Hegels "Phänomenologie des Geistes". Ein systematischer Kommentar. Georg W. Bertram

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Hegels

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geht es ihm um die Frage, ob die theoretischen Gegenstände aus sich heraus Bestand haben. Seine Antwort ist – plausiblerweise – ein Nein. Ein Gesetz gibt es nur durch die einzelnen Fälle, die unter dem Gesetz stehen. Für das Gesetz gilt entsprechend, was schon für die Kräfte galt: Es hat nur in seinen Erscheinungen Bestand. Nun aber sollen die Erscheinungen zugleich von dem Gesetz unterschieden werden, denn sie sind unbeständig und wechselnd, das Gesetz hingegen ist beständig und unterliegt keinem Wandel. Der Verstand ist von daher dazu verleitet, die Erscheinungen als eine Form des Seins und die Gesetze als eine andere Form des Seins zu begreifen. Mit dieser Verdopplung dessen, was ist, kommt es nun auch zu einer Verdopplung dessen, was sich zeigt. Die Erscheinungen zeigen sich in ihrem Sein genauso, wie die Gesetze sich in ihrem Sein zeigen. Dabei zeigen sich die Gesetze, die ja von den Erscheinungen her erschlossen worden sind, jetzt in ihrer Eigenart durch ein anderes Erscheinen. Da aber jegliches Erscheinen nur von den Erscheinungen her bekannt ist, lässt sich ein anderes Erscheinen in seiner Andersheit nur dadurch fassen, dass man die Erscheinungswelt verkehrt.

      Eine solchermaßen verkehrte Welt aber ist für Hegel nur ein Symptom dafür, dass der Zusammenhang von Gesetz und Erscheinung nicht angemessen begriffen wird. Es handelt sich nicht um einen Unterschied zwischen verschiedenen Formen des Seins, sondern nur um einen Unterschied zwischen zwei verschiedenen Auffassungsweisen.32 Erscheinungen und Gesetze sind also ein und dasselbe. Genau dies begreift der Verstand nicht, da er Wissen durch einen Bezug auf etwas Gegenständliches, das Bestand hat, erlangen will. Der Verstand zeigt auch hier noch einmal den grundlegenden Widerspruch zwischen dem Beständigen und dem Unbeständigen. In dem Versuch, das Beständige festzuhalten, gelingt es ihm nicht, dessen Zusammenhang mit dem Unbeständigen zu denken. Aus diesem Grund setzt sich dieser Zusammenhang immer wieder gegen die Ansprüche der Wissenskonzeption durch.

      Diese Diagnose Hegels gibt uns eine erste Idee davon, wie Hegel den Übergang zum Selbstbewusstseinskapitel denkt: Er wendet sich nun einer Wissenskonzeption zu, deren Anspruch es ist, der Bewegung zwischen dem Beständigen und dem Unbeständigen gerecht zu werden. Hegel charakterisiert diese Bewegung sehr abstrakt, indem er von »Unendlichkeit« (vgl. 136 f./131 f.) spricht. Diese Unendlichkeit ist aber kein Gegenstand, auf den ein Bewusstsein sich (theoretisch) bezieht. Es handelt sich um das Sein des Bewusstseins selbst, das aus einer steten Veränderung aus Bezugnahmen auf Gegenstände heraus besteht. Selbstbewusstsein ist so Hegels allgemeiner Titel dafür, dass das Bewusstsein sich in seinen eigenen Bewegungen begreift. Dieser Begriff aber ist nicht dadurch zu realisieren, dass das Bewusstsein sich zum Gegenstand macht. Zu realisieren ist er nur durch Praktiken, mittels deren das Bewusstsein seine Einheit herstellt. Sehr verkürzt gesagt: Der Übergang vom Bewusstseinskapitel zum Selbstbewusstseinskapitel ist ein Übergang von Wissenskonzeptionen, die Wissen theoretisch, zu Wissenskonzeptionen, die Wissen praktisch zu begründen suchen.

      Robert Stern hat klärend dargelegt, dass die Interpretation des Übergangs vom Bewusstseinskapitel zum Selbstbewusstseinskapitel in dieser Weise von der Frage gelöst werden kann, ob Hegel es mit Kant hält oder nicht.33 Kant hat die These vertreten, dass Zusammenhänge im Wissen nur unter der Voraussetzung einer Einheit des Selbstbewusstseins (der sogenannten »transzendentalen Apperzeption«) möglich sind.34 Es sieht nun erst einmal so aus, als schließe sich Hegel hier dieser Kantischen These an, wenn er zu argumentieren scheint, dass Wissen seine Einheit nur im Selbstbewusstsein gewinnt.35 Die hier skizzierte Interpretation macht aber verständlich, dass der Übergang anders gedeutet werden muss: Es handelt sich um einen Übergang, mit dem wir zu einem ersten Verständnis davon gelangen, dass Wissensansprüche immer in praktischen Kontexten zustande kommen.

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