Neuer Terrorismus – Reale Bedrohung oder konstruiertes Forschungsparadigma?. Julia Klein

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Neuer Terrorismus – Reale Bedrohung oder konstruiertes Forschungsparadigma? - Julia Klein Wissenschaftliche Beiträge aus dem Tectum Verlag: Sozialwissenschaften

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2001 erkennen. Auffällig ist der Zusammenhang zwischen dem Ausmaß der Aufmerksamkeit für ein einzelnes Ereignis und der Verkündung einer evolutionären Veränderung des Terrorismus bzw. dem Verhalten der terroristischen Organisationen. Aber auch die Flexibilität, mit der der Begriff eingesetzt wird und situationsabhängig in veränderter Gestalt auftaucht, lässt Zweifel aufkommen, ob es sich beim Neuen Terrorismus um ein empirisch nachweisbares Phänomen handelt oder doch nur um die gezielte Rhetorik einzelner Akteure und die subjektive Wahrnehmung der Bevölkerung.

      Dieser Vorwurf einer gegenseitigen Abhängigkeit macht eine kritische Betrachtung vermeintlich wissenschaftlicher Erkenntnisse nötig, um die Objektivität der Ergebnisse zu überprüfen und zum anderen den Nutzen für politische Entscheider sicherzustellen. Zwar gibt es seit Anfang der neunziger Jahre, und vor allem seit dem 11. September 2001, einen umfassenden wissenschaftlichen Diskurs über die Existenz und Ausgestaltung eines „Neuen Terrorismus“, es gibt jedoch bis heute keine umfassende empirische Untersuchung, die die tatsächliche Entwicklung aller erwähnten Eigenschaften des „Neuen Terrorismus“ bei terroristischen Organisationen bestätigt oder widerlegt. Daraus resultiert das Erkenntnisinteresse der vorliegenden Dissertation: Herauszufinden, ob sich die Eigenschaften terroristischer Organisationen und terroristischer Anschläge quantitativ und qualitativ in einem Maß verändert haben, dass es gerechtfertigt erscheint, einen neuen Begriff in den wissenschaftliche Diskurs einzubringen, der die Entwicklung des Terrorismus in eine Zeit „davor“ und eine Zeit „danach“ teilt. Dabei wird vor allem dem Vorwurf einiger Autoren Rechnung getragen, die Akteuren mit einem besonderen Interesse eine gezielte Etablierung des Forschungsparadigmas unterstellen. Die vorliegende Arbeit erhebt den Anspruch, diese Forschungslücke einer fehlenden empirischen Untersuchung zu schließen, indem sie die tatsächlichen Entwicklungen im Verhalten terroristischer Organisationen mit den Eigenschaften aus dem Begriff des Neuen Terrorismus in einer Auswertung empirischer Daten vergleicht.

      Der vorliegenden Arbeit liegt im Zusammenhang mit dem wissenschaftlichen, medialen und politischen Diskurs um den Neuen Terrorismus eine Vermutung zugrunde, die eine genauere Betrachtung des Begriffs notwendig erscheinen lässt.

      Seit Beginn der neunziger Jahre hat es keine wesentlichen Veränderungen im Verhalten von terroristischen Organisationen gegeben, die zu einer erhöhten Bedrohungslage und somit zu einem Handlungsdruck im Bereich der Terrorismusbekämpfung geführt haben, wie es das Forschungsparadigma des Neuen Terrorismus darlegt.

      Aus dieser Vermutung lässt sich eine übergreifenden Fragestellungen ableiten, die aus theoretischen und empirischen Erkenntnissen heraus im Laufe der Arbeit beantwortet werden sollen. Die übergeordnete Fragestellung befasst sich mit der Existenz des Neuen Terrorismus und somit konkret mit dem Verhalten terroristischer Organisationen:

      Gibt oder gab es einen „Neuen Terrorismus“?

      In einem ersten Schritt stellt sich die Frage nach der Entwicklung des wissenschaftlichen, medialen und politischen Diskurses, der den Untersuchungsgegenstand „Neuer Terrorismus“ für den Fortgang der Arbeit definiert. Hierzu ergeben sich folgende Leitfragen, die im theoretischen Teil der Arbeit beantworten werden:

      L1. Welche Akteure sind an dem Diskurs um den Neuen Terrorismus beteiligt?

      L2. Welche Veränderungen, bzw. Eigenschaften von Anschlägen und im Verhalten terroristischer Organisationen fassen die Akteure unter dem Begriff „Neuer Terrorismus“ zusammen?

