Der Schuh. Gabriela Bock

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Der Schuh - Gabriela Bock

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Ich freute mich sehr darüber. Er hatte es super getroffen. Und dass er wegen mir durch die Parfümerien gestreift war.

      »Ich fand es geil an einer Kollegin«, sagte er.

      »Und an mir?« Ich hätte heulen können.

      »Auch gut«, meinte er und küsste mich. Von Franziska gab es Selbstgestricktes. Henry bekam einen dicken Norwegerpullover, passend für jemanden, der sich sehr viel im Freien aufhielt. Mein Pullover war aus weicher, weißer Angorawolle, extragroß, um auch noch einen dicken Babybauch wärmen zu können. Ich zog den Pullover gleich über, er stand mir hervorragend.

      »Sieh mal, gefalle ich dir darin?«, fragte ich Henry, dabei kam ich mir lächerlich vor, als ich mich so anpries.

      »Du riechst gut und siehst gut aus, Emi«, war seine Antwort.

      Nach der Bescherung stürmte ich ins Bad und begutachtete mich im Spiegel. Wenn er mich schön, aufregend und begehrenswert finden würde und ich ihn begeistern könnte, würde er anders reagieren. Und er würde es mir sagen, dachte ich. Er war nun mal kein Schmeichler. Solche Leute sagen immer die Wahrheit. Wenn ich mit den Kindern durch die Stadt ging, drehte sich sowieso kaum noch ein Mann nach mir um. Ich musste mich der Realität stellen. Ich war nicht mehr die Schöne, nach der die Männer verrückt waren, sondern eine, wenn überhaupt, durchschnittlich aussehende Frau, die Mitte zwanzig zum vierten Mal schwanger war und die außer Kinderkriegen nichts Richtiges auf die Rolle bekommen hatte.

      Jonas kam am 7. August 1981 per Kaiserschnitt zur Welt. Mir ging es hinterher schlecht und ich musste wegen Bluthochdruck und einer Venenentzündung noch zwei Wochen länger im Krankenhaus bleiben. Henry kümmerte sich rührend. Er besuchte Jonas und mich jeden Tag mit der Rasselbande und kam auch noch mal abends, um mit mir an der Weser spazieren zu gehen. Er sah mich liebevoll an und wir sagten uns, wie sehr wir uns lieben würden. Ich schmeichelte ihm, wo ich konnte, und machte ihm ständig ehrlich gemeinte Komplimente. Ich hielt es für eine Krankheit von ihm, die ich im Stillen als ›Zwang zur Ehrlichkeit‹ bezeichnete, dass er mir nie ein Kompliment zurückgab. Außer, dass er mich für eine gute Mutter hielt und ich ihnen allen sehr fehlen würde.

      Jonas war ein ruhiges, ausgeglichenes Baby. Als würde er ahnen, dass seine Mutter noch nicht so richtig bei Kräften war, benahm er sich pflegeleicht und schlief bereits nach sechs Wochen nachts durch. Ich hatte zwanzig Pfund zugenommen während dieser Schwangerschaft und befürchtete, ich müsste jetzt immer in Umstandsklamotten herumlaufen. Irgendwie ging die Ruhe des kleinen Jonas aber auch auf mich über und tat mir gut. Kim und Linda kamen in den Kindergarten. Manchmal fuhren wir alle gemeinsam zu Morgenstern. Ab und zu kam Eva aus Berlin vorbei. Bei ihren Besuchen handelte es sich immer um Blitzbesuche. Sie war aufgewühlt und tat geschäftig. Eva erzählte immer noch etwas von Gerd Blümel und sie hätte viel Interessantes in Berlin herausbekommen. Was, sagte sie aber nicht. Eines Tages würde ich alles erfahren. Onkel Ernst-Walter und Frau von Grosche machten nach wie vor Front gegen uns. Ich hatte Eva nichts von dem Gespräch mit Hans erzählt, trotzdem wusste sie, was für lächerliche Gerüchte dank Frau von Grosche in Bad Pyrmont und in Hameln die Runde machten. Zu Ernst-Walter hatten meine Eltern nach wie vor keinen Kontakt.

