Die Löwenskölds - Romantrilogie. Selma Lagerlöf
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Читать онлайн книгу Die Löwenskölds - Romantrilogie - Selma Lagerlöf страница 27
Frau Beate war in großer Sorge gewesen, ob Karl Artur auch rechtzeitig zum Fest erscheinen werde, und sie war überglücklich, als seine Ankunft gemeldet wurde.
Rasch eilte sie zu ihm.
Aber Karl Artur begrüßte sie mit strengem Blick. Er schien nicht zu sehen, daß sie ihm die Arme entgegenstreckte. Ja, er machte nicht einmal Miene, sie zu begrüßen.
»Was geht hier vor?« fragte er. »Wozu ist gerade heute die ganze Stadt hierher eingeladen?«
Da war keine Rede mehr von »geliebten Eltern«. Karl Artur bezeigte nicht die geringste Freude über das Wiedersehen mit seiner Mutter.
»Ich dachte mir, wir wollten eine kleine Feier haben, nun du das schreckliche Examen hinter dir hast«, sagte Frau Beate.
»Du hast wohl gar nicht mit in Rechnung gezogen, daß ich auch durchfallen könnte«, versetzte Karl Artur. »Aber ich bin tatsächlich durchgefallen.«
Die Frau Oberst stand ganz bestürzt da.
Nein, der Gedanke, Karl Artur könnte durchfallen, wäre ihr allerdings niemals in den Sinn gekommen.
»An und für sich hat es auch gar nichts zu sagen«, fuhr Karl Artur fort. »Aber braucht es denn gleich die ganze Stadt zu wissen? Du hast wohl alle die Leute eingeladen, Mama, um meine Triumphe zu feiern?«
Die Frau Oberst stand noch immer wie aus den Wolken gefallen da.
Seht, sie kannte ja die Karlstädter! Diese hielten Fleiß und Sparsamkeit wohl für große Vorzüge bei einem Studenten, aber es war ihnen nicht genug. Sie erwarteten auch Preise von der schwedischen Akademie und Disputationen, die so glänzend waren, daß alle die alten Professoren unter ihren Bärten erbleichten. Die Karlstädter erwarteten geistreiche Improvisationen bei den Nationalfesten und Einladungen in die literarischen Kreise, zu Professor Geijer oder zu dem Landeshauptmann von Krämer oder zu der Frau Oberst Silfverstolpe.
So faßten die Karlstädter es auf; aber in Karl Arturs bisheriger Laufbahn hatten sie noch nichts von Glanz und Auszeichnung entdecken können, was seine hervorragende Begabung bewiesen hätte. Ja, das vermißten die Leute. Frau Beate wußte es nur allzu gut, und wenn nun Karl Artur endlich eine Probe seiner Kenntnisse abgelegt hatte, so meinte sie, es könne nichts schaden, wenn man etwas Klimbim darüber machte.
Aber daß Karl Artur durchfallen könne, damit hatte sie freilich nicht gerechnet.
»Niemand weiß etwas Bestimmtes«, sagte sie endlich nachdenklich. »Niemand außer den Leuten im Hause. Die andern haben nur gehört, es handle sich um eine freudige Überraschung.«
»Dann mußt du dir nun eine solche ausdenken, Mama«, versetzte Karl Artur. »Ich will jetzt auf mein Zimmer gehen und komme nicht zu Tisch herunter. Nicht, daß ich mir einbildete, die Karlstädter nähmen es besonders tragisch, daß ich durchgefallen bin; aber ich will ihr Mitleid nicht sehen.«
»Aber was sage ich nur den Leuten?« klagte die Frau Oberst.
»Das überlasse ich ganz dir, Mama«, erwiderte Karl Artur. »Ich gehe jetzt hinauf. Die Gäste brauchen ja nicht zu wissen, daß ich da bin.«
Aber dies war doch zu schmerzlich und ganz unmöglich. Da sollte die Frau Oberst an der Tafel sitzen und geistreich sein, und dabei sollte sie denken müssen, daß ihr Sohn nun traurig und verstimmt in seiner Stube hockte. Sie sollte ihre Augen nicht an ihm weiden dürfen – nein, das war zu bitter für die Frau Oberst.
