba­ren­hor­den über­flu­te­te Chris­ten­heit klam­mer­te sich an den neu­en Eli­as, der in ei­ner zer­trüm­mer­ten Welt die ein­zi­ge, die ewi­ge Macht dar­stell­te. Die Gunst des Au­gen­blicks er­ken­nend, leg­te er mit si­che­rer Hand den Grund zur Herr­schaft: zog mög­lichst vie­le Streit­fäl­le vor ein schieds­rich­ter­li­ches Ur­teil, er­klär­te je­den für den Bann ver­fal­len, der die von den rö­mi­schen Bi­schö­fen er­las­se­nen De­kre­te und Ent­schei­dun­gen nicht an­er­ken­ne, such­te die Bi­schö­fe von sich ab­hän­gig zu ma­chen. Die­se wi­der­streb­ten: der Erz­bi­schof Gün­ther von Köln pro­tes­tier­te ge­gen die Ab­sicht des Paps­tes, die Welt zu be­herr­schen, fuhr fort, die Ex­kom­mu­ni­ka­ti­on ver­ach­tend, in der Kir­che zu am­tie­ren, aber schließ­lich muss­te er sich doch un­ter­wer­fen. Die au­ßer­or­dent­li­chen Macht­an­sprü­che Ni­ko­laus I. konn­ten al­ler­dings von sei­nen Nach­fol­gern nicht durch­ge­setzt wer­den; ver­ges­sen und auf­ge­ge­ben wur­den sie nicht. Nur auf Au­gen­bli­cke konn­ten die bei­den Ge­wal­ten, die ge­mein­sam die Welt re­gie­ren soll­ten, im schwe­ben­den Gleich­ge­wicht er­hal­ten wer­den; zu sehr wa­ren die In­ter­es­sen der bei­den Völ­ker, de­nen sie an­ge­hör­ten, ver­schie­den, zu sehr die Kai­ser zu­gleich Kö­ni­ge der Deut­schen, zu sehr die Päps­te zu­gleich Her­ren von Rom, Cäsa­ren, Wel­t­herr­scher. Hät­te Hein­rich III. län­ger ge­lebt, so wäre der Kampf zwi­schen Kai­ser und Papst hin­aus­ge­scho­ben; er ent­brann­te, als sich nach sei­nem Tode ein über­mü­ti­ger, zucht­lo­ser jun­ger Mann und ein Dä­mon der Herrsch­sucht ge­gen­über­tra­ten.

