Drache und Diamant. Barbara Cartland
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»Ist es möglich, daß ich mit ihm zusammentreffe?« fragte Stanton Ware.
Mannigfaltige Freude überlegte eine Weile, dann rief sie: »Warten Sie - ich habe eine Idee! Tseng-Wen, ein sehr einflußreicher, hier in Peking lebender Mandarin, ist ein enger Freund von Li Hung-Chang. Wann immer Li Hung-Chang der Kaiserin seine Aufwartung macht, stattet er seinem Freund einen Besuch ab.«
»Ich würde Tseng-Wen gerne kennenlernen«, meinte Stanton Ware.
»Sie werden ihn kennenlernen, denn er ist ein guter Freund von mir. Und was könnte mich glücklicher machen, als ein Bindeglied zwischen zwei mir lieben Menschen zu sein - zwischen Ihnen und ihm?«
»Wie kann ich Ihnen je danken?« fragte Stanton Ware leise.
»Was darf ich verlangen?« entgegnete Mannigfaltige Freude.
Sie schien ihm jetzt noch schöner zu sein als damals, als er sie kennenlernte und sie noch ein blutjunges Mädchen war.
Er streckte überschwenglich die Hände aus und erwiderte in typisch chinesischer Manier: »Alles, was ich besitze, gehört Ihnen!«
Sie ergriff mit beiden Händen seine Hand, drehte sie nach oben und berührte mit ihrer dunklen Stirn die Innenfläche.
Das Haus von Tseng-Wen war sehr eindrucksvoll, und Stanton Ware erkannte auf den ersten Blick, daß es einem reichen, bedeutenden Mann gehören mußte.
Er hatte den knielangen Brokatmantel angezogen, den die meisten Mandschus während der Wintermonate trugen.
Als Kopfbedeckung trug er den schwarzen Hut mit nach oben gebogener Krempe, den die Generäle und Staatsmänner bevorzugten.
Er hatte diese Verkleidung lediglich Tseng-Wen zuliebe gewählt, um es ihm zu ersparen, beim Empfang eines Ausländers beobachtet zu werden.
Obwohl der Einfluß der Boxer noch nicht bis Peking reichte, war auch hier - wie Stanton Ware auf Schritt und Tritt beobachten konnte - die fremdenfeindliche Stimmung offensichtlich.
Wenn er durch die Straßen der Stadt ging, schnappte er die abfälligen Bemerkungen der Passanten auf und konnte die Unterhaltung der Verkäufer, die nicht wußten, daß er Chinesisch verstand, verfolgen: »Wer bedient den fremden Teufel?« hieß es dann meist.
Man tuschelte und flüsterte bei seinem Erscheinen, was bei seinen früheren Besuchen in Peking nie der Fall gewesen war.
Es waren eigentlich immer nur Kleinigkeiten, doch Stanton Ware wußte, daß sie - zusammen gesehen - eine ständig wachsende Bedrohung für den Frieden waren, der wiederum eine unabdingbare Notwendigkeit für den Handel der fünf Westmächte in China war.
Der Handel wiederum war von lebenswichtiger Bedeutung für China, auch wenn die Kaiserin möglicherweise zu dumm war, um dies zu erkennen.
Die Befürchtungen, daß die fremden Einflüsse eine Bedrohung für das chinesische Kaiserreich darstellen könnten, waren nicht völlig unbegründet.
Doch es schien beinahe unmöglich, der Regierung in Peking klarzumachen, daß es das beste für China war, an den Errungenschaften des Westens zu partizipieren, das Eisenbahn- und Telegrafennetz auszubauen und moderne Kriegsschiffe und Waffen zu erwerben.
Stanton Ware hatte lange genug unter dem einfachen Volk des Fernen Osten gelebt, um seinen Glauben an magische Kräfte zu verstehen, die ihm die Angst nehmen und seine Armut lindern sollten.
Korruption und die wilden Ausschweifungen der Mächtigen in China saugten das Land aus. Sie schürten auch den unterschwelligen Haß derjenigen, die unter den übermäßig hohen Steuern zu leiden hatten. Würde dieser Haß einmal zum vollen Ausbruch kommen, würden Unglück und Zerstörung die Folge sein.
