Maigret und Pietr der Lette. Georges Simenon
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Читать онлайн книгу Maigret und Pietr der Lette - Georges Simenon страница 4
In beiden Fällen kam die gleiche Taktik zum Einsatz: Beim Gespräch mit dem Opfer beteuerte er, die gestohlenen Gelder seien in Sicherheit und die Behörden würden sie auch nach seiner Verhaftung nicht finden.
Beide Male wurde die Klage zurückgezogen, die Kläger wurden vermutlich entschädigt.
Danach wurde er nie mehr auf frischer Tat ertappt.
Wahrscheinlich bestehen Beziehungen mit der Bande Maronnetti (Falschgeld und Urkundenfälschung) und mit der Bande von Köln (genannt die Mauerbohrer).
Dazu ein Gerücht, das bei allen europäischen Polizeidienststellen umging: Pietr der Lette kontrolliere als Kopf einer Bande (vielleicht auch mehrerer Banden) und als deren Kassierer ein paar Millionen, die unter verschiedenen Namen auf Banken verstreut oder in Unternehmen investiert waren.
Da saß er und lächelte leicht, während er Mrs. Mortimer-Levingston zuhörte, die ihm irgendetwas erzählte, und seine weiße Hand spielte mit einer prächtigen Weintraube.
»Entschuldigen Sie, Monsieur! Hätten Sie einen Moment Zeit für mich?«
Mit diesen Worten wandte sich Maigret in der Halle des Majestic an Mortimer-Levingston, nachdem sowohl der Lette wie auch die Amerikanerin nach oben gefahren waren.
Mortimer fehlte die typische Sportlichkeit des Yankees. Er sah eher südländisch aus.
Er war hochgewachsen und schlank. Sein Kopf, sehr klein, war von schwarzem, gescheiteltem Haar bedeckt.
Er schien ständig müde zu sein. Seine Lider waren schwer und bläulich. Übrigens führte er ein aufreibendes Leben, fand er doch Mittel und Wege, sich mal in Deauville, mal in Miami oder am Lido zu zeigen, dann wieder in Paris, Cannes oder Berlin, irgendwo seine Jacht zu besteigen, in einer europäischen Hauptstadt ein Geschäft zu tätigen und bei den größten Boxkämpfen in New York oder Kalifornien den Schiedsrichter zu geben.
Er musterte Maigret von oben herab. Ohne die Lippen zu bewegen, sagte er beiläufig:
»Sie sind …«
»Kommissar Maigret, Erste Mobile Brigade.«
Mortimer runzelte kaum die Stirn und blieb einen Moment vorgebeugt stehen; er schien entschlossen zu sein, ihm nicht mehr als eine Sekunde zu gewähren.
»Sie wissen, dass Sie gerade mit Pietr dem Letten gespeist haben?«
»Ist das alles, was Sie mir zu sagen haben?«
Maigret verzog keine Miene. Er hatte nichts anderes erwartet.
Er steckte die Pfeife wieder zwischen die Zähne – denn er hatte geruht, sie aus dem Mund zu nehmen, als er den Milliardär ansprach – und knurrte:
»Das ist alles!«
Offenbar war er mit sich zufrieden. Mortimer ging mit eisigem Blick weiter und verschwand im Aufzug.
Es war kurz nach halb zehn. Das klassische Orchester, das beim Abendessen gespielt hatte, räumte seinen Platz für die Jazzband. Von draußen kamen Leute herein.
Maigret hatte nicht zu Abend gegessen. Mitten in der Hotelhalle blieb er stehen, ohne Ungeduld an den Tag zu legen. Der Geschäftsführer warf ihm von Weitem immer wieder beunruhigte und missbilligende Blicke zu. Auch die einfachen Angestellten sahen mürrisch aus, wenn sie an ihm vorbeikamen, einige rempelten ihn sogar an.
Das Majestic nahm ihn nicht in sich auf. Trotzig bildete er einen großen schwarzen, reglosen Fleck inmitten der Vergoldungen, der Lichter, des Hin und Her der Abendroben, der Pelzmäntel, der duftenden und glitzernden Gestalten.
Mrs. Mortimer-Levingston trat als Erste aus dem Aufzug. Sie hatte sich umgezogen. Ein Cape aus hermelingefüttertem Lamé umhüllte ihre Schultern.
Sie schien verwundert zu sein, dass niemand auf sie wartete, und begann auf und ab zu gehen, wobei ihre hohen vergoldeten Absätze rhythmisch auf dem Boden klackerten.
Unvermittelt blieb sie vor der Mahagonitheke mit den Angestellten und Dolmetschern stehen, um ihnen etwas zu sagen. Einer der Angestellten drückte einen roten Knopf und nahm einen Telefonhörer ab.
Er wirkte überrascht und winkte einem Boy, der zum Aufzug eilte.
Mrs. Mortimer-Levingston war sichtlich beunruhigt. Hinter der gläsernen Eingangstür konnte man am Bordstein die weichen Umrisse einer amerikanischen Limousine erkennen.
Der Liftboy kam zurück und sprach mit dem Angestellten. Dieser wandte sich an Mrs. Mortimer-Levingston. Sie protestierte. Offenbar sagte sie:
»Das ist unmöglich!«
Da ging Maigret die Treppe hoch, blieb vor Nummer 17 stehen und klopfte an die Tür. Wie nicht anders zu erwarten, kam keine Antwort.
Er öffnete die Tür. Der Salon war leer. Im Schlafzimmer lag der Smoking von Pietr dem Letten auf dem Bett. Ein Schrankkoffer stand offen. Die Lackschuhe lagen weit voneinander entfernt auf dem Teppich.
Der Geschäftsführer erschien und brummte:
»Sie sind also auch schon da. Und? Verschwunden, was? … Mortimer auch, oder?
Aber wir sollten nichts dramatisieren. Sie sind beide nicht in ihren Zimmern, aber bestimmt werden wir sie irgendwo im Hotel ausfindig machen.«
»Wie viele Ausgänge?«
»Drei … Der zu den Champs-Élysées … der zu den Arcades und dann der Personaleingang, Rue de Ponthieu.«
»Gibt es da einen Portier? … Rufen Sie ihn!«
Der Geschäftsführer war wütend. Er regte sich über den Telefonisten auf, der ihn nicht verstand. Der Blick, den er auf Maigret gerichtet hielt, war nicht eben wohlwollend.
»Was hat das alles zu bedeuten?«, fragte er, während er auf den Portier des Personaleingangs wartete, der in einer kleinen verglasten Loge Dienst tat.
»Nichts, oder fast nichts, wie Sie sagten …«
»Ich hoffe, es handelt sich nicht um ein … um ein …«
Das Wort »Verbrechen«, Albtraum aller Hoteliers der Welt, von den kleinen Vermietern möblierter Zimmer bis zu den Geschäftsführern von Luxushotels, blieb ihm im Hals stecken.
»Das werden wir bald erfahren.«
Mrs. Mortimer-Levingston erschien und erkundigte sich:
»Nun … Was ist?«
Der Geschäftsführer verbeugte sich und versuchte stotternd etwas zu sagen. Am Ende des Gangs tauchte ein kleiner alter Mann auf, mit schmutzigem Bart und schlecht sitzenden Kleidern, eine Gestalt, die nicht in den Rahmen des Hotels passte.
Selbstverständlich sollte er hinter den Kulissen bleiben, sonst hätte man auch ihm eine schöne Uniform verpasst und ihn jeden Morgen rasiert.
»Haben