Die Abenteuer des Sherlock Holmes. Sir Arthur Conan Doyle

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Die Abenteuer des Sherlock Holmes - Sir Arthur Conan Doyle

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Aber, Watson, wir wollen sehen, wer von uns den kürzeren zieht. Ich gehe jetzt aus.“

      „Auf die Polizei?“

      „Nein. Ich will selbst meine Polizei sein. Die mag die Fliegen fangen, wenn ich das Netz gesponnen habe. Vorher nicht.“

      Den ganzen Tag hatte ich in meinem Beruf zu thun, und erst am späten Abend kam ich nach der Bakerstrasse zurück. Sherlock Holmes war noch nicht heimgekehrt. Kurz vor zehn trat er blass und müde ein. Er ging nach dem Büffet, brach ein Stück Brot ab, verschlang es gierig und spülte es mit einem Trunk Wasser hinunter.

      „Du bist hungrig,“ bemerkte ich.

      „Ganz ausgehungert. Ich habe noch gar nicht daran gedacht. Seit dem Frühstück habe ich nichts zu mir genommen.“

      „Nichts?“

      „Keinen Bissen. Mir fehlte die Zeit, daran zu denken.“

      „Und was hast du erreicht?“

      „Viel.“

      „Bist du den Spitzbuben auf der Spur?“

      „Ich halte die Kerle fest. Lange soll John Openshaw nicht auf Rache warten. Ihr eigenes Teufelszeichen wollen wir ihnen aufdrücken, Watson. Es ist gut ausgedacht!“

      „Was meinst du?“

      Er nahm eine Apfelsine aus dem Schrank, brach sie auseinander und drückte die Kerne heraus auf den Tisch. Fünf davon steckte er in einen Umschlag. Auf die Innenseite des Verschlusses schrieb er: ,S. H. für J. O.,‘ dann siegelte er und adressierte an: ,Kapitän James Calhoun, Barke ,Lone Star‘, Savannah. Georgia.‘ „Das soll ihn bei der Einfahrt in den Hafen erwarten,“ sagte er höhnisch. „Es mag ihm eine schlaflose Nacht bringen und wird ihm ein so sicherer Vorbote seines Geschickes sein, wie sein Brief für Openshaw gewesen ist.“

      „Wer ist dieser Kapitän Calhoun?“

      „Der Anführer der Rotte. Die anderen kriege ich nachher. Erst muss er dran.“

      „Wie kannst du ihm auf die Spur?“

      Holmes zog einen grossen Bogen aus der Tasche, der mit Namen und Daten bedeckt war.

      „Den ganzen Tag durchsuchte ich Akten und Register des Lloyd und folgte dem Kurs aller Schiffe, die im Januar und Februar 1883 Ponditscherri berührten. 36 Schiffe guter Löschung liefen während dieser Monate dort ein; unter diesen fesselte eines, der ,Lone Star‘, sofort meine Aufmerksamkeit. Nach dem Bericht wäre es nämlich von London ausgelaufen, während es in Wirklichkeit von einem amerikanischen Staate kommt.“

      „Wahrscheinlich aus Texas.“

      „Ich bin dessen nicht sicher, so viel aber steht fest, dass das schiff amerikanischer Herkunft sein muss.“

      „Was weiter?“

      „Ich forschte dann in den Berichten von Dundee nach, und als ich fand, dass der ,Lone Star‘ im Januar 1885 dort lag, wurde mein Verdacht zur Gewissheit. Ich erkundigte mich nach den Schiffen, die jetzt im Hafen von London sind. Der ,Lone Star‘ war vorige Woche hier angekommen. — Ich ging nach dem Albert-Dock und erfuht, das Schiff sei mit der Morgenflut ausgelaufen und auf dem Heimweg nach Savannah begriffen. Ich telegraphierte nach Gravesend. Es war bereits vorüber gesegelt; der Wind weht von Ost, also muss es unbedingt über die Sandbank von Godwin hinaus sein und nicht weit von der Insel Wight.“

      „Und nun?“

      „Nun halte ich ihn unter dem Daumen. Nur er und zwei Matrosen an Bord sind geborene Amerikaner; die übrigen sind Deutsche und Finnländer. Auch erfuhr ich, dass sie vorige Nacht alle drei nicht auf dem Schiff waren. Der Stauer, der die Ladung löschte, hat es mir gesagt. Bei der Einfahrt des Schiffes in Savannah wird der Postdampfer bereits diesen Brief abgeliefert haben, und die Polizei von Savannah hat durch das Kabel schon erfahren, dass auf die drei Herren von hier aus eines Mordes wegen gefahndet wird.“ —

      Wie schlau der Mensch aber auch seine Pläne ersinnen mag, sie werden doch oft vereitelt. John Openshawz Mörder sollten nie und nimmer die fünf Kerne erhalten, die ihnen bewiesen hätten, dass ein anderer, der nicht minder verschmitzt und entschlossen war wie sie selbst, ihnen auf die Spur gekommen sei.

