Deutsche Geschichte. Ricarda Huch

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Deutsche Geschichte - Ricarda Huch Sachbücher bei Null Papier

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zu kön­nen, was gül­tig war. Nach­dem Win­fried dem Papst Gre­gor II. förm­lich ge­hul­digt und von ihm einen Ko­dex des ka­no­ni­schen Rech­tes emp­fan­gen hat­te, un­ter­warf sich der stol­ze Sach­se dem Ur­teil des rö­mi­schen Bi­schofs mit er­staun­li­cher Selb­st­über­win­dung. In den meis­ten Fäl­len wa­ren die Ent­schei­dun­gen der Päps­te so ver­stän­dig, dass sie ohne wei­te­res ein­leuch­te­ten; aber in dem ka­no­ni­schen Ge­setz zum Bei­spiel, wo­nach geist­li­che Ver­wandt­schaft, näm­lich die Pa­ten­schaft bei dem­sel­ben Kin­de, ein Ehe­hin­der­nis bil­det, konn­te er, ob­wohl er sich Mühe gab, be­greif­li­cher­wei­se kei­nen Sinn fin­den. Wie soll­te er de­nen, die un­ter die­ser Be­stim­mung zu lei­den hat­ten, den Grund ih­res Lei­dens be­greif­lich ma­chen? Da der Papst dar­auf be­stand, schluck­te er den Bis­sen ohne Sinn hin­un­ter. Wenn es sei­nen Be­griff von Re­li­gi­on an­ging, wenn er sah, wie in Rom heid­nischer Aber­glau­be un­ge­rügt sein We­sen trieb, konn­te er aber auch die Un­ter­wür­fig­keit ab­wer­fen und den Papst we­gen sei­ner un­zei­ti­gen Duld­sam­keit ab­kan­zeln, wie wenn er der Herr wäre. Aus­ge­stat­tet mit der Voll­macht des Paps­tes hat der Apos­tel in Thü­rin­gen und Hes­sen das heid­nische Volk be­kehrt, Klös­ter ge­grün­det und mäch­tig die hei­li­gen Ei­chen vor den ent­setz­ten Au­gen ih­rer Ver­eh­rer ge­fällt; aber die Or­ga­ni­sa­ti­on und die Be­leh­rung der Ge­bil­de­ten la­gen ihm mehr. Für die­se hat­te sei­ne Er­schei­nung et­was Blen­den­des, na­ment­lich für die ge­bil­de­te oder nach Bil­dung stre­ben­de Ju­gend. Als er auf sei­nen Rei­sen im Non­nen­klos­ter Pfal­zel bei Tri­er ein­kehr­te, des­sen Äb­tis­sin eine En­ke­lin des Mero­win­ger­kö­nigs Da­go­bert II. war, be­stand ihr fünf­zehn­jäh­ri­ger En­kel Gre­gor dar­auf, dem Frem­den zu fol­gen; eben­so schloss sich ihm der jun­ge Bayer Sturm an. Die Ju­gend wuss­te sich nichts Schö­ne­res, als die­sem Man­ne, der un­ent­wegt ein ho­hes Ziel ver­folg­te, der al­les Nied­ri­ge ver­ab­scheu­te, und der durch Nied­ri­ges un­be­rühr­bar zu sein schi­en, zu die­nen. Am liebs­ten wa­ren ihm als Mit­ar­bei­ter sei­ne Lands­leu­te, die auf sei­nen Wink be­geis­tert aus den an­gel­säch­si­schen Klös­tern her­bei­ström­ten. Un­ter ih­nen war eine Ver­wand­te, Lio­ba, de­ren Mut­ter, wäh­rend sie schwan­ger war, ge­träumt hat­te, sie tra­ge eine Glo­cke un­ter dem Her­zen, die zu läu­ten be­gin­ne. Da sie klug und be­gabt war, sich lie­ber mit Le­sen, Schrei­ben und Dich­ten als mit Hand­ar­beit be­schäf­tig­te, übergab man sie ei­nem Klos­ter; Bo­ni­fa­ti­us mach­te sie zur Äb­tis­sin des Klos­ters Tau­ber­bi­schofs­heim. Man lieb­te sie we­gen ih­rer zar­ten Lieb­lich­keit; doch ging sie fes­ten Schrit­tes ih­ren ein­sa­men Weg. Sei­nen Jün­gern ge­gen­über war Win­fried ein gü­ti­ger, wenn auch viel for­dern­der Herr, ge­gen die, wel­che sich ihm nicht un­ter­war­fen oder die er als schäd­lich an­sah, war er ein un­nach­gie­bi­ger Ver­fol­ger. Er hass­te die ho­hen Geist­li­chen, die, wie das bei den Fran­ken nicht sel­ten war, ein welt­li­ches Le­ben führ­ten, und die­je­ni­gen, die den rö­mi­schen Ka­non ver­war­fen oder ir­gend­wie von ihm ab­wi­chen. Was für Kämp­fe und Rän­ke statt­fan­den, ist uns nicht im ein­zel­nen über­lie­fert; aber ge­wiss ist, dass sei­ne Be­stre­bun­gen auf man­cher­lei Wi­der­stand stie­ßen. Es war leich­ter, in den noch heid­nischen Ge­gen­den Klös­ter zu grün­den, dort ge­eig­ne­te Vor­ste­her ein­zu­set­zen, Kir­chen zu bau­en, als da, wo sich schon ei­gen­ar­ti­ges Le­ben in Kir­chen und Klös­tern ent­fal­tet hat­te, dies in eine ein­heit­li­che Ord­nung ein­zu­bin­den. Ge­wald, Erz­bi­schof von Mainz, hat­te Karl­mann, den Bru­der Pi­pins, der mit die­sem ge­mein­schaft­lich re­gier­te, in den Sach­sen­krieg be­glei­tet und war ge­fal­len. Des­sen Sohn Ge­wi­lieb, beim Tode des Va­ters Laie, emp­fing rasch die Wei­hen, um sein Nach­fol­ger wer­den zu kön­nen; sein Le­ben än­der­te er des­we­gen nicht. Der neu aus­bre­chen­de Krieg gab ihm Ge­le­gen­heit, sei­nen Va­ter zu rä­chen: er for­der­te den Sach­sen, der Ge­wald ge­tö­tet hat­te, zu ei­ner Un­ter­re­dung auf, und als der Ge­ru­fe­ne er­schi­en, brach­te er ihn um. Win­fried fand, dass Krieg und Mord kein Ge­schäft für christ­li­che Bi­schö­fe sei; aber die frän­ki­schen Bi­schö­fe wa­ren ge­wohnt, ihre Wür­de als ein kö­nig­li­ches Amt zu be­trach­ten, des­sen kirch­li­che Sei­te nur die zu­fäl­lig From­men pfleg­ten. Schließ­lich setz­te Win­frieds Ei­fer durch, dass Ge­wi­lieb auf ei­ner Synode ab­ge­setzt wur­de; be­straft wur­de er nicht, son­dern setz­te sein welt­lich präch­ti­ges Le­ben auf sei­nen Gü­tern fort. Auch die Geg­ner der Leh­re und der Or­ga­ni­sa­ti­on warf Bo­ni­fa­ti­us nach lan­gen Kämp­fen mit Här­te nie­der, nur mä­ßig un­ter­stützt vom Papst und von den frän­ki­schen Herr­schern.

