Der Klangmeister Rudolf Tutz. Группа авторов

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Der Klangmeister Rudolf Tutz - Группа авторов страница 7

Der Klangmeister Rudolf Tutz - Группа авторов

Скачать книгу

von Nikolaus Harnoncourt

      an Rudolf Tutz, 5. August 2011)

      Bei Rudolf Tutz, 59, heißt es Vorsicht. Er kommt wie ein lieber Spinner um die Ecke, Idealverschnitt von Johann Strauss und Albert Einstein. Die lockige Mähne, der Schnauzer, das bissl Mollige, auch die Art zu reden signalisieren: ein Engel, unendlich weichherzig, schützenswert. Auch die künstlerischen Sprechpausen täuschen. Sie sind meist Vorbereitungen für verbale Einkesselungen und überraschende Finten.

      Es freut ihn, wenn viele Wissende seine historischen Blasinstrumente für die besten der Welt halten. Aber wenn einer gar zu überschwänglich wird, befreit sich Tutz mit irrlichternden Scherzen, die er mit großen ernsten Augen vorträgt. Beispielsweise: „Ich pendle jedes der Löcher meiner Flöten aus.“ Sein Witz macht vor berühmten Musikern nicht Halt. Einen großen Flötisten, der um die Feinabstimmung seines Instruments bat, schickte er in die Ecke zum Üben. Sie mögen ihn und hören auf ihn, auch die großen Dirigenten. Ein Herr Gardiner findet noch zwei Logenplätze, wenn Herr Tutz zufällig in der völlig ausverkauften Semperoper in Dresden auftaucht. Und mit Nikolaus Harnoncourt verbindet ihn der freundschaftliche Respekt, den Profis füreinander empfinden. Ihr gemeinsames Anliegen: die höchstklassige Wiederfindung historischer Musik.

      Tutz und sein Team (vier Mitarbeiter und sein in alle Geheimnisse eingeweihter Sohn) sind nicht nur erstklassige Handwerker. Tutz selbst ist vor allem Innovator. Er entwickelte die Mozart-Bassettklarinette für Prof. Hans Deinzer, Erstaufführung 1973, und Prof. Wolfgang Meyer, der damit 1999 im Großen Musikvereinssaal in Wien eine Konzert- und CD-Produktion unter Harnoncourt machte. Für Barthold Kuijken (Belgien) entwickelte er die historische Schubertflöte, für den Philharmoniker Walter Lehmayer Englischhorn und Wiener Oboe.

      Tutz hält das Weltpatent für das variable Tonloch bei Holzblasinstrumenten. Wie einige andere Patente lässt er es auslaufen. Es kostet viel und ist im Prinzip „so unnötig, wie ein Patent, auf den Mount Everest zu gehen, das kann eh keiner perfekt nachmachen“. Der heutige internationale Rang von Tutz ist weit von den Anfängen entfernt. 1963 übernahm er von Vater Rudolf den Betrieb, ganz am Anfang der Tutz-Linie stand Uropa Anton, wie Rudolf ein Fabrikant und Servicemann der Tiroler Blasmusik.

      Der Chef selbst „würde nie was anschaffen, was ich selbst nicht kann“, kann also alles, dürfte aber mit seiner Leidenschaft für die Barockmusik und als „Stimmer“ für europäische Spitzenmusiker ziemlich ausgelastet sein. Exportiert wird in 25 Länder, regelmäßig ausgestellt in Paris, London, Berlin, Frankfurt, Rom und Wien.

      Die Frage, ob er durch seine weltweite Sonderstellung nicht auch Aufträge ablehnen müsse, beantwortet Rudolf Tutz wie folgt, wobei seine Augen unendlich ernst, beinahe todtraurig blitzen: „Ich weise niemand ab, der Kunde stirbt in der Lieferfrist.“

Illustration

      Linde Brunmayr-Tutz und Rudolf Tutz, Foto: privat

      _________________________________

       Die Nachfolge

      RUDI TUTZ JUN. IM INTERVIEW MIT INES ZIMMERMANN

       I. Z.: Stand es immer fest, dass du den Betrieb übernehmen würdest?

Illustration

      Rudolf Tutz jun., Foto: privat

      Rudi Tutz: Nein, überhaupt nicht. Zunächst habe ich angefangen, Architektur zu studieren. Doch nach dem Tod der Mutter brauchte mein Vater Hilfe im Betrieb. Ich brach das Studium ab, machte die Ausbildung über den zweiten Bildungsweg und legte die Meisterprüfung ab. Von Anfang an habe ich mich auf den Bau historischer Instrumente konzentriert und baue heute mit zwei Mitarbeitern in Teilzeit vorwiegend Klarinetten und Traversflöten. Wir haben sehr viele Aufträge für Klarinetten, vom Chalumeau bis zur romantischen Klarinette.

