Lockdown: Das Anhalten der Welt. Fritz B. Simon

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Lockdown: Das Anhalten der Welt - Fritz B. Simon Systemische Horizonte

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spielt man letztlich wieder nur Wirtschaft und Politik oder gleich den Klassiker Wirtschaft und Gesellschaft.

      Wenn sich der Staat aber als zumindest vorrangig politische Organisation definiert, dann kann er mit Blick auf seine eigene Wirtschaftsmanie auch zum Schluss kommen, dass ihm Geld und mithin Wirtschaft nur ein Mittel zum Zweck ist, und sich nach Alternativen umsehen. So könnte er sich ganz entspannt darauf besinnen, dass es sich wie einst ganz gut mit Religion regieren ließe oder in einer nicht ganz fernen Zukunft auch schwerpunktmäßig mit Gesundheit. Ein Schuft, wer Arges dabei denkt.

      Wer sich dennoch unbehaglich fühlt bei dem Gedanken an Zustände, die Heiko Kleve unlängst provokativ als Gesundheitsdiktatur bezeichnet hat, der bewertet die Autonomie und Sperrigkeit, die sich die Wirtschaft in der jahrhundertelangen Auseinandersetzung mit der Politik erhalten hat, sicher neu. Eine Politik und eine politische Theorie, die die Politisierung nicht nur der Wirtschaft, sondern auch aller anderen Funktionssysteme thematisiert und relativiert, ist demnach das Gebot auch dieser Stunde.

       »Pakt für Nachhaltigkeit«: Grüne fordern Milliarden für die Wirtschaft

       ntv, 2. Mai 2020

       BDI: Wirtschaftsverbände fordern Ende der Corona-Beschränkungen

       ZEIT ONLINE, 2. Mai 2020

       Wirtschaft fordert einen klaren Exit-Fahrplan von der Regierung

       Handelsblatt, 4. Mai 2020

       As Trump Pushes to Reopen, Government Sees Virus Toll Nearly Doubling

       New York Times, 5. Mai 2020

       Hope and Worry Mingle as Countries Relax Coronavirus Lockdowns

       New York Times, 5. Mai 2020

      4Vom Für und Wider der Politisierung bzw. Ökonomisierung zur Staatskritik

       von Heiko Kleve

       5. Mai 2020

      Beide Kontrahenten, Fritz B. Simon und Steffen Roth, haben sich in ihren Positionen ausdifferenziert. Sie kommen nicht zusammen, sie bleiben ihren Perspektiven treu. Leider haben sie bisher meine angemahnte Konkretisierungsforderung nicht aufgegriffen, wie denn nun etwa Organisationen, die selbst nicht der klassischen Realwirtschaft zugeordnet werden können, finanziert werden sollten. Vielleicht können wir im weiteren Diskurs dazu Beispiele sammeln, um von der gesellschaftstheoretischen auf die alltagspraktische Ebene überzuwechseln.

      Zunächst bleibt festzuhalten: Während Simon die Politik als Schiedsrichter im gesellschaftlichen Spiel der Funktionssysteme versteht, kontert Roth, dass diese Systeme keinem gemeinsamen Spiel folgen, sondern ihren je eigenen Regeln gehorchen. Daher kann es keine politische Metastrategie geben, die interesselos, neutral oder allparteilich im »Kampf« der Partialinteressen für Ausgleich sorgt. Denn der Staat als »Selbstbeschreibung der Politik« oder als politische Organisation ist selbst interessengeladen unterwegs. Es geht ihm um Macht, um die Monopolisierung der Gewalt, um die Durchsetzung kollektiv bindender Entscheidungen sowie um die Sanktion derjenigen, die diese nicht anerkennen.

      Genau an dieser Stelle laden wir einen Protagonisten ein, der mit seinem Zwischenruf die interessengeladene Perspektive des Staates noch deutlicher markiert: Dr. Stefan Blankertz. Mit ihm greift ein Sozialwissenschaftler, Philosoph und Romancier in den Diskurs ein, dessen Perspektive als libertär bezeichnet werden kann. Der Libertarismus könnte wohl als eine Form der Dekonstruktion des Staates und seiner Legitimationsideologien bewertet werden. So erscheint es passend, dass Stefan Blankertz Gründer und Betreiber des Murray-Rothbard-Instituts für Ideologiekritik ist.

