Die Löwenskölds - Romantrilogie. Selma Lagerlöf

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Die Löwenskölds - Romantrilogie - Selma Lagerlöf

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Baron Adrian tot?« fragte die Jungfer.

      »Nein, er ist nicht tot«, antwortete der Baron, »aber sage Sie uns zuerst, wo Sie gewesen ist.«

      Jungfer Spaak konnte kaum sprechen, so atemlos war sie; sie berichtete aber doch von dem Auftrag, den Marit ihr gegeben hatte, und daß es ihr geglückt war, wenigstens ein Stück von den Sachen durch ein Mauseloch in das Grabgewölbe hinunterzuschaffen.

      »Das ist außerordentlich merkwürdig, Jungfer Spaak«, sagte der Baron, »denn Adrian geht es wirklich besser. Vor einer Weile ist er aufgewacht, und sein erstes Wort war: ›Jetzt hat der General den Ring bekommen!‹«

      »Sein Herz schlägt wieder wie gewöhnlich«, fuhr die Baronin fort, »und er will durchaus mit Jungfer Spaak reden. Er sagt, sie habe ihn gerettet.«

      Sie ließen die Jungfer Spaak allein zu Adrian hinaufgehen. Er saß aufrecht im Bett und breitete die Arme aus, als er sie erblickte.

      »Ich weiß es, ich weiß es schon!« rief er. »Der General hat seinen Ring bekommen, und das haben wir der Jungfer zu verdanken.«

      Jungfer Spaak lachte und weinte, als sie in seinen Armen lag, und er küßte sie auf die Stirn.

      »Jungfer Spaak, ich verdanke Ihr mein Leben«, sagte er. »Ich wäre in diesem Augenblick eine Leiche, wenn Sie nicht gewesen wäre. Man kann Ihr nie dankbar genug dafür sein.«

      Das Entzücken, womit der junge Mann sie begrüßte, hatte die arme Jungfer Spaak vielleicht dazu gebracht, allzulange in seinen Armen zu liegen.

      Und er beeilte sich, hinzuzufügen: »Und nicht ich allein danke der Jungfer, auch noch jemand anders tut es.« Er zeigte ihr ein Medaillon, das er an einer Kette um den Hals trug. Jungfer Spaak unterschied undeutlich das Miniaturporträt eines jungen Mädchens. »Jungfer Spaak ist nächst meinen Eltern die erste, die es erfährt. Wenn sie in einigen Wochen nach Hedeby kommt, dann wird sie der Jungfer noch besser danken, als ich es jetzt kann.«

      Und Jungfer Spaak verneigte sich vor dem jungen Baron zum Dank für sein Vertrauen. Sie hätte ihm eigentlich sagen wollen, sie habe nicht die Absicht, auf Hedeby zu bleiben, um seine Braut zu begrüßen, besann sich aber noch zu rechter Zeit. Ein junges Mädchen muß sich hüten, eine gute Stelle zu verscherzen.

Charlotte Löwensköld

      Die Frau Oberst

      1

      In Karlstadt lebte vorzeiten eine Frau Oberst namens Beate Ekenstedt.

      Sie war aus dem Geschlechte Löwensköld von Hedeby und folglich eine geborene Freiin; sie war sehr liebenswürdig und sehr hübsch und sehr gebildet, und sie konnte Gedichte machen, die genauso ausgezeichnet waren wie die von Frau Lenngren.

      Sie war klein von Gestalt, hatte aber eine sehr gute Haltung wie alle Löwenskölds. Dabei hatte sie ein höchst interessantes Gesicht und wußte jedermann schöne und angenehme Dinge zu sagen. Über ihrer ganzen Erscheinung lag ein romantischer Schimmer, und wer sie einmal gesehen hatte, konnte sie nie wieder vergessen.

      Frau Beate Ekenstedt war immer ausgesucht gut gekleidet und auch stets auffallend schön frisiert; wo sie auch hinkam, immer hatte sie die schönste Brosche und das geschmackvollste Armband und den strahlendsten Brillantring. Sie hatte auch die kleinsten Füße, die ein Mensch haben kann, und ob es nun Mode war oder nicht, so trug sie doch jederzeit kleine Goldbrokatschuhe mit hohen Hacken.

      Frau Beate Ekenstedt wohnte im vornehmsten Haus in Karlstadt, und das lag nicht zwischen den anderen Häusern in engen Gassen, sondern am Ufer des Klarelfs, so daß die Frau Oberst von ihrem eigenen kleinen Zimmer aus auf den Fluß hinaussehen konnte. Sie pflegte auch zu berichten, daß sie in einer Nacht, als heller Mondschein auf dem Flusse lag, dicht unter ihren Fenstern den Neck auf einem Stein sitzen und auf seiner goldenen Harfe habe spielen sehen. Und niemand kam es auch nur in den Sinn, daran zu zweifeln, daß sie richtig gesehen hatte. Warum sollte auch der Neck nicht ebensogut, wie so viele andere, der Frau Oberst Ekenstedt ein Ständchen darbringen wollen?