      »Mein Vater glaubt inzwischen, wir würden ihn alle verfolgen, und nur seine Sybille und ihr toller Neffe wären sein Seelenheil. Sein Wahn nimmt schon groteske Ausmaße an. Er beruhigt sich Tag und Nacht mit Valium und abends ... hoch die Tassen mit Sybille, Frank und seinem Frauchen. Emi, du weißt um die verheerende Wechselwirkung von Valium und Alkohol. Das kann tödlich enden.«

      Mein Leben war mit Kindern mehr als ausgefüllt und ich hatte mich noch nie so wenig wegbewegt wie in diesem Jahr. Die Wohnung im Haus meiner Eltern war viel zu klein für eine siebenköpfige Familie. Gerüchte gingen um, das Jugendzentrum würde bald schließen, und Henry bemühte sich verzweifelt um einen neuen Job. Bernd, der älter war als Henry, plante den Absprung in die Selbstständigkeit. Er war aus der Wohngemeinschaft aus- und mit seiner neuen Flamme Beate zusammengezogen. Beate arbeitete auch als Psychologin. Robert wohnte jetzt in Hamburg. Er rief von dort ab und zu an und erkundigte sich nach mir, Henry und den Kindern.

      Die Silvesterparty 81/ 82 wurde größer gefeiert. Die Zwillinge und Jonas übernachteten in ihrem Kinderzimmer bei Konstantin und Franziska. Niclas und Daniel feierten mit. Gabi war da. Helga ohne Paul, der hatte Bereitschaftsdienst, Bernd und Beate und eine neue Arbeitskollegin von Henry.

      Eva und Robert standen gemeinsam vor der Tür. Robert war extra in Hannover in den Zug gestiegen, mit dem Eva kam. Seine Freundin ließ sich entschuldigen, angeblich musste sie arbeiten, als Tänzerin am Theater. Eva wurde immer hübscher. Ich selbst fand mich mittlerweile optisch gewöhnungsbedürftig. Vollbusig und pummelig versteckte ich meine Figur in Jeans und indischen, extra weiten Baumwollhemden. Henry war es doch sowieso egal, wie ich rumlief. Ich brauchte ihn nie lange zu verführen. Wenn ihm danach war, nahm er mich. So einfach war das für ihn.

      Ich hatte lange Angst vor diesem Abend gehabt und mir immer wieder vorgestellt, wie Robert mich ansehen und auf mich reagieren würde, wo ich mich doch so verändert hatte.

      Der Blick, den Robert mir dann zuwarf, als er mit Eva auf den Flur kam, versuchte ich verzweifelt einzuordnen. So hatte er noch nie geguckt, aber es war zum Glück kein abwertender Blick gewesen.

      Henry spielte Gitarre und ich wünschte mir, er würde mir mal liebevoll zulächeln. An diesem Abend hatte er aber nur Augen für Melinda, eine neue Arbeitskollegin, von der ich bis dato nur vorgegaukelt bekommen hatte, sie wäre noch viel dicker als ich und hätte einen festen Freund. Natürlich stimmte das alles nicht. Henry wollte mir bloß meine Eifersucht nehmen. Ich wurde schon wie ein Pflegefall behandelt.

      Bernd beruhigte mich: »Ich glaube nicht, dass da was läuft zwischen den beiden, aber ich werde mir Henry mal zur Brust nehmen.«

      Ich war verzweifelt, irgendwie war alles aus der Bahn geraten. Ich saß im Bad und weinte, als Robert an die Tür klopfte. »Mach bitte auf«, bat er.

      Wir küssten uns. Er sagte, er würde Tag und Nacht an mich denken.

      »Ich werde immer hässlicher«, schluchzte ich.

      Er küsste mein Gesicht und zog mir die Bluse aus. Ich trug nie einen Büstenhalter. Er sah mich an mit seinen stechenden Augen, und ich badete mich in seinen Blicken. Es war, als wenn eine Energie in mich einfloss, die ich für eine lange Zeit konservieren musste. Henry sah mich nie so an. Robert hatte mich inzwischen völlig ausgezogen, mehrmals war an die Badezimmertür geklopft worden. Wir küssten und streichelten uns.

      »Du machst das doch jetzt nicht nur, um mich aufzubauen?«, fragte ich unsicher.

      »Ich liebe dich und genieße es, dich anzusehen. Du wirst für mich immer die attraktivste Frau der Welt bleiben.«

      Er hatte mir die Hände mit einem Haarband auf dem Rücken zusammengebunden und betrachtete und liebkoste meinen Körper.

      »Wenn ich die Augen schließe, sehe ich dich, auch wenn du nicht bei mir bist. Immer nur dich. Deinen Hals, dein zartes, sinnliches Gesicht. Deine wunderschönen blauen Augen. Wenn deine Haare über deine schmalen Schultern fallen. Dein Hexenmal. Wenn ich die Augen schließe, sehe ich dich vor mir, Emi.«

      Henry hatte aufgehört, Gitarre zu spielen, und als ich hörte,

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