Agrarwende jetzt! (Telepolis). Susanne Aigner
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Imker bangen um Bienen und Einkommen
Normalerweise bleiben Imker in Xinjiang Nordwesten Chinas im Sommer im Altai-Gebirge und wandern im Winter mit ihren Bienen nach Turpan. Im Februar kommt es zur Frühjahrsvermehrung. Im März und April fahren sie die Bienen zur Apfel- und Begonienblüte, im Sommer bestäuben sie Sonnenblumen, Baumwolle, Kürbisse und Wassermelonen. Honig produzieren die Bienen nur im Juli. Allerdings durften Imker, die während der Wanderzeit ihre Bienenstöcke verließen, etwa, um ihre Familien zu besuchen, nicht mehr zu ihren Bienen zurück - so wie der Züchter Yang Kun, der 300 Bienenkästen im Wert von etwa 150.000 Yuan in Turpan zurückgelassen hatte, um das Frühlingsfest in Chongqing bei seiner Familie zu verbringen.
300 Bienenstöcke in Holzkisten nannte auch der Imker Jue sein Eigen. Im Februar 2020 standen sie mehr als 300 Kilometer von seinem Aufenthaltsort entfernt. Nach der Bestäubung der Aprikosen im März wollte er mit den Bienen im Mai zu den Birnenplantagen in Korla - der zweitgrößten Stadt von Xinjiang. Dort sollten sie den Nektar blühender Chinesischer Datteln sammeln. Im Februar lag er im Zeitplan um drei Wochen zurück. Nun bangt Jue um sein Jahreseinkommen, das in guten Jahren immerhin bei 60.000 bis 70.000 Yuan (7.860 bis 9.100 Euro) liegt. Auch Zhang Miaoyan aus Jinhua in der Provinz Zhejiang südlich von Shanghai musste lange mit den Behörden verhandeln, bevor sie zu ihren 120 hungernden Bienenvölkern durfte.
In Indien durften Imker die Grenzen der Bundesstaaten ebenfalls nicht mehr passieren, so wie Narpinder Singh aus Punjab, der mit seinen Bienen jedes Jahr in benachbarte Bundestaaten Äpfel, Litschis und Walnussbäume bestäubt.
Oder Farooq Ahmad Lone, der mit seinen Bienen zwecks Bestäubung von Senfkulturen und Apfelplantagen jedes Jahr von Kaschmir im Norden nach Gujarat reist.
Europa: mehr Reisefreiheit für Bienen
Weniger stark betroffen von den Reisebeschränkungen rund um Corona waren europäische Imker, die sich innerhalb europäischer Staatsgrenzen bewegen durften. In Griechenland war es Imkern allerdings verboten, zwecks Bestäubung von Pflanzen lange Strecken zurückzulegen. Laut Fani Hatjina vom Hellenic Institute of Apiculture - mussten Bienen deshalb sogar verhungern.
In Großbritannien ergänzen Imker normalerweise ihre Bestände mit Bienenvölkern aus Südeuropa. Wegen logistischer Probleme und bürokratischer Hindernisse waren Bienen-Importe in diesem Frühjahr schwierig, erklärt Luke Dixon von Urban Beekeeping, der Bienenstöcke in und um London betreut.
Weniger Probleme gab es in Österreich, wo die Honigproduktion kleinflächig organisiert ist. Von nahezu 30.000 Imkerinnen und Imkern im Land sind nur 300 an der Honigproduktion im Vollerwerb beteiligt. Die meisten Imkern im Nebenerwerb mit rund 50 Bienenvölkern.
Wegen des milden Klimas lassen einige deutsche und österreichische Imker ihre Völker in Mittelitalien überwintern und holen sie im Frühjahr wieder nach Hause. Im Rahmen der gelockerten Reisebeschränkungen wird die Rückholaktion in diesem Jahr wohl erst ab Juni möglich sein.
