Der weite Weg nach Westen. William H. Clark

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Der weite Weg nach Westen - William H. Clark Paperback

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Präsenz in der Region schien deshalb geboten, Flagge zeigen auch in Form einer Expedition angesagt.

      Ideologische Triebkräfte verstärken Jeffersons Drang nach Westen. Obwohl in seiner kulturellen Lebensart überzeugter Atlantiker, bleibt er als Virginier auch einem »Südstaatlertum« verhaftet, das sich im Drang nach Westen manifestiert, den Aufbruch in das Unbekannte als Chance für eine sich erweiternde Union versteht – im Gegensatz zu den »Neuengländern« des Nordostens, die darin Risiken für Überkommenes erblicken. Der »Herr von Monticello« predigt den Segen des Republikanismus, der solange bewahrt werden kann, wie freie Farmer auf eigenem Grund und Boden als eigenverantwortliche Individuen politische Bürgertugenden entfalten können: territoriale Expansion, Erkundung der »Terra incognita« diesseits und jenseits des Mississippi auch unter landwirtschaftlichem Aspekt geraten zu programmatischen Fixpunkten des Botschafters, Außenministers und Präsidenten Thomas Jefferson. So kräftig nährt die Ideologie des »Empire of Liberty« den Landhunger ihres Advokaten, dass selbst indianisches Schicksal in der Vision vom Westen »aufgehoben« ist: Eine vorläufige Lösung für die anhaltenden Konflikte zwischen »Rot« und »Weiß« mag in der Umsiedlung der im Osten lebenden und auf ihre Eigenständigkeit bedachten »red brethren« – später als »red children« apostrophiert – in Transmississippi-Regionen zu finden sein; östlich des großen Stromes neuer Siedlungsraum für die Weißen, westlich davon eine garantierte Schutzzone für indianische Stämme, jedenfalls solange die embryonale US-Armee den Ansturm von Abenteurern und Landsuchenden an der Trennlinie aufhalten kann. Nicht zuletzt beflügeln aber auch genuin wissenschaftliche Motive die einschlägigen Intentionen Jeffersons. Der »Aufklärer« und produktive Dilettant auf fast allen Feldern der Wissenschaften offenbart ein unbändiges Interesse an Erweiterung und Vertiefung gesicherter Kenntnisse von der Beschaffenheit »Louisianas«, umso mehr, als man mit Blick auf das jüngst erworbene Territorium vorerst auf schiere Vermutungen angewiesen war. Er will seine Vision vom »Westen« – ein »Garten Eden«, eine Region, die im Wesentlichen die Gegebenheiten der östlichen Hälfte des Kontinents widerspiegelte – von den Realitäten bestätigen lassen, hofft, nicht bloß den geistigen Horizont seiner Landsleute weiten zu können, sondern mit der Expedition dem Menschheitswissen zu dienen. Nicht zufällig lesen sich seine Instruktionen an Meriwether Lewis wie das Inhaltsverzeichnis einer Enzyklopädie des amerikanischen Westens. Jefferson legt großen Wert auf ethnografische Erkundungen; die einschlägigen Nachforschungen des »Corps of Discovery« dürfen auf Jahrzehnte hinaus als umfassendste Bestandsaufnahme der »Native Americans« westlich des Mississippi, ihrer Sprachen, Traditionen und Lebensformen gelten. Geografische und geologische Kenntnisse gilt es über »Louisiana« zu erlangen, Flüsse und Berge sind zu kartografieren, mineralogische Vorkommen festzuhalten, astronomische und meteorologische Beobachtungen aufzuzeichnen, das Wissen um Fauna und Flora zu mehren – und manches andere dazu.