      Alle vornehmen Reisenden, die nach Karlstadt kamen, pflegten Frau Beate Ekenstedt ihre Aufwartung zu machen. Sie waren auch sofort ganz begeistert von ihr und meinten, es sei doch hart für sie, in einer solchen Kleinstadt begraben zu sein. Es ging das Gerücht, Bischof Tegnér habe Frau Beate besungen, und der Kronprinz habe gesagt, sie besitze den Charme einer Französin. Ja, und sogar General von Essen sowie noch andere aus der Zeit Gustavs III. mußten zugeben, daß die Festessen bei Frau Oberst Ekenstedt unvergleichlich gewesen seien, sowohl hinsichtlich der Speisen wie der Bedienung und der Unterhaltung.

      Frau Beate Ekenstedt hatte zwei Töchter, Eva und Jacquette. Es waren nette und liebe Mädchen, und sie würden in der ganzen Welt bewundert und umschwärmt gewesen sein; in Karlstadt jedoch hatte niemand Augen für sie. Hier wurden sie von ihrer Mutter gänzlich in den Schatten gestellt. Wenn sie auf einem Ball erschienen, so liefen sich die jungen Herren die Beine ab um einen Tanz mit der Mutter; Eva und Jacquette aber saßen als Mauerblümchen an den Wänden, und wie schon gesagt, brachte nicht nur der Neck vor dem Ekenstedtschen Hause Ständchen, doch niemals sang jemand unter dem Fenster der Töchter, sondern nur immer unter dem der Frau Oberst. Junge Poeten machten Gedichte an B. E.; aber keinem fiel es ein, auch nur ein paar Strophen an E. E. oder J. E. zusammenzuschmieden. Böse Zungen behaupteten, ein Leutnant habe einmal um die kleine Eva Ekenstedt angehalten, aber einen Korb bekommen, weil die Frau Oberst meinte, er habe einen schlechten Geschmack.

      Die Frau Oberst hatte auch einen Oberst, einen prächtigen, tüchtigen Mann, der überall, wohin er gekommen wäre, die größte Wertschätzung gefunden hätte, ausgenommen in Karlstadt. In Karlstadt verglich man den Herrn Oberst mit der Frau Oberst, und wenn man ihn an der Seite seiner Frau sah, die so strahlend, so ungewöhnlich, so reich an Einfällen, so prickelnd lebhaft war, dann meinte man, er sehe aus wie ein Dorfschulze. Die Gäste in seinem Hause hörten kaum hin, wenn er etwas sagte; es war, als sähe ihn überhaupt niemand. Davon war indes keine Rede, daß die Frau Oberst auch nur einem von all den Herren, die sie umschwärmten, die kleinste unziemliche Annäherung gestattet hätte. Ihr Wandel war ohne Tadel; aber ihren Mann aus seinem vergessenen Winkel hervorzuziehen, daran dachte sie allerdings nie. Sie glaubte wohl, es sei ihm lieber, unbemerkt zu bleiben.

      Aber diese charmante Frau Oberst, diese gefeierte Frau Oberst hatte nicht nur einen Mann und zwei Töchter, sie hatte auch noch einen Sohn. Und diesen Sohn liebte sie; ihn bewunderte sie, ihn stellte sie bei jeder Gelegenheit ins hellste Licht. Die Gäste im Hause Ekenstedt durften sich’s nicht einfallen lassen, ihn zu vernachlässigen oder links liegenzulassen, falls sie sich Hoffnung machten, ein andermal wieder eingeladen zu werden. Andererseits darf aber auch nicht geleugnet werden, daß die Frau Oberst Ursache hatte, stolz auf ihren Sohn zu sein. Er war nicht nur begabt, sondern hatte auch ein liebenswürdiges Wesen und ein ansprechendes Außeres. Er war weder dreist noch aufdringlich wie andere verzogene Kinder. Er schwänzte die Schule nicht und spielte seinen Lehrern keine bösen Streiche. Er war romantischer veranlagt als seine Schwestern. Ehe er das achte Jahr vollendet hatte, konnte er schon richtige nette Gedichtchen machen. Öfter erzählte er auch seiner Mutter, er habe den Neck spielen hören und die Elfen auf den Voxnäswiesen tanzen sehen. Er hatte feine Züge und große dunkle Augen, ja, er war seiner Mutter echtes Kind in jeder Beziehung.

      Obwohl er das ganze Herz der Frau Oberst ausfüllte, konnte man doch nicht eigentlich sagen, daß sie eine schwache Mutter sei. Zum mindesten mußte Karl Artur Ekenstedt arbeiten lernen. Sie stellte ihn höher als alle anderen Lebewesen; aber gerade darum durfte er auch nur mit den besten Zeugnissen, die zu erreichen waren, vom Gynmasium heimkommen. Und eins wurde von jedermann bemerkt: solange Karl Artur in einer Klasse war, lud

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