Sammelband 7 Schicksalsromane: Von ihren Tränen wusste niemand und andere Romane. A. F. Morland
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Sie schauderte.
Wie abgebrüht du bist, ging es ihr durch den Sinn. Mich ekelt vor dir. Wie kannst du so etwas Indiskutables auch nur im entferntesten in Erwägung ziehen?
Aber der unsaubere Gedanke hatte sich bereits in ihr festgefressen und ließ sie nicht mehr los. Sie wollte sich von ihrem Vater nicht unterkriegen lassen. Er durfte ihr Leben nicht verpfuschen, hatte nie und nimmer das Recht, ihr zu verwehren, dass sie Mutter wurde. Wenn Claus sich nicht gegen den Schwiegervater, der sich nachweislich im Unrecht befand, aufzulehnen wagte, musste er eben die Konsequenzen tragen.
Und die Konsequenzen sahen so aus, dass ein anderer Mann der Vater ihres Kindes sein würde. Einer aus ihrem Freundes- und Bekanntenkreis? Ein Fremder? Egal. Irgendeiner. Und sie würde auch nur dieses eine Mal mit ihm schlafen und dann nie wieder. Sie war schließlich an keiner Affäre interessiert, wollte sich keinen Liebhaber halten. Der ganze Akt würde nichts mit Liebe zu tun haben, sondern nur dem Zweck der Befruchtung dienen, das würde Petra dem Mann, den sie sich ausgesucht hatte, von vornherein klarmachen.
Sie hörte auf zu weinen. Ihr Entschluss stand fest, die Würfel waren gefallen. Sollten ihr Vater und ihr Ehemann getrost weiterhin auf derselben Seite stehen, es war ihr nicht mehr wichtig.
Sie hatte eine Lösung für ihr Problem gefunden, und sie war fest entschlossen, diesen Weg zu gehen. Nichts und niemand konnte sie davon abhalten.
Gleich morgen würde sie die Sache in Angriff nehmen. Morgen, ja, das war ein guter Tag dafür. Der Beste. Zufrieden schlief sie ein.
Tags darauf war sie wieder „normal“. Sie frühstückte mit Claus und mit ihrem Vater, sprach mit ihnen, als ob alles in bester Ordnung gewesen wäre, und fing einen Blick ihres Vaters auf, den dieser zu Claus hinüberschickte, und mit dem er sagen wollte: Siehst du, ich wusste, dass sie früher oder später zur Besinnung kommen würde. Ich kenne meine Tochter.
Aber er kannte sie nicht. Er wusste nicht, wozu seine Tochter imstande war, wenn man sie dazu zwang. Keinen blassen Schimmer hatte er davon.
Claus war froh, dass sie wieder mit ihm sprach. Er hatte unter ihrem trotzigen Schweigen gelitten. Als er das Haus verließ, gab sie ihm einen Kuss auf den Mund, und ihren Vater küsste sie auf die Wange.
Sie wünschte beiden einen schönen Tag, und nachdem sie weg waren, führte sie einige Telefonate, aber es kam nichts dabei heraus.
Die Männer, die sie als erste ins Auge gefasst hatte, waren alle nicht verfügbar. Der eine lag nach einer Gallenoperation im Krankenhaus, der andere war geschäftlich verreist, der dritte absolvierte gerade in einem renommierten Sanatorium eine Schlafkur, um sich das Trinken abzugewöhnen. Nummer vier hatte Gäste aus Übersee in seinem Haus und war unabkömmlich, Nummer fünf hatte – in seinem Alter – Ziegenpeter; und Nummer sechs – es war wie verhext – musste seine rheumakranke Mutter zur Kur nach Abano bringen.
Wenn es nicht so geht, dann geht es eben anders, sagte sich Petra Praetorius und richtete sich darauf ein, in den Straßencafés der Innenstadt einen geeigneten Mann für ihr gewagtes Vorhaben kennenzulernen.
Sie wurde zwar etliche Male von Männern angesprochen – es waren sogar einige höchst attraktive dabei –, aber sie konnte sich keinen von ihnen als Vater ihres Kindes vorstellen, und so setzte sie die Suche nach dem geeigneten Mann fort. Am Abend hoffte sie, in Schwabing fündig zu werden.