      Hat die Wirtschaft die Politik übernommen?

       von Stefan Blankertz

      Jedes Handeln hat einen ökonomischen Aspekt, denn jedes Handeln nutzt Ressourcen (selbst das Denken verbraucht Zeit). So ist es keine Zumutung, staatliches Handeln unter ökonomischen Gesichtspunkten anzuschauen. Vielmehr gibt es gar keine Möglichkeit, über es nachzudenken, ohne dabei auch ökonomische Gesichtspunkte zu berühren. Die Ökonomie des Staats unterliegt aufgrund seines Gewaltcharakters Besonderheiten. Der Staat erhält die Ressourcen nicht wie jede andere gesellschaftliche Organisation im direkten und freien Austausch. Vielmehr enteignet er die produktiv Tätigen (Einzelpersonen, Firmen usw.) und nutzt die so gewonnenen Ressourcen. Einerseits nutzt er sie zur eigenen Erhaltung. In entwickelten Staaten geht ein Großteil der Ressourcen andererseits an ausgewählte gesellschaftliche Organisationen (zum Beispiel Firmen), die ihm das im Gegenzug mit Loyalität danken.

      Steffen Roth formuliert treffend, dass der »Staat seine Marktmacht ausspielt, um neben Soldaten und Polizisten auch Lehrer, Wissenschaftler, Richter, Priester und Theaterdirektoren mit Geld politisch auf Kurs zu bringen«. Diese so privilegierten gesellschaftlichen Organisationen stehen dem Staat zwar unisono loyal gegenüber, aber untereinander konkurrieren sie heftig um ihren Anteil an den Ressourcen. Aus den gesellschaftlichen Organisationen werden Interessengruppen, die sich nicht mehr nur durch das Bestreben erhalten, den Handlungspartnern (zum Beispiel Kunden) das von diesen Gewünschte zu liefern, vielmehr darüber hinaus Zugang zu öffentlichen Mitteln haben und sich ein Stück weit entfernen können von der Zustimmung der sie konstituierenden Personen. Das Gerangel der Interessengruppen ist das, was man landläufig als »Politik« bezeichnet.

      Durch das Gerangel der Interessengruppen gerät die Politik an zwei heikle Punkte. Zum einen hat die Enteignung der Produktiven eine (negative) Wirkung auf die Produktivität. Der Grad an Enteignung kann nicht unbegrenzt gesteigert werden, um allen Forderungen der Interessengruppen nachzukommen. Zum anderen ist das ökonomische Abwägen, welchen Forderungen nachzukommen sei, mit schweren Verlusten an Legitimation dort verbunden, wo Forderungen abgewiesen werden oder sogar eine Verringerung der Zuwendungen droht. Dies ist die spezifische politische Ökonomie staatlicher Herrschaft. Während der Corona-Pandemie etwa war immer wieder die Rede davon, das Gesundheitswesen in dem einen oder anderen schwer betroffenen Land sei »totgespart« geworden. Da in keinem der Länder eine Reduzierung der Quote des Staats am Bruttosozialprodukt stattgefunden hat, bedeutet dies nur eins: Finanzmittel sind nicht in dem Maße ins Gesundheitswesen geflossen, wie es dessen Vertreter gern gesehen hätten, sondern anderen Interessengruppen zugutegekommen. Da die Gesundheitskosten in den letzten Jahrzehnten überall drastisch gestiegen sind, heißt »totgespart« nicht einmal, dass der Anteil des ökonomischen Wohlstandes, der für das Gesundheitswesen aufgewendet wurde, tatsächlich gesunken ist, sondern sich nur nicht im gewünschten Maße steigern ließ.

      Die Interessengruppen – wie die Vertreter der Krankenkassen oder der Ärzte, der Arbeitgeber oder der Gewerkschaften usw. – erobern nicht den Staat und üben ungebührlichen Einfluss auf ihn aus, sondern sie sind ihrerseits vom Staat geschaffen. Die Klage über den ungebührlichen Einfluss von bestimmten Interessengruppen ist immer ein Teil des Machtkampfes zwischen den Interessengruppen: Es klagt eine Interessengruppe, die andere Interessengruppe habe zu viel Einfluss. Fritz B. Simon zählt einige der Interessengruppen auf, die der Staat finanziert: »Er bezahlt Lehrer und Wissenschaftler, Richter und Polizisten, Krankenhausärzte und Gesundheitsämter, Theater- und Museumsdirektoren, ja, sogar die Finanzierung der Kirchen sichert er.« Zwar lässt Simon offen, welche Interessengruppen durch den Staat seiner Meinung nach legitim zu bedienen seien, jedoch bemängelt er auf

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