Sophienlust Bestseller Box 2 – Familienroman. Marisa Frank
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»Mir wäre es lieber, wenn du dich wieder anschnallen würdest«, tadelte Klaus. »Stell dir vor, ich muß plötzlich bremsen. Bei der Geschwindigkeit gibt es für dich kein Halten mehr.«
»Nun ärgere mich nicht. Du weißt, daß ich es nicht aushalten kann. Außerdem ist es ja nicht mehr weit«, sagte die junge Frau und legte ihren Kopf auf die Schulter ihres Mannes.
»Trotzdem«, beharrte Klaus. Irgendwie hatte er das Gefühl drohenden Unheils. »Ich würde mich bedeutend wohler fühlen, wenn du dich wieder angurten würdest.«
»Und ich würde mich bedeutend unwohler fühlen.« Iris war leicht beleidigt. »Außerdem wolltest du unbedingt diesen Ausflug machen. Ich war gleich von Anfang an dagegen.«
Das mußte Klaus zugeben. Aber Ulli hatte so gebettelt, daß er ihm nicht hatte widerstehen können. Außerdem fühlte auch er sich wohl auf dem Reiterhof, den sich seine Schwester und sein Schwager in der Hohenloher Ebene gekauft hatten.
Nur Iris hatte sich noch nie besonders gut mit Annegret verstanden. Die beiden Frauen waren sich zu ähnlich. Beide besaßen einen Dickkopf und waren es gewöhnt, sich durchzusetzen. Holger, Annegrets Mann, war seinem Schwager Klaus ebenfalls ähnlich. Er steckte bei Differenzen auch lieber zurück und dachte sich seinen Teil, ehe er sich mit seiner Frau stritt. »Der Klügere gibt nach«, pflegte er in diesen Fällen immer zu sagen.
Genau das dachte in diesem Augenblick auch Klaus Meinradt und schwieg. Daß er das noch lange würde bereuen müssen, ahnte der junge Mann nicht. Seine Gedanken waren noch bei seiner Schwester, die ihm beim Abschied nahegelegt hatte, sie als die Paten bei seinem zweiten Kind vorzusehen. Klaus wußte, daß Iris davon nicht sonderlich begeistert war, aber er wollte seiner Schwester den Gefallen tun, zumal er wußte, daß Annegret und Holger Schwartz nie eigene Kinder würden haben können.
In diesem Augenblick entdeckte er ihn. Er kam geradewegs auf ihn zu. Der Geisterfahrer!
»Spinnt der denn? Haltet euch fest!« konnte Klaus noch rufen. Verzweifelt riß er das Steuer herum und stieß gegen die Leitplanke. Er wußte gar nicht mehr, was er tat. Plötzlich war das entgegenkommenden Auto direkt vor ihm.
Den häßlichen Knall, den der Zusammenprall der beiden Autos verursachte, hörte er schon nicht mehr. Er hatte zwar noch versucht, dem Geisterfahrer auszuweichen, doch es hatte nicht mehr gereicht.
Der rote Sportwagen, dessen Fahrer total betrunken war, wie sich später herausstellte, prallte voll auf ihn drauf.
Klaus vernahm nur noch Iris’ entsetzten Aufschrei, dann verlor er das Bewußtsein.
Durch die Wucht des Aufpralls wurde die schwangere Frau aus dem Auto geschleudert. Ein nachfolgender Autofahrer, der mit seiner Familie ebenfalls auf dem Heimweg war, konnte nur noch flüstern: »Da kann niemand mehr helfen«, während er mit quietschenden Bremsen zum Stehen kam.
Die ältere, wohlbeleibte Frau schlug die Hände vors Gesicht. »Fahr bitte weiter, Gerhard, ich kann das nicht sehen«, bat sie im ersten Schreck.
»Nein, das geht nicht, Luise. Ich muß nachsehen, ob ich vielleicht etwas helfen kann.« Der Mann hatte ganz weiche Knie. Er wagte nicht, auszusteigen, weil er ahnte, was ihn erwartete. »Wenn da noch einer lebend herauskommt, ist das für mich das reinste Wunder«, sagte er leise.
Plötzlich kam Leben in seine Frau, die den ersten Schock schneller überwunden hatte als ihr Mann. »Dort hinten habe ich vorhin eine Notrufsäule gesehen. Während du nachsiehst, ob noch jemand am Leben ist, werde ich schnell zurücklaufen und die Rettung alarmieren.« Entschlossen schob sie ihren massigen Leib aus dem kleinen Fahrzeug.