Dass sie ausgerechnet in einer unscheinbaren Pizzeria einen geeigneten Mann kennenlernen würde, hätte sie eigentlich nicht gedacht. Sie war hungrig, und der intensive Pizzaduft hatte sie ins Lokal gelockt.
Felix Lehmann, der lange blonde Pizzabäcker mit den X-Beinen, bemerkte sie gleich beim Eintreten, und er machte seinen Wohngemeinschaftskumpel Walter Schmidt auf sie aufmerksam.
„Steiler Zahn“, murmelte Lehmann. „Ganz große Klasse. Wenn du mich fragst, die sucht Anschluss. Für so was hab’ ich ’nen Blick.“
Petra Praetorius nahm an einem freien Tisch Platz.
Walter Schmidt, der an der Theke saß, drehte sich auf dem Hocker träge um.
Im nächsten Moment riss er die Augen auf. „Ich krieg’ die Motten!“
„Wieso denn? Was ist denn?“, fragte Felix Lehmann verwundert.
„Weißt du, wer das ist?“, stieß Walter Schmidt aufgeregt hervor.
„Nö, woher denn?“
„Das ist Petra. Petra Bachmann. Eigentlich heißt sie ja jetzt Praetorius, hat vor zwei Jahren geheiratet. Ich hab’s zufällig in der Zeitung gelesen. Ihr Vater ist Horst Bachmann, ein ebenso reicher wie einflussreicher Bankier.“
„Und woher kennst du sie?“, fragte Felix Lehmann beeindruckt.
Walter Schmidt grinste breit. „Wir haben zusammen im Sandkasten gespielt, und als wir älter wurden, gab’s da noch ein paar andere nette Spielchen ...“
Der Pizzabäcker kräuselte die Nase. „Ich glaube, jetzt gibst du an.“
„Petra und ich haben uns nicht übel verstanden, aber ich war ihrem Vater nicht gut genug. Ich war in seinen Augen ein Strolch, ein Taugenichts, ein Tagedieb.“
„Was der Mann für ’ne phantastische Menschenkenntnis hat“, feixte der lange Blonde.
„Noch so eine Bemerkung, und deine Zahnbürste greift morgen ins Leere, mein Junge“, warnte Walter Schmidt und rutschte vom Hocker. „Alles, was an diesem Tisch gegessen und getrunken wird, geht auf meine Rechnung, klar?“
„Kannst du dir das überhaupt leisten?“
Walter Schmidt lachte. „Klar doch! Ich lass einfach anschreiben. Oder habe ich in diesem Rattenloch etwa keinen Kredit mehr?“ Er entfernte sich, seinen Cinzano-Soda nahm er mit. Er pflanzte sich vor Petras Tisch auf, setzte ein verwegenes Siegerlächeln auf und fragte mit dunkler Stimme: „So allein, schöne Frau?“
Eine so plumpe Anmache ärgerte Petra, deshalb wollte sie dem Aufreißer empfehlen, er möge sich dahin scheren, wo der Pfeffer wächst, oder, noch besser: gleich zum Teufel.
Sie hob den Kopf, und ihr Blick war eiskalt und abweisend, doch in der nächsten Sekunde hellte sich ihre Miene auf, und sie rief erfreut: „Walter! Was tust du denn hier?“
„Ich bin in diesem Lokal Stammgast“, antwortete Walter Schmidt. „Der Pizzabäcker ist mein Freund. Wir wohnen zusammen. Er und noch ein paar andere ausgeflippte Typen. Darf ich mich zu dir setzen?“
„Aber ja!“
„Du siehst toll aus, Petra.“
Er ist es, dachte sie spontan. Er soll der Vater meines Kindes sein.
„Ich habe Hunger“, sagte sie.
Er empfahl ihr, was sie essen sollte. „Das ist das einzige, was hier nicht nach geschmolzenen Autoreifen schmeckt“, scherzte er.
Sie lachte. Wunderschön war sie und begehrenswert.