      L3. Welche Begründungen werden für die Veränderung im Verhalten terroristischer Organisationen angeführt?

      Demgegenüber steht die tatsächliche Entwicklung im Verhalten der terroristischen Organisationen. Im empirischen Teil der Untersuchung werden dazu folgende Fragestellungen zu beantworten sein:

      F1. Welche Veränderung im Verhalten terroristischer Organisationen hat es seit 1993 gegeben, bezogen auf die Eigenschaften, die im wissenschaftlichen Diskurs als die Eigenschaften des Neuen Terrorismus beschrieben werden?

      F2. Wie stark sind diese Veränderungen?

      F3. Wie neu sind die Eigenschaften?

      Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, die tatsächlichen Entwicklungen im Verhalten terroristischer Organisationen mit den Eigenschaften aus dem Begriff des Neuen Terrorismus in einer empirischen Datenauswertung zu vergleichen.

      Eine Forschungslücke besteht zum einem in fehlenden umfassenden empirischen Belegen zu den Eigenschaften des Neuen Terrorismus, die den Paradigmenwechsel in dem wissenschaftlichen Diskurs rechtfertigen würden. Zum anderen werden nur ansatzweise die Ursachen für die Veränderungen im Verhalten terroristischer Organisationen angesprochen. Eine ausführliche Betrachtung der Literatur zum Neuen Terrorismus erfolgt in Kapitel 2. Alter und Neuer Terrorismus im wissenschaftlichen, medialen und politischen Diskurs. Die nachfolgende Auflistung ist daher nur eine kurze Zusammenstellung der in diesem Kapitel erwähnten Autoren.

      Literatur zum Neuen Terrorismus

      Die Literatur zum Thema Neuer Terrorismus lässt sich inhaltlich in zwei Zeitabschnitte einteilen: vor dem 11. September 2001 und nach dem 11. September 2001. Die Literatur vor dem 11. September 2001 besteht hauptsächlich aus Artikeln eines noch beschränkten Autorenkreises, die das Aufkommen eines Neuen Terrorismus allgemein diskutieren (u.a. Laqueur 1996; Hoffman 1999; Simon/Benjamin 2000; Roy/Hoffman/Paz/Simon/Benjamin 2000; Crenshaw 2000; Hirschmann 2000), aber auch zu einzelnen Aspekten Stellung nehmen, wie „Religion“ (u.a. Ranstorp 2004; Hoffmann 1998–1999a), „Netwar“ und „Cyberwar“ (u.a. Hoffman 1998–1999b; Arquilla/Ronfeldt/Zanini 1999; Whine 1999) oder „Massenvernichtungswaffen“ (u.a. Hoffmann 2000).

      Nach den Anschlägen des 11. September 2001 hat sich der Autorenkreis quantitativ und geographisch erweitert, der sich in Artikeln für eine Entwicklung hin zu einem Neuen Terrorismus ausspricht (u.a. Bremer 2001; Simon/Benjamin 2001–2002; Cronin 2003; Simon 2003; Wilkinson 2003; Whine 2006; Jenkins 2006; Neumann 2009b). Unerschöpflich erscheint die Literatur zu den einzelnen Aspekten, wie z.B. „Selbstmordterrorismus“ (u.a. Bloom 2005a; Atran 2006; Crenshaw 2007), „Massenvernichtungswaffen“ (u.a. Stern 2001; Gurr/Cole 2005; Jenkins 2008) und „Religion“ (u.a. Stern 2003; Frayman 2006; Fine 2008). Auffällig ist die Konzentration auf islamistischen Terrorismus, Al Qaeda und Osama bin Laden in den Texten über Neuen Terrorismus, ohne jedoch auch diese Teilaspekte empirisch zu untermauern (u.a. Bremer 2001; Howard 2004; Simon 2003; Wilkinson 2003; Sageman 2004; Mockaitis 2008; Neumann 2009a/2009b). Neben einzelnen Artikeln finden sich nach dem 11. September 2001 auch Kapitel in Monographien und Aufsatzsammlungen (u.a. Howard 2004; Kraushaar 2006) und sogar ganze Bücher, die sich ausschließlich mit dem Thema als Monographie (u.a. Mockaitis 2008; Neumann 2009a) oder in Form von Artikelsammlungen (u.a. Tan/Ramakrishna 2002) beschäftigen. Aber keine dieser Arbeiten nutzt eine ausführliche empirische Untersuchung, um die Argumente für oder gegen einen Neuen Terrorismus zu belegen. Dies wird höchstens teilweise

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