Über das Plakat, das im vergangenen Jahr in der Stadt Hien in der Provinz Chihli angeschlagen worden war, hatte Stanton Ware nicht mit dem britischen Gesandten gesprochen. Der Wortlaut dieses Plakats war:
Die Patrioten aller Provinzen, die erlebt haben, wie die Männer aus dem Westen in ihrem Verhalten alle Grenzen überschreiten, haben beschlossen, sich am fünfzehnten Tag des vierten Mondes zu versammeln und die Fremden zu töten und ihre Häuser niederzubrennen. Alle, deren Herzen nicht mit uns sind, sind Schurken und niederträchtige Weiber.
Weder in Peking noch in London hatte dieses Plakat viel Aufmerksamkeit erregt, als die Jesuiten-Missionare darüber berichteten.
Stanton Ware jedoch hatte erkannt, daß dies der Anfang war, und er wußte, daß die Boxer nur stärker geworden waren, weil man den Anfängen nicht gewehrt hatte.
Er hatte jedoch gehofft, daß es noch nicht zu spät war, um China zu retten. Doch schon bei seiner Ankunft hatte er erkannt, daß die Uhr abgelaufen war.
Ohne sich selbst schmeicheln zu wollen, sagte er sich, daß man ihn schon viel früher nach China hätte entsenden müssen.
Auf dem Weg zum Hause Tseng-Wens durchdachte er noch einmal alles, was er über Li Hung-Chang wußte, und er kam zu dem Schluß, daß der betagte Vizekönig der einzige war, der vielleicht noch helfen konnte.
Er betrat das Haus Tseng-Wens und spürte sofort, daß er erwartet wurde.
Man führte ihn durch einen mit winzigen Bäumen bepflanzten Hof in einen sehr großen, hohen Raum.
Jetzt im Winter war der Boden mit wunderschönen dicken Teppichen bedeckt; im Sommer würde man sie durch erlesen bemalte, geflochtene Bambusmatten ersetzen, die sauber und kühl waren.
Wertvolle Zeichnungen und Gemälde, die Stanton Ware gern näher studiert hätte, schmückten die Wände neben einer kostbaren Jade-Sammlung.
Schließlich wurde die Tür geöffnet, und ein alter Herr mit grauem Bart betrat den Raum.
Stanton Ware, der gewohnt war, einen Menschen auf den ersten Blick hin zu beurteilen, erkannte sofort, daß er diesen Mann schätzen würde und daß er ihm vertrauen konnte.
Da es im Fernen Osten verpönt ist, Eile an den Tag zu legen, erwiesen sie sich zunächst durch mehrere Verbeugungen ihre gegenseitige Verehrung.
Dann wischte der Mandarin mit dem Ärmel seines seidenen Gewandes über den zweifellos fleckenlosen Stuhl, auf dem Stanton Ware Platz nehmen sollte. Stanton Ware erwiderte diese Geste, indem er ebenfalls den Stuhl seines Gastgebers säuberte.
Dann verbeugten sie sich erneut voreinander und nahmen schließlich ihre Plätze ein.
Ein Diener brachte Wein und die traditionellen köstlichen Süßigkeiten. Er servierte sie auf Porzellantellern, die von solch erlesener Schönheit waren, daß Stanton Ware sich kaum bezwingen konnte, seiner Bewunderung nicht Ausdruck zu geben.
Er wußte jedoch, daß man das als Unhöflichkeit betrachten würde, und so wartete er, daß Tseng-Wen zu sprechen begann.
Sein altes Gesicht war traurig und sorgenvoll, tiefe Furchen lagen unter seinen Augen.
»Sie sind zu einem traurigen Zeitpunkt gekommen, mein Sohn«, begann er langsam. »Mein Herz ist voller Sorge um die Zukunft unseres Landes. Uns stehen dunkle Zeiten bevor, doch meine Freundin aus dem ,Haus der tausend Freuden'