Der einsame Mann. Clara Viebig

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Der einsame Mann - Clara Viebig

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sollst doch nicht! Wir machen schon alles.« Müder gemacht von diesem Zusehen und angegriffener, als wenn sie alles selber getan hätte, lag die Frau im Sessel. Nein, so ging es nicht! So würde es niemals gehen! Ungeduldig gemacht durch die übertriebene Besorgnis, und verzagt über die eigene Schwäche begann Frau Doktor zu weinen.

      Da klinkte aussen etwas an der noch nicht verschlossenen Haustür. Hans-Helmut lief in den Flur; der war ganz dunkel, aber durch die geöffnete Tür fiel von aussen der Dämmerschein der Nacht. Im Türrahmen stand eine Gestalt, umflossen von dem nächtlichen Licht. Maria Kaspers Stimme erfüllte den Flur mit ihrem lauten: »Guten Abend zusammen!«

      Sie hatte es von der Mutter gehört, dass Frau Doktor krank geworden war und wegen einer Hilfe in Not. Ihr wäre es recht, hier den Haushalt zu schaffen, wenn Frau Doktor es wollte.

      Ob die wollte! Mit einem Erlösungsseufzer hob die Frau das Gesicht aus dem Taschentuch, sie fiel dem Mädchen um den Hals, genau wie damals, als Maria ihr den Jungen aus dem Fluss gebracht hatte. »O Maria, du nimmst mir eine Last von der Seele!«

      »Ach ja,« sagte der Oberst, »das wäre gut!« Sein eben noch so sorgenvolles Gesicht war gleich erhellt. »Kommen Sie zu uns, es soll gewiss Ihr Schade nicht sein. Sorgen Sie, dass Frau Doktor sich nicht mehr übernimmt.« Ja, die würde den Haushalt spielend schaffen, das sah er, die hatte Jugend und Kraft und guten Willen.

      Das Licht der Hängelampe fiel hell auf Maria Kaspers. Da stand sie in ihrem sauberen Kattunkleid, eine weisse Schürze vor dem vollen Busen, aus den Ärmeln, die nur bis zum Ellbogen reichten, guckten die Arme heraus, drall und doch sehnig. Blühend waren ihre Wangen, eine schönes warmes Rot lag auf ihnen; an ihre Schläfen schmiegte sich das Haar in weichen Ringeln und war hinten aufgesteckt zu einem reichen Flechtennest.

      Mit weitgeöffneten Augen stand Hans-Helmut; er sagte kein Wort.

      Ruhig stellte Maria Kaspers ihre Bedingungen. Billig war sie nicht, das war natürlich, sie war arm und sie musste verdienen; aber der Oberst hätte ihr willig doppelt so viel zugesagt als sie verlangte, er war ja zu froh, dass sie kam. — —

      Und nun war sie hier, als sei sie seit vielen Jahren Tag und Nacht im Hause gewesen. Ein Eingewöhnen war nicht nötig, man war sich ja schon vertraut. Das Mädchen hatte eine Art, die selbstsicher war, ohne dreist zu sein; anfänglich war die der Frau Doktor manchmal befremdend gewesen, nun war sie längst daran gewöhnt. Sie musste bei ihrer Schwäche so manchesmal die Hilfe der jungen Kraft in Anspruch nehmen, dass sie nicht mehr daran dachte, dass sie die Herrin war und jene die Dienerin. Willig liess sie Maria Kaspers bestimmen, sie wusste, die machte alles verständig und gut. Ach, wie wohl tat es auch, die beiden Männer so gut versorgt zu sehen! Der Oberst hatte nie mehr zerrissene Strümpfe, seine Stiefel waren stets spiegelblank, sein Rasierwasser bekam er immer warm und zu gleicher Minute, sein bester Bursche war nicht pünktlicher gewesen. Der Oberst sprach sich höchst anerkennend über Maria aus. Nur Hans-Helmut schwieg. Und die beiden waren doch, als er noch ein Kind war, so gut Freund miteinander gewesen! Die Mutter glaubte im Sohn einen leisen Widerstand zu spüren. War das etwa Eifersucht von ihm? Oh, von ihrer Liebe konnte ihm Maria niemals etwas nehmen, die Liebe, die gehörte ihm ganz allein, aber man musste doch gerecht sein und anerkennen, was anzuerkennen war. Wenn sie lobte: »Das hat Maria gut gekocht,« so sagte er: »Du hast es noch besser gekocht.« Wenn sie nach dem Essen auf dem Sofa gebettet lag, dem Mädchen, das ihr die Füsse sorglich einpackte und ihr das Kissen unter den Kopf schob, so bequem, wie es kein anderer zu machen verstand, mit dankbarem Lächeln zunickte, ging er aus dem Zimmer. Das bekümmerte die Mutter. War es nicht fast, als träte etwas zwischen sie und ihr Kind, als wäre Fremdes im Sohn, das sie nicht mehr kannte?! — —

      Es war heute ein ganz stiller Nachmittag, stiller noch als sonst. Es schneite. Lautlos fielen grosse weisse Flocken und zerschmolzen im aufgetauten Erdreich. Maria war in den Ort gegangen zu ihrer Mutter, der Baron spaltete hinterm Haus Holz, das tat er seiner Gesundheit wegen, um nicht Fett anzusetzen; und auch der Ersparnis wegen. Er und die Maria kriegten die Klafter schon allein klein, man brauchte nicht Stundenlohn zu zahlen.