      In den Chro­ni­ken wird er­zählt, dass, wäh­rend Hein­rich III. sich in Rom auf­hielt, dort ei­nes Zim­mer­man­nes Söhn­chen bei der Ar­beits­stät­te sei­nes Va­ters mit Spä­nen spie­lend sie in der Form von Buch­sta­ben zu­sam­men­leg­te. Zu­fäl­lig kam ein Pries­ter vor­bei und las, dass die Buch­sta­ben den Satz bil­de­ten: Do­mi­na­bor a mari us­que ad ma­re – ich wer­de herr­schen von Meer zu Meer. Er schloss dar­aus, dass das Kind einst Papst wer­den wer­de und mach­te den Zim­mer­mann dar­auf auf­merk­sam, der es dar­auf­hin zur Schu­le schick­te. Es wur­de ge­lehrt und kam in die kai­ser­li­che Kanz­lei, wo des Kai­sers jun­ger Sohn ihn ken­nen­lern­te und zu ver­spot­ten pfleg­te. Da träum­te der Kai­ser ein­mal, dass dem Zim­mer­manns­sohn, der Hil­de­brand hieß, zwei Hör­ner bis an den Him­mel wuch­sen, mit de­nen er sei­nen Sohn er­fass­te und in den Dreck warf. Die Kai­se­rin leg­te den Traum so aus, dass Hil­de­brand Papst wer­den und ih­ren Sohn vom Thro­ne sto­ßen wer­de. Auch er­zähl­te man sich, dem gu­ten Bru­no von Toul, dem Papst Leo IX., sei Hil­de­brand im Traum in ei­nem flam­men­sprü­hen­den Ge­wand er­schie­nen, und in­dem er das Hil­de­brand er­zählt habe, habe er hin­zu­ge­fügt: »Wenn du je, was Gott ver­hü­te, den Apo­sto­li­schen Stuhl be­steigst, wirst du die gan­ze Welt in Ver­wir­rung brin­gen.« Si­cher­lich mach­te sich die be­deu­ten­de Per­sön­lich­keit des Mönchs schon früh be­merk­bar, sein Wil­le ge­bot in Rom, be­vor er selbst Papst wur­de. In sei­nem Sin­ne wur­de auf der be­rühm­ten Synode des Jah­res 1059 be­schlos­sen, dass die Papst­wahl künf­tig dem Kar­di­nals­kol­leg, Kle­rus und Volk, den Wäh­lern nach al­tem ka­no­ni­schen Recht, nur die for­mel­le Zu­stim­mung zu­ste­hen sol­le. Dem Kai­ser soll­te das Recht blei­ben, die Wahl zu be­stä­ti­gen, was aber auch nicht ei­gent­lich ein Recht, son­dern ein per­sön­li­ches Zu­ge­ständ­nis des Paps­tes sein soll­te. Da­durch war der Ein­fluss des Kai­sers auf die Be­set­zung des Päpst­li­chen Stuh­les aus­ge­schal­tet. Die Kir­che zu be­frei­en war ein großes und gu­tes Ziel; aber Hil­de­brand kam es nicht mehr nur auf Frei­heit, son­dern auf Herr­schaft an. Es scheint in der mensch­li­chen Na­tur be­grün­det zu sein, dass Frei­heit un­ter den Men­schen sich sel­ten ver­wirk­li­chen lässt, was Goe­the in den furcht­ba­ren Wor­ten aus­ge­drückt hat, man müs­se Am­boss oder Ham­mer sein. Die einen Druck ab­wer­fen wol­len, trach­ten ge­wöhn­lich da­nach, ihn selbst aus­zuü­ben; wer die an­de­ren nicht un­ter­wirft, muss fürch­ten, un­ter­wor­fen zu wer­den. Hil­de­brand, als Papst Gre­gor VII., er­klär­te förm­lich den An­spruch der Kir­che, den Staat zu be­herr­schen; er be­grün­de­te das mit der Stell­ver­tre­tung des all­mäch­ti­gen Got­tes durch den Papst. Es kam nun dar­auf an, den kai­ser­li­chen Ein­fluss auch auf die Wahl der Bi­schö­fe ab­zu­stel­len; das wur­de vor­be­rei­tet durch die Aus­deh­nung des Be­grif­fes der Si­mo­nie auf je­den Ein­griff von welt­li­cher Sei­te in die Be­set­zung kirch­li­cher Stel­len. Wä­ren die Bi­schö­fe nichts als Pries­ter ge­we­sen, hät­te man die­se Auf­fas­sung bil­li­gen müs­sen; da sie welt­li­che Fürs­ten wa­ren, konn­te der Kö­nig auf das Recht, sie zu er­nen­nen oder bei ih­rer Er­nen­nung mit­zu­wir­ken, nicht ver­zich­ten. Die Bi­schö­fe wa­ren seit der Zeit Ot­tos des Gro­ßen die Stüt­ze des Thro­nes ge­we­sen; ge­schick­ter und ge­fähr­li­cher konn­te der Papst den Kai­ser nicht an­grei­fen, als in­dem er sie ihm ent­zog, sie ihm im Zwei­fels­fal­le zu Geg­nern mach­te.

      In dem Kamp­fe, den Hil­de­brand ent­zün­de­te, wa­ren zu­nächst für den Kai­ser die Aus­sich­ten nicht schlecht. Die Neue­run­gen, die der Papst ein­füh­ren woll­te, wa­ren zu ein­schnei­dend, zu um­wäl­zend, als dass sie nicht hät­ten er­schre­cken

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