      Karl Mar­tells Groß­tat, die Zu­rück­wer­fung der Sa­ra­ze­nen nach Spa­ni­en, mach­te ihn zum Hel­den des ger­ma­nisch-ro­ma­ni­schen Abend­lan­des, die Kir­che be­trach­te­te ihn, der ge­walt­tä­tig mit dem Kir­chen­gut ge­schal­tet hat­te, um sei­ne Ge­folgs­leu­te be­loh­nen zu kön­nen, mit scheu­er Ab­nei­gung. Win­fried ließ sich einen Schutz­brief von ihm aus­stel­len, da er ein­sah, dass sich ein sol­cher in strah­len­den Ta­ten aus­ge­präg­ter Ruhm nicht über­se­hen ließ und dass es klü­ger sei, ihn zur Be­fes­ti­gung der ei­ge­nen Stel­lung zu be­nüt­zen; aber die bei­den Gro­ßen wa­ren zu an­ders ge­ar­tet und hat­ten zu ver­schie­de­ne Wege vor­ge­schaut, als dass sie sich freund­schaft­lich hät­ten be­rüh­ren kön­nen. Wenn Win­fried den Hof mied, tat er es si­cher nicht, um den Ver­füh­run­gen aus­zu­wei­chen, die für ihn kei­ne wa­ren, son­dern um als ein Herr nicht dem Herr­scher be­geg­nen zu müs­sen, der sich als den Hö­he­ren be­trach­tet hät­te, und der si­cher der Mäch­ti­ge­re war. Als lan­ge nach Win­frieds Tode sei­ne Freun­din Lio­ba ei­ner drin­gen­den Ein­la­dung der Kai­se­rin Hil­de­gard folg­te, bat die Äb­tis­sin ihre freund­li­che Gast­ge­be­rin, in­dem sie sie un­ter Trä­nen um­arm­te, sie so­fort wie­der zu ent­las­sen; so sehr wirk­te Win­frieds Ver­hält­nis zu den frän­ki­schen Herr­schern im Her­zen der ihm Er­ge­be­nen nach. Aus­schal­ten ließ sich die Mit­wir­kung der Herr­scher bei den kirch­li­chen Din­gen nicht, sie be­rie­fen die ers­ten großen Synoden, die auf An­re­gung des Bo­ni­fa­ti­us statt­fan­den. Als auf ei­ner Synode des Jah­res 747 die an­we­sen­den Bi­schö­fe und Geist­li­chen die Me­tro­po­li­tan­ver­fas­sung an­nah­men, eine Ur­kun­de über den or­tho­do­xen Glau­ben aus­stell­ten und sie dem Papst über­sand­ten, konn­te er sein Ziel als er­reicht be­trach­ten. Die Ein­heit der Kir­che im Auf­bau und im Glau­ben un­ter dem Papst war her­ge­stellt.