      Hilde Arndt sass am Nähtisch, heute hatte sie einen guten Tag, sie konnte etwas schaffen, und das machte sie froh. Sie fühlte sich überhaupt in letzter Zeit kräftiger, das verdankte sie allein der Maria. Wie die für sie sorgte! Am liebsten sollte sie gar nichts anfassen. Und immer willig war Maria, es wurde ihr nie etwas zuviel. Wenn dieses Mädchen nicht ins Haus gekommen wäre, wo wäre sie dann jetzt wohl —?! Eine grosse Dankbarkeit erhob sich in der Seele der Frau, denn, ach, eine Weile möchte sie doch noch leben, so lange noch, bis Hans-Helmut sein Studium hinter sich hatte, bis er eine Stellung bekleiden konnte, in der er vorwärts kam im Leben. Dann wusste sie ihn geborgen. Denn der Baron würde ja auch nicht ewig leben, wenn er auch viel gesünder, viel kräftiger war als sie. Sie waren beide schon alte Leute. Und wenn sie nun doch schon eher fort müsste —?!

      Die Tür öffnete sich leise, Hans-Helmut steckte den Kopf herein: »Bist du allein, Mutter?«

      Sie war erfreut. Sonst sass er meist oben in seinem Stübchen; wenn auch kein Ofen dort war, er behauptete, niemals zu frieren. Jetzt schlang er den Arm um sie und legte seine Wange an die ihre. Er war als Kind sehr zärtlich gewesen, jetzt war eine Zärtlichkeit seltener bei ihm, sie hatte sich darüber beklagt, aber der Oberst sagte, das läge in den Jahren, im Werden zum Mann.

      Die Mutter lächelte glücklich: wie lieb ihr Junge heut war!

      »Wenn du allein bist, bleibe ich bei dir.« Er holte sich einen Stuhl heran, und über den kleinen Nähtisch weg sah sie nah in sein geliebtes Gesicht. Das dünkte sie abgespannt. Die reine Stirn war bleich und ernsthaft, die dunkle Haarwelle, die über sie hineinhing, liess sie noch bleicher erscheinen. »Du lernst zuviel, mein Sohn. Immer sitzt du oben über deinen Büchern.«

      »Ich lerne nicht immer.«

      »Was tust du denn?«

      Er lächelte, ein zerstreutes, ein wenig abwesendes Lächeln, und zuckte die Achseln.

      Da lächelte sie auch: ach ja, er träumte. Träumte, wie man nur träumt in der Jugend; man macht Pläne, kühne Zukunftspläne, man baut Schlösser, die bis in die Wolken reichen. Sie beugte sich über den Nähtisch und strich ihm mit ihrer kühlen Hand die dunkle Strähne aus der Stirn. »Nicht lang mehr, mein Sohn, und du gehst fort von uns!«

      Der Gedanke daran machte sie bang erschauern, aber sie gab ihrer Stimme Festigkeit: »Nur noch ein Jahr Prima.«

      »Gott sei Dank!« sagte er mit einem Aufatmen. So aus dem tiefsten Innern kam das heraus, dass es klang wie ein Erlösungsseufzer.

      War er denn nicht gern auf der Schule? Er war doch so gut durch die Klassen gekommen? »Ich habe geglaubt, du gingest gern zur Schule,« sagte sie ganz kleinlaut.

      Er lachte kurz auf: »Das schon. Aber, Mutter, ich möchte heraus.« Er hob die Achseln und dehnte sich: »Heraus aus der Schule, heraus aus dem Ort, heraus aus dem Haus!«

      Aus dem Haus! Das durchfuhr sie wie ein Schmerz. Wie konnte er nur sagen: aus dem Haus? Dass er sich einmal heraussehnte, das begriff sie wohl, aber aus dem Haus — aus diesem Haus?! Ihre Augen blickten erschrocken.

      Er sah das und sagte schnell: »Ich sage damit ja nichts gegen dieses Haus — oh, ich liebe es mit seinen kleinen Zimmern, mit seinem Gärtchen. Ich werde immer Sehnsucht danach haben — und nach dir, Mutter, nach dir hier an deinem Nähtisch — aber ich muss wo anders hin. Hier in diesem Haus bin ich doch immer nur der Knabe, das kleine Kind.«

      »Mein Kind,« sagte sie leise und senkte den Kopf. Sie fühlte sich gekränkt. Aber sie überwand es; das war ja dumm von ihr, wie konnte sie es dem Sohn übelnehmen, dass die Freuden

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