GABALs großer Methodenkoffer. Walter Simon
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Chester Barnards Leadership-Theorie
Drei Führungsaufgaben
Auch Chester Barnard (1886–1961), der als Direktor der New Jersey Bell Telephone (später AT&T) tätig war, gehörte zu den Begründern der Sozialpsychologie des Betriebes. Er erkannte und beschrieb als einer der ersten Führungstheoretiker die entscheidende Rolle der Führungskraft für den Unternehmenserfolg und wurde so zum Mitbegründer des späteren Leadership-Konzepts. Von ihm stammt auch die erste umfassende Darstellung der mitarbeiterbezogenen Führungsaufgaben: „Die Grundaufgaben sind erstens die Schaffung eines Kommunikationssystems; zweitens die Förderung von anhaltendem Einsatz und Leistung und zum Dritten die Formulierung und Festlegung von Zielen.“ In diesem Zusammenhang erkannte er die Bedeutung von Zielen, Werten und ganzheitlicher Unternehmensführung (Barnard 1968, S. 217).
Ergänzende und vertiefende Informationen zum Thema Leadership finden Sie im Kapitel E 10 dieses Buches.
Auflösung der Gegensätze
Barnard vertrat stets eine kritisch-distanzierte Position gegenüber den dogmatischen Ausprägungen des Taylorismus der Human-Relations-Theorie. Er sah in der Betonung produktionstechnischer und leistungsorientierter Aspekte einerseits und menschbezogener Aspekte andererseits keine Gegensätze. Sie erfassen jeweils nur einen Aspekt des komplexen Organisationsphänomens, welches seiner Meinung nach unter Einbeziehung der Umwelt als offenes soziales System betrachtet werden muss. Er definierte als Erster der Theoretikerzunft das Unternehmen als „soziales System“ und untersuchte die innere Struktur dieses Systems sowie dessen Wechselwirkung mit der Umwelt. Damit wurde er zum Wegbereiter der Schule der sozialen Systeme.
Herzbergs Motivationstheorie
Spaltung in zwei Richtungen
Barnards Synthese von Mitarbeiterorientierung und Leistungsausrichtung könnte einer der Gründe dafür gewesen sein, warum sich die verhaltensorientierte Managementwissenschaft in der Zeit nach 1950 in zwei Richtungen aufspaltete. Die eine erweiterte ihr Betrachtungsfeld und mündete in einen systemtheoretischen Ansatz. Die andere suchte nach neuen Erkenntnissen über die Mitarbeitermotivation. An ihrer Spitze stand Frederick Herzberg (1923–2002).
Motivationsfaktor Arbeitsinhalt
Seine empirischen Studien widerlegten Taylor, der im Lohn das einzige Mittel sah, die Leistung des „homo oeconomicus“ zu steigern. Für Herzberg bildet die Arbeit selbst, insbesondere der Arbeitsinhalt, den entscheidenden Motivationsfaktor.
Er fand heraus, dass bestimmte Faktoren nicht einachsig zu Wohlbefinden oder Unwohlsein führen, zum Beispiel gute Arbeitsbedingungen zur Motivation oder uninteressante Arbeit zur Demotivation. In diesem Zusammenhang ermittelte er zwei unterschiedliche Einflussfaktoren (Motivatoren und Hygienefaktoren), die sowohl Zufriedenheit als auch Unzufriedenheit bewirken (s. Abbildung im Kapitel B 3).
Humanisierung der Arbeit
Herzbergs Motivations-Hygiene-Theorie bot in den 1970er-Jahren die theoretische Grundlage für die unter der Losung „Humanisierung der Arbeit“ durchgeführten Veränderungen in der Arbeitsorganisation.
Ergänzende und vertiefende Informationen zu Herzbergs Motivationstheorie finden Sie im Kapitel B 3 dieses Buches.
1.4 Kritik und der Versuch der Integration der Schulen
Vorwurf: Wichtige Aspekte werden ausgeblendet
Über die Schule der menschlichen Beziehungen ist unendlich viel geschrieben worden, am meisten über die Hawthorne-Experimente. Viel Kritik wurde von linken und rechten Theoretikern geäußert, von Managementwissenschaftlern und später von den Begründern selbst. So wird der Schule vorgeworfen, dass die menschlichen Beziehungen im Unternehmen als interpersonelle, im günstigsten Fall als Gruppen-, nicht aber als sozialökonomische Beziehungen betrachtet würden. Folglich meinen ihre Vertreter, dass man die sozialen Probleme in den Grenzen eines jeden einzelnen Betriebes lösen kann, ohne Bezug zur sozialökonomischen Struktur der Gesellschaft. Man wirft der Human-Relations-Schule vor, dass sie nur mit direkten Variablen operiert und das äußere Milieu ignoriert.
Die deutlichste Kritik findet sich in den Arbeiten von Rensis Likert, Douglas McGregor und R. McMurray. Sie kommen zu der Schlussfolgerung, dass man die Bedeutung des moralischen Faktors zur Steigerung der Arbeitsproduktivität nicht überschätzen darf. Likert schreibt (1955, S. 12):
Moralischer Faktor und Produktivität
„Auf der Grundlage einer Untersuchung, die ich im Jahre 1937 durchgeführt habe, nahm ich an, dass der moralische Faktor und die Arbeitsproduktivität sich unbestreitbar in einer direkten Abhängigkeit voneinander befinden (…) Umfangreiche Forschungsarbeiten, die seit dieser Zeit durchgeführt wurden, zeigten, dass diese Vorstellung sich als zu vereinfacht erwiesen hat.“
Ein großer Irrtum
Nicht minder klar, ja fast resigniert äußert sich der XY-Modellbegründer McGregor (1954, S. 21): „Ich dachte, dass ich vermeiden kann, „Boss“ zu sein (…) Ich dachte, es könnte sein, dass ich so handeln kann, dass alle mich lieben werden, dass gute „human relations“ alle Unstimmigkeiten und Meinungsverschiedenheiten beseitigen. Ich konnte keinem größeren Irrtum anheim fallen. Es bedurfte zweier Jahre, bis ich endlich einzusehen begann, dass ein Leiter die Realisierung der Macht nicht vermeiden kann (…)“
1.5 Idealtypische (theoretische) und realtypische (empirische) Führungsmodelle
Vereinigung der Theorien
Von 1950 an unternahmen amerikanische Wissenschaftler den Versuch, die von Fayol, Weber und Taylor geschaffene „klassische Theorie von Management und Organisation“ mit der „Schule der menschlichen Beziehungen“ zu vereinigen. Warren Bennis vom Massachusetts Institute of Technology bezeichnete diese Gruppe als „Revisionisten“.
Zwei Gruppen
Die neuen führungstheoretischen Modelle waren zunächst noch rein theoretischer Natur, wurden aber im Verlauf der 1960er-Jahre empirisch fundiert. Im Rahmen der wissenschaftlichen Systematisierung entstanden mehrere begriffliche Zuordnungen beziehungsweise Klassifikationsgruppen. So unterschied eine von vielen Einteilungen etwa zwischen
idealtypischen Ansätzen und
realistischen Ansätzen.
Theoretische Ansätze
Erstere sind theoretischer Natur, so zum Beispiel die weiter vorn beschriebene Typologisierung von Führungsstilen durch Weber oder die Kontinuum-Theorie von Robert Tannenbaum und Warren Schmidt (s. u.). Hier wird das Führungsverhalten nach dem Ausmaß der Entscheidungsfreiheit der Mitarbeiter angeordnet.