      Trotz­dem war der stol­ze Mann nicht be­frie­digt. Tie­fe Trau­rig­keit las­te­te oft auf ihm wie ein kör­per­li­cher Schat­ten. Er fühl­te sich im Be­zirk sei­ner Wirk­sam­keit in der Frem­de, an­ge­fein­det, nicht rich­tig ge­wer­tet. Sein Wunsch, das Erz­bis­tum Köln zu er­lan­gen, wo er den Frie­sen nahe ge­we­sen wäre, wur­de ihm nicht er­füllt, weil die dor­ti­ge hohe Geist­lich­keit ihn ab­lehn­te, an­statt des­sen be­kam er Mainz, das er nicht ge­wollt hat­te. Mehr hing sein Herz an dem Klos­ter Ful­da, das er selbst ge­grün­det und dem Papst un­mit­tel­bar un­ter­stellt hat­te, wo­mit jede Mög­lich­keit kö­nig­li­cher Ein­grif­fe aus­ge­schal­tet war. In die­ser An­stalt soll­te die stren­ge Re­gel des hei­li­gen Be­ne­dikt herr­schen, nach wel­cher das Klos­ter einen selbst­stän­di­gen Wirt­schafts­be­zirk zu bil­den hat­te, wo alle er­for­der­li­che Ar­beit von den Klos­ter­brü­dern selbst, ohne Hil­fe die­nen­der Lai­en ge­leis­tet wür­de. Der Ort, wo spä­ter das Klos­ter

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