      Die Aequinoktialstürme waren in diesem Jahr besonders heftig und unheilvoll. Vergeblich warteten wir lange Zeit auf Nachrichten über den ,Lone Star‘ aus Savannah.

      Endlich hörten wir, dass irgendwo, weit draussen im Atlantischen Ozean, ein zerbrochener Hintersteven mit den Buchstaben L. S. gezeichnet, den die Wogen umhertrieben, aufgefunden wurde. — Das ist alles, was je vom Schicksal des ,Lone Star‘ zu uns gedrungen ist.

      Ein Fall geschickter Täuschung

      „Lieber Freund,“ sagte Sherlock Holmes, als wir behaglich beisammen an seinem Kamin in der Bakerstrasse sassen, „das Leben selbst bringt weit Merkwürdigeres hervor, als alles, was der menschliche Geist zu erfinden vermag. Könnten wir jetzt Hand in Hand aus diesem Fenster fliegen und, über der Riesenstadt schwebend, die Dächer abheben, um zu beobachten, was sich in den Häusern zuträgt, wir würden staunen über alle die Pläne, die seltsamen Vorfälle, die Verkettung von Umständen, die sich durch Generationen hinzieht und zu den wunderbarsten Ergebnissen führt. Jegliche Dichtung mit ihren althergebrachten Formen, ihrem leicht vorauszusehenden Ausgang müsste uns schal und wertlos erscheinen.“

      „Und doch bin ich hiervon nicht ganz überzeugt,“ erwiderte ich. „Die Fälle, welche die Zeitungen bringen, sind meist trocken und alltäglich genug. In unsern Polizeiberichten ist der Realismus auf die Spitze getrieben, und doch ist der Eindruck, den sie machen — das lässt sich nicht leugnen — weder spannend noch künstlerisch.“

      „Um eine realistische Wirkung zu erzielen,“ bemerkte Holmes, „bedarf es einer gewissen Auswahl und Umsicht; hieran gebricht es den polizeilichen Berichten, die vielleicht auf die seichte Darstellung des Beamten mehr Wert legen, als auf die interessanten Nebenumstände, in denen der ernstere Beobachter die Beweggründe zu erblicken versteht, welche die That herbeiführten. Glaube mir, nichts ist so aussernatürlich wie das Alltägliche.“

      Ich lächelte ungläubig. „Mich wundert nicht, dass du so denkst,“ sagte ich, weil du, als ausserordentlicher Helfer und Berater aller Ratlosen in drei Weltteilen, nur mit Ungewöhnlichem und Seltsamem in Berührung kommst. Lass mich,“ bat ich, die Zeitung vom Boden aufhebend, „meine Behauptung praktisch beweisen. Ich nehme die erste beste Notiz: ,Grausamkeit eines Gatten gegen seine Frau.‘ Die Geschichte füllt eine halbe Druckspalte, und ich kann sie ungelesen erzählen. Unbedingt ist eine andere Frau im Spiel, im übrigen entwickelt sich die Geschichte wie folgt: Trunkenheit, rohe Behandlung, Gewaltthat, Verwundung, Erscheinen der hilfreichen Schwester oder Wirtin. Der gewöhnlichste Schriftsteller könnte nichts Gewöhnlicheres erfinden.“

      „Fehlgeschossen, dein Beispiel passt auf deine Behauptung wie die Faust aufs Auge,“ meinte Holmes, das Blatt überfliegend. „Es handelt sich hier um die Ehescheidung der Dundas, und zufällig hatte ich einige Punkte dabei aufzuklären. Der Mann ist ,Teetotaler‘, ein Mensch, der geistigen Getränken entsagt, eine andere Frau ist nicht im Spiel; die Anklage lautet: Der Mann habe sich angewöhnt, stets die Mahlzeit damit zu beschliessen, dass er sein falsches Gebiss herausnahm und es seiner Frau an den Kopf warf, ein Gebaren, das — du wirst mir das zugeben — nicht so leicht dem ersten besten Schriftsteller einfallen wird. Nimm eine Prise, Doktor, und gieb zu, dass dein Beispiel nicht stichhaltig

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