Die Illusion der Unbesiegbarkeit. Paul Williams

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Die Illusion der Unbesiegbarkeit - Paul  Williams Dein Business

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Workshops wird sie weltweit ins Unternehmen getragen und mit großen Zielen verbunden. Warum ist sie trotzdem gescheitert, obwohl im Vorfeld so viel in die neue Leitidee investiert wurde und so viele Mitarbeiter sie zunächst begeistert aufnahmen und lange mittrugen? Vier Gründe, die sich nahtlos auf andere Unternehmen übertragen lassen:

       1. Die Rückendeckung des Konzernvorstandes fehlte.

      Ohne die Übernahme mindestens eines anderen größeren Konkurrenzunternehmens war das Ziel »Top Five« nicht zu erreichen. M & A-Aktivitäten wurden jedoch vom Konzernvorstand nicht unterstützt. Das wiederum führte zu Frust im Topmanagement des Unternehmensbereichs, in dem viele Versuche gestartet wurden, Akquise-Gespräche mit Übernahmekandidaten zu führen. All diese Vorstöße wurden im Vorstand geblockt, zahllose Firmenanalysen von Mittelmanagern und Arbeitsstunden waren umsonst. Zudem war die Skepsis und Ablehnung des Konzernchefs gegenüber der Vision des Teilkonzerns geradezu physisch spürbar. Obwohl die Vision abgestimmt war, strafte er die Kollegen in Meetings mit Verachtung.

       2. Das Gesamtziel war überzogen.

      Die extrem ambitionierte Zielmarke führte in vielen Fällen zu visionsgerechtem, aber nicht verhältnismäßigem Handeln von Mitarbeitern, Führungskräften und Organisationseinheiten, in der Annahme, dass alles geht, was Wachstum bzw. Marktanteile schafft. Resultat waren unter anderem Absurditäten und Non-Core-M & A-Aktivitäten in Emerging Markets, die mit Begeisterung genehmigt wurden. So wurde auf den Philippinen ein lokales Unternehmen übernommen, ohne dass es eine globale (oder wenigstens regionale) Integrationsstrategie gab, und in Kolumbien beteiligte man sich mit vergleichsweise viel Geld an einer neu gegründete Distributionsfirma. Unser Interviewpartner war als junger Manager direkt beteiligt und musste gleichzeitig die Auseinandersetzung mit Konzerneinheiten aufnehmen, die den Aktivitäten (im Nachhinein beurteilt vielleicht zu Recht) mehr als skeptisch gegenüberstanden. Gleiches spielte sich in anderen Märkten ab.

       3. Die Diskussion der Vision wurde auf weiche Faktoren reduziert.

      In Visions-Workshops fokussierte man vor allem auf Werte, Teamarbeit und den Umgang miteinander, ohne härtere Faktoren wie Leistung und konkrete Umsetzung ins Visier zu nehmen. Viele Teilnehmer verstanden dies als »Kuschelkurs« und als Freibrief für eigene Aktivitäten – siehe Punkt 2.

       4. Die Vermittlung der Vision an die Basis wurde delegiert.

      Jüngere Manager wurden zu »Vision Coaches« erklärt. Sie sollten die Vision in die einzelnen Abteilungen und Bereiche tragen. Negative Folge war, dass sich viele Mittelmanager nicht in der Pflicht sahen, sich selbst mit der Vision und den damit verbundenen Veränderungen auseinanderzusetzen. Das schwächte die Akzeptanz des ganzen Projekts.

      Im Umkehrschluss lassen sich aus diesem Fallbeispiel Faustregeln für den Umgang mit Unternehmensvisionen ableiten:

      1.Vermeiden Sie reine Zahlen-Ziele. Sie riskieren Fehlverhalten, weil Mitarbeiter unter dem Diktat einer Zahl nicht mehr das (sachlich, rechtlich, moralisch) Beste tun, sondern das, was dem Erreichen der Zahl dient.

      2.Geben Sie keine Parolen aus, hinter denen das Topmanagement nicht wirklich steht.

      3.Wenn Sie eine Vision formulieren, nehmen Sie sie als Richtschnur täglichen Handelns ernst und diskutieren Sie die sachlichen Konsequenzen: Was bedeutet es ganz konkret, sich diesem Ziel verpflichtet zu fühlen?

      4.Sorgen Sie dafür, dass die Vision wirklich im Unternehmen ankommt und nicht als motivatorischer Zuckerguss missverstanden wird. Dies schließt Mittelmanager, Abteilungsleiter, Teamleiter und letztlich jeden Mitarbeiter ein.

      5.Lassen Sie Kritik an der Vision zu und korrigieren Sie die Vision, wenn sich Fehlentwicklungen abzeichnen, statt starr am einmal eingeschlagenen Weg festzuhalten (anders als die Incas, die nicht in der Lage waren, den einmal eingeschlagenen, auch religiös motivierten Weg zu verlassen).