      Verwundert es da nicht, dass der Präsident mit Meriwether Lewis, der bis dato gewiss keine wissenschaftlichen Meriten zu verzeichnen hatte, im unfertig-unwirtlichen Weißen Haus nicht bloß an langen Abenden einschlägige Pläne schmiedet, sondern ihn auch mit Leitung und Durchführung der Expedition beauftragt? Einem Briefpartner vertraut Jefferson die Aussichtslosigkeit an, »eine Persönlichkeit zu finden, die neben einer völligen Beherrschung der Botanik, Naturgeschichte, Mineralogie und Astronomie über eine kräftige Konstitution, Charakterstärke, Umsicht, geeignete Verhaltensweisen für das Leben in der Wildnis und Vertrautheit mit Sitten und Wesensart der Indianer verfügt, die für dieses Unternehmen erforderlich sind.« Während der Ausersehene die letzteren Eigenschaften uneingeschränkt besitze, eigne ihm, obwohl kein ausgebildeter Naturwissenschaftler, darüber hinaus eine scharfe Beobachtungsgabe, die es ihm gestatte, bislang Unbekanntes im Reich der Natur zu erkennen und zu beschreiben. Junge, leidensfähige Männer, keine Schreibtischgelehrten waren bei der Expedition gefragt, und was Lewis fehlte, würde ihm so gründlich, wie es die Kürze der Zeit erlaubte, von Wissenschaftlern in Philadelphia privatim eingetrichtert. »Er hat sich«, so der Briefschreiber, »für jene Ermittlungen von Längen- und Breitengraden qualifiziert, die notwendig sind, um die Geografie der eingeschlagenen Route zu fixieren«; es fehlt nicht viel, und Lewis wäre der amerikanische Alexander von Humboldt geworden.

      Unterweisung durch Gelehrte und Experten war eines; da gab der Übervater Jefferson ganz selbstverständlich die Richtung vor. Die organisatorische Vorbereitung des kühnen Projekts war ein anderes; da hatte Lewis selbst die wesentlichen Entscheidungen zu treffen. Auf seinen Rat hin wurde ein Kokommandeur ernannt; William Clark, vier Jahre älter als Lewis, erfahrener »Grenzer«, Soldat und Captain einer Kompanie, in welcher der Jüngere 1795/96 als Fähnrich gedient hatte, wird sich durch sein ausgeglichenes Wesen, seine soldatischen Tugenden und kartografischen Fertigkeiten sowohl als Stützpfeiler des »Corps of Discovery« erweisen, als auch zum wissenschaftlichen Ertrag des Unternehmens beitragen. Die beiden Captains haben ein kongeniales Team gebildet, sich in ihren Stärken und Schwächen vollkommen ergänzt; ohne solche Harmonie wäre die Expedition schon frühzeitig gescheitert.

      Nach mehrmonatigen Vorbereitungen im Jahre 1803 und dem Transport lebenswichtiger Expeditionsgüter den Ohio hinab bezieht die Truppe ein Winterlager am Ostufer des Mississippi nahe St. Louis. Am 14. Mai 1804 bricht das »Corps of Discovery« zur Reise in unbekannte Territorien auf. William Clark schreibt in sein Tagebuch: »Ich ließ 4 Uhr nachmittags im Beisein vieler Leute aus der Umgebung ablegen. Wir fuhren unter einer sanften Brise vier Meilen den Missouri hoch bis zum oberen Ende der ersten Insel …« Die Expeditionsmitglieder, vermutlich 50 an der Zahl, zeitweilig dienende Hilfskräfte eingeschlossen, ahnten an jenem 14. Mai, dass sie eine gefahrenträchtige Reise antraten. Einer von ihnen, der spätere Sergeant Patrick Gass vertraute seinen Reiseaufzeichnungen ihre Stimmung an. »Es war uns aus sicheren Nachrichten bekannt, dass das Land, das wir durchreisen sollten, von zahlreichen mächtigen und kriegerischen Völkern bewohnt wurde … Wenn wir dem Gerücht und einer allgemeinen Tradition Glauben beimessen wollten, so würden wir auch auf unserem Marsch durch völlig unübersteigliche Berge aufgehalten. Allein dagegen war die gesamte Truppe von Mut und Entschlossenheit beseelt. Es herrschte allgemein ein festes Vertrauen in die beiden Anführer, und wir selbst waren von dem Gefühl der Ehre und der Pflicht so lebendig durchdrungen, dass auch nicht die geringste Furcht oder Besorgnis Zugang in unsere Herzen fand.« Nur ein Einziger aus der bunten Truppe, die im Frühjahr 1805 zur »permanent party« reduziert wird – 34 Personen, die den gesamten Weg zum Pazifik und zurück bestehen, die zwei Captains, drei Sergeants, Soldaten, französische Bootsleute, Waldläufer und Dolmetscher, eine junge Indianerin, Sacagawea mit Mann und Baby, die im Winter 1804/05 zum Corps stoßen, der schwarze Yorck, Sklave William