Hierzulande durften Wanderimker zumindest die Grenzen der Bundesländer überqueren. Das hatte Julia Klöckner Anfang April dem Deutschen Berufs- und Erwerbsimkerbund zugesichert, nachdem Wanderimker an der Einreise nach Mecklenburg-Vorpommern und nach Bayern gehindert worden waren. Imker und Wanderimker gehörten zur systemrelevanten Berufsgruppe, betonte auch Harald Ebner von den Grünen.
Konkurrieren Honigbienen mit heimischen Arten?
Die Westliche Honigbiene kam erst im 17. Jahrhundert mit Hilfe des Menschen nach Nordamerika, wo sie sich u. a. in Kalifornien bis ins 19. Jahrhundert hinein ausbreitete. Dank ihrer sozialen Kommunikation gelingt es Honigbienen, die lohnendsten Pflanzenarten bevorzugt anzufliegen. Dies ist den meist solitär lebenden endemischen Insekten fremd.
Aus diesem Grund können eingewanderte Honigbienenarten, die sich in einer Region überdimensional ausbreiten, der heimischen Artenvielfalt allerdings auch schaden. Das fanden Wissenschaftler der Universität in San Diego/Kaliforniern heraus, indem sie untersuchten, wie stark Honigbienen mit den einheimische Bestäubern um begrenzte Nahrungsressourcen konkurrieren.
In der Region machen die Honigbienen oft mehr als drei Viertel aller beobachteten Bestäuber von Wildpflanzen aus. Bei den am häufigsten blühenden einheimischen Pflanzenarten war ihr Anteil sogar höher als 90 Prozent der Bestäuber. Dies sei "besorgniserregend", fanden die Forscher. Um die ökologischen Auswirkungen genauer bewerten zu können, wollten sie herausfinden, welche Pflanzen- und Bestäuberarten am anfälligsten für Störungen durch Honigbienen sind. Die Ergebnisse könnten Biologen dabei helfen, die Erhaltung endemischer Bestäuber in natürlichen Gebieten zu bewerten, in denen sich nicht heimische Honigbienen etabliert haben.
Ein Drittel unserer Nahrung verdanken wir den Bienen
Der weltweite wirtschaftliche Nutzen der Bestäubung beträgt mehr als 153 Milliarden Euro. Damit leisten Bienen einen wichtigen Beitrag - nicht nur im erwerbsmäßigen Obst- und Gemüsebau, sondern auch für die Ernährung. Allein in den USA bestäuben Bienen den Angaben des US-Landwirtschaftsministeriums zufolge jährlich Pflanzen im Wert von 15 Milliarden US-Dollar - vor allem Beeren, Melonen, Brokkoli und Mandeln.
In Deutschland werden rund 80 Prozent der Pflanzen von Bienen bestäubt - von aktuell rund 120.000 Imkern mit 830.000 Bienenvölkern. Ohne die Bestäubung durch Bienen müssten wir auf Äpfel, Kirschen, Nüsse, Avocados, Sojabohnen, Spargel, Broccoli, Sellerie, Kürbisse und Gurken verzichten ebenso wie auf Zitronen, Pfirsiche, Kiwis, Blau- und Erdbeeren.
Dennoch verschwinden Honigbienen, Hummeln und Wildbienen zusehends. Forscher sehen die Ursachen vor allem in Insektengiften und Parasitenbefall. Der Weltbienentag am 20. Mai will auf die Bienen und ihren ökologischen und wirtschaftlichen Nutzen, aber auch auf ihre Gefährdung aufmerksam machen. Initiert im Jahr 2018 durch den slowenischen Imkerverband, soll mit diesem Tag vor allem auch der slowenische Pionier Anton Janša gewürdigt werden, der am 20. Mai 1734 geboren wurde und die moderne Imkerei aus der Taufe hob.
Mit der Aussaat von blühenden Wildpflanzen auf dem Balkon oder im Garten kann jeder einen kleinen Beitrag leisten, damit bestäubende Insekten in blütenarmen Landschaften nicht verhungern müssen.
Gen-Mikroben gegen das Bienensterben
Der zunehmende Schwund an Wildbienen gefährdet Gemüse- und Obsternten. Unterdessen greifen Biotechnologen ins Erbgut von Bienen ein, um sie resistenter gegen Insektengifte