Mit einem Blick übersah Gerhard Hohl die Situation. Die junge Frau lag mit seltsam verdrehtem Hals auf der Straße. Auch das, was er in den beiden demolierten Autos sah, war entsetzlich. Der Fahrer des Sportwagens rührte sich nicht mehr. Sein Gesicht war unverletzt, aber die blauen Augen waren von dem Entsetzen der letzten Sekunden weit aufgerissen. Sein Blick starrte ins Leere. Aus seinem Mund lief ein dünner Blutfaden.
Da entdeckte Gerhard Hohl, daß sich in dem anderen Wagen etwas bewegte. Erschrocken zuckte er zusammen. Sollte etwa doch noch jemand überlebt haben?
Plötzlich vernahm er das leise Jaulen eines Hundes. Ein kalter Schauer lief ihm über seinen Rücken. Ausgerechnet ein Hund hatte diesen gräßlichen Unfall überlebt.
Mit gemischten Gefühlen starrte der Mann durch das unbeschädigte Fenster ins Wageninnere. Vorne saß der Fahrer, ein noch junger Mann. Er war angeschnallt, und sein Kopf lehnte an der Nackenstütze. Eigentlich machte er einen unverletzten Eindruck, aber sein Gesicht war wachsbleich.
Vergeblich versuchte Gerhard Hohl, die Fahrertür zu öffnen. Sie hatte sich durch den Aufprall verklemmt. Hier konnte nur noch die Feuerwehr mit der Blechschere helfen.
Sein Blick fiel nach hinten auf den Rücksitz. Große, fast schwarze Augen starrten ihn angstvoll an. Sie gehörten zu einem kleinen Jungen, der, da er noch immer angeschnallt war, anscheinend keinen körperlichen Schaden erlitten hatte. Neben ihm saß ein komisch anzusehender Hund, dem ebenfalls nichts passiert zu sein schien.
Fassungslos griff sich der ältere Mann an den Kopf. Das überstieg sein Begriffsvermögen. Hier hatte bestimmt ein Schutzengel seine Hände darübergehalten, anders konnte er sich das nicht erklären.
Während der Mann noch überlegte, wie er dem Jungen und dem Hund helfen könnte, hörte er schon das Horn des Rettungswagens. Erleichtert atmete er auf. Jetzt war die Hilfe nicht mehr weit.
Wie ein Verrückter riß er an der hinteren Tür, und endlich gelang es ihm, sie zu öffnen.
»Tut dir etwas weh, mein Junge?« fragte er heiser. Fast versagte ihm die Stimme vor innerer Anspannung.
Ulli schüttelte den Kopf, seine Lippen hatte er fest zusammengepreßt.
»Komm, dann werde ich euch beide erst einmal herausholen.« Er öffnete den Gurt und hob das Kind hoch. »Du auch, Hund, komm«, sagte er dann, als er Ulli in seinen Armen hielt.
Aber das Tier reagierte nicht, es winselte nur leise.
»Dann eben nicht.« Gerhard Hohl wollte das Kind zu seinem Wagen tragen. Aber plötzlich begann Ulli wild zu strampeln. »Timo muß mit. Was ist mit meinem Timo?«
»Ich hole ihn gleich, Junge. Aber zuerst muß ich dich in Sicherheit bringen.« Vorsichtig trug Gerhard Hohl das Kind zu seinem Auto, wo bereits seine Frau Luise wartete.
Sie schlug die Hände über dem Kopf zusammen. »Dem Jungen ist ja gar nichts geschehen«, rief sie fassungslos aus.
»Er war angeschnallt«, wurde sie von ihrem Mann unterrichtet. »Da siehst du es wieder, was das ausmacht.«
Liebevoll nahm Frau Hohl ihrem Mann das Kind ab und setzte es auf ihren Schoß. »Wie heißt du denn, Kleiner«, versuchte sie, den Jungen abzulenken.
Aber Ulli ging nicht darauf ein. »Holt er Timo?« wollte er wissen. Dann stemmte er plötzlich seine Arme gegen die freundliche Frau und zappelte wild. »Ich will zu meiner Mutti und meinem Vati. Du bist nicht meine Mutti«, rief er zornig.
Luise Hohl, die bisher in ihrem Leben wenig mit Kindern zu tun gehabt hatte, fühlte sich dieser