      6.Bedenken Sie, welche Wirkung Ihre Unternehmensvision auf die verschiedenen Stakeholder hat.

      Warum diese Regeln wichtig sind, verdeutlichte einer unserer Interviewpartner:

      Gerd Stürz, Life Sciences DACH-Chef von EY, berichtete uns ebenfalls von schlechten Erfahrungen mit reinen Wachstumszielen. Über eine internationale Beratungsgesellschaft, die »Top Line Growth« offiziell zum Unternehmensziel erklärte, sagt er: »Auf einmal war der Fokus nicht mehr primär in der Qualität, sondern der Fokus war auf einmal primär im Wachstum.« Später habe sich das als ein »Sargnagel« der Organisation erwiesen, als deren Glaubwürdigkeit durch die skandalträchtige Insolvenz eines ihrer Kunden erschüttert wurde. In der Außenwahrnehmung war eine verfehlte Unternehmensstrategie mit Fokus auf Growth dafür mitverantwortlich.«

      Besser nichts als Bullshit-Bingo

      Wenn es so schwierig ist mit der Vision, wieso braucht man dann überhaupt eine? Unserer Erfahrung nach erfüllen Visionen durchaus einen wichtigen Zweck: Sie machen den Mitarbeitern (und nebenbei auch anderen Stakeholdern) ein Sinnangebot und laden dadurch zur Identifikation mit dem Unternehmen ein. Geld verdienen kann man auch anderswo, doch warum sollte man gerade bei dieser Firma arbeiten wollen? In einer Zeit, in der Arbeit für viele Menschen mehr ist als Broterwerb, spricht eine zündende Vision die Einladung aus, an einem verheißungsvollen Projekt teilzunehmen. Einer der Schlüssel für Motivation ist Identifikation. Identifikation wiederum ist eine emotionale Kategorie: Nicht zufällig misst das Gallup-Institut mit seinem bekannten »Engagement-Index« alljährlich die »emotionale Bindung« von Arbeitnehmern an ihren Arbeitgeber.13 Wer das Gefühl hat, an einer »großen Sache« teilzuhaben, legt sich anders ins Zeug als jemand, der sich nur als kleines Rädchen in einer großen Maschinerie sieht. Nichts anderes besagt ja auch die bekannte Geschichte von den drei Steinmetzen beim Bau des Kölner Doms. Auf die Frage nach ihrem Tun antwortet einer mürrisch: »Ich behaue einen Stein.« Ein zweiter sagt, »Ich arbeite, um meine Familie zu ernähren«, und der dritte schließlich erklärt mit leuchtenden Augen: »Ich baue eine Kathedrale!«

      Neben Identifikation schafft eine Vision Zusammenhalt, sie stiftet eine Verbindung zwischen Mitarbeitern, womöglich über Kontinente hinweg. Manchmal schlägt sich das auch im Unternehmensjargon nieder, etwa wenn Mitarbeiter bei Google sich über Grenzen hinweg als »Googler« bezeichnen. Je größer ein Unternehmen ist, desto nützlicher ist eine visionäre Klammer, die im Idealfall auch dort ein Gemeinschaftsgefühl stiftet, wo man sich physisch kaum oder nie begegnet. Dass es gerade bei großen Organisationen ein Gefühl der Verbundenheit braucht, um gemeinsam erfolgreich zu sein, war auch Thema in einem unserer Interviews.

      Prof. Dr. med. Christoph Straub, Vorstandsvorsitzender der BARMER, berichtete uns über seine Arbeit als CEO eines Klinikverbundes: »Ich wurde eingestellt, um aus einem Krankenhauskonzern, der aus lauter einzelnen Kliniken bestand, erstens eine integrierte Einheit zu bilden und zweitens ambulante Einheiten darum herum zu bauen. Das hätte man schaffen können – das schaffen andere ja auch. Trotzdem ist es nicht geglückt, weil man nie an der Identität des Unternehmens gearbeitet hat. Wenn das einzige Prinzip, nach dem ein Unternehmen funktioniert, lautet, ›Jeder für sich und Gott für alle‹, und wenn die Strukturen sogar von oben so angelegt sind, dass die Leute gegeneinander kämpfen müssen, dann verhindert man, dass eine Identität entsteht. Die ganze nach außen getragene Stärke als großer Klinikverbund war intern nicht hinterlegt – weder in der Kultur noch in der Organisation. Als es dann wirtschaftlich eng wurde, fehlte es an gemeinsamen innovativen Geschäftsideen. Die hätte man entwickeln können, doch sie zu entwickeln war nicht in der ›DNA‹ des Unternehmens angelegt.«

      Interessant

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