»Liebster Karl Artur, du mußt zum Essen herunterkommen. Es fällt mir schon noch etwas ein.«
»Was wird dir denn einfallen?«
»Das weiß ich jetzt noch nicht. – Doch, nun hab’ ich’s! Du wirst ganz zufrieden sein. Es soll kein Mensch auf den Gedanken kommen, das Fest sei deinetwegen angeordnet worden. Versprich mir nun, daß du dich gleich umziehst und herunterkommst.« –
Es war ein durchaus gelungenes Fest. Unter all den vielen glänzenden und wohlgelungenen Festen im Hause Ekenstedt war dies eines der erinnerungswürdigsten.
Beim Braten, als der Champagner herumgereicht wurde, kam auch wirklich die Überraschung. Der Herr Oberst erhob sich und bat die Versammelten, mit ihm auf das Wohl des Leutnants Sten Arcker und seiner Tochter Eva zu trinken, deren Verlobung er hiermit bekanntmachen wolle.
Das gab einen Jubel!
Der Leutnant Arcker war ein armer Kerl, ohne viel Aussichten auf Beförderung. Man wußte allerdings, daß er schon lange für Eva Ekenstedt geschwärmt hatte, und weil die Töchter Ekenstedt wenig Bewunderer aufzählen konnten, hatte sich die ganze Stadt lebhaft für die Sache interessiert. Aber man hatte immer geglaubt, die Frau Oberst werde dem Leutnant einen Korb geben.
Später sickerte es allerdings doch durch, wie das mit der Veröffentlichung zusammenhing. Aha, die Frau Oberst hatte die Verlobung zwischen Eva und Arcker nur zugegeben, damit niemand merken sollte, daß die den Gästen ursprünglich zugedachte Überraschung ins Wasser gefallen war!
Aber da war niemand, der die Frau Oberst darum weniger bewundert hätte. Im Gegenteil! Man sagte nur, niemand verstünde es besser, sich schweren und überraschenden Lebenslagen anzupassen als die Frau Oberst Ekenstedt.
2
Wenn sich jemand etwas gegen die Frau Oberst Ekenstedt hatte zuschulden kommen lassen, so erwartete diese stets, daß der Missetäter kommen und sie um Verzeihung bitten werde. Wenn diese Zeremonie überstanden war, dann vergab sie alles von ganzem Herzen und war nachher ebenso freundlich und zutraulich wie zuvor.
Während der ganzen Weihnachtsfeiertage hoffte sie, Karl Artur werde sie um Verzeihung bitten, weil er an jenem Festabend, an dem er von Uppsala gekommen war, so hart mit ihr geredet hatte. Sie fand es ja verständlich, daß er sich in der ersten Hitze hatte hinreißen lassen; aber sie konnte nicht begreifen, daß er sein Unrecht gar nicht einzusehen schien, obwohl er inzwischen Zeit genug zum Nachdenken gehabt hatte.
Aber Karl Artur ließ die Weihnachtsfeiertage vorübergehen, ohne ein Wort des Bedauerns oder der Reue zu äußern. Er unterhielt sich wie gewöhnlich mit Einladungen und Schlittenpartien und war daheim liebenswürdig und aufmerksam. Aber er sagte die paar Worte nicht, auf die Frau Beate wartete. Unbemerkt von den anderen richtete sich eine unsichtbare Mauer zwischen Mutter und Sohn auf, und so kamen sie einander nicht mehr richtig nahe. Mangel an Liebe oder zärtlichen Reden war auf keiner Seite zu bemerken, aber das trennende Etwas war dennoch vorhanden.
Als Karl Artur wieder nach Uppsala zurückgekehrt war, hatte er nur noch den einen Gedanken, seine Niederlage wieder gutzumachen. Wenn die Frau Oberst eine schriftliche Abbitte erwartet hatte, so sah sie sich getäuscht. Karl Artur schrieb nur noch über seine lateinischen Studien. Jetzt hatte er bei zwei Dozenten lateinische Vorlesungen belegt, ging auch Tag für Tag in die Hörsäle und war außerdem noch Mitglied eines Vereins, in dem man sich in lateinischen Disputationen und im Reden übte.
Er schrieb die hoffnungsvollsten Briefe heim, und die Frau Oberst antwortete in dem gleichen Geist. Aber dennoch war sie seinetwegen ängstlich. Er war unartig gegen seine Mutter gewesen und hatte sie nicht um Verzeihung gebeten. Dafür blieb doch