      Weder von der Vater- noch der Mutterseite war zuvor die Nachfolge jemals thematisiert worden und ich empfand keinen Druck. Trotzdem glaube ich, dass es meinen Vater freute, als ich dazu kam. Für mich war der Einstieg ins Geschäft im Rückspiegel gesehen die viel interessantere und passendere Arbeit als mein ursprünglicher Wunsch, Architekt zu werden. So habe ich viel mehr Freiheit und weniger Sachzwänge. Instrumentenbau vereinigt so viele Talente, dass man ganz verschiedene Sachen daraus machen kann. Bei der Architektur sind Entwurf und Design höchstens zehn Prozent der Arbeit. Und dann kommen Emotionen, Geld, Auflagen, Neid, Politik und was weiß ich dazu. Noch dazu sitzt man den ganzen Tag vor dem Computer. Nichts für mich.

      Von Anfang an habe ich das Geschäft unabhängig von der Arbeit meines Vaters in eine Richtung entwickeln können, die mir lag. Schon zu seinen Lebzeiten richtete ich die Firma auf den Instrumentenbau aus. Als meine Mutter noch lebte, managte sie das Geschäft. Wir hatten acht Angestellte und bedienten den Handel und den Orchesterservice, doch der Strukturwandel in der Branche war schon deutlich zu spüren; mit Handel und Reparaturen war kaum mehr Geld zu verdienen, die Internetkonkurrenz und die Euroumstellung taten ein Übriges. Der Instrumentenbau, der stets das Hobby meines Vaters gewesen war, das er abends und am Wochenende betrieb, wurde so zu unserem Hauptgeschäft.

       I. Z.: Was magst du über Deine Erfahrung, von Deinem Vater zu lernen, erzählen?

      R. T.: In unserem Betrieb gab es viele gute Mitarbeiter, die wie ich angehalten wurden, selbstständig zu arbeiten: Das Resultat dieser Arbeit wurde vom Vater beurteilt und manchmal auch kritisiert.

      Für ihn war das Resultat das alles Entscheidende. Auf welchem Weg man dahin gekommen war, war nicht so wichtig. Mein Vater hat mir Dinge ganz kurz gezeigt: „Schau, so mache ich’s“, sagte er, und dann hieß es: „Jeder, wie er will.“ Und wenn ich manchmal gefragt habe „Wie macht man es am besten?“, war die Antwort oft: „Ich weiß es selber nicht.“ Eigentlich stimmt das. Es ist eine fast buddhistische Herangehensweise.

       I. Z.: Das klingt antiautoritär.

      R. T.: Das war es auf jeden Fall. Mein Vater hat so gut wie nie jemandem etwas vorgeschrieben. Und was auch noch positiv war, war seine Bereitschaft, jederzeit alles anders zu machen. Das kam bei ihm öfters vor und meist wurde es dann sehr gut. Für mich bedeutete, nicht zu einer Struktur gezwungen zu werden, kreativen Freiraum.

      Und diese Denkweise habe ich beibehalten: Ich produziere nie viel vorher, habe eine kurze Warteliste und komme damit gut zurecht. So bin ich flexibel, Neues sofort umzusetzen.

       I. Z.: Glaubst du, dein Vater hat dich bewusst so im Unklaren gelassen, damit du die Chance hast, dich aus dir selbst zu entwickeln?

      R. T.: Nein, so hat er nicht gedacht. Mein Vater war ein Künstler und bildhauerisch außergewöhnlich begabt. Die Qualität seiner Schnitzereien verschlägt einem den Atem, sie sind wunderschön.

Illustration

      Rudolf (III) Tutz, Fuchs, Schnitzarbeit (1956), Foto: Daniel Jarosch

      Und dabei war er noch unglaublich schnell. Einmal hat er zwei reich verzierte Gahn-Flöten an einem Tag gebaut, die Köpfe am Nachmittag geschnitzt – jeder andere hätte dafür eine Woche gebraucht und das Ergebnis wäre lange nicht so schön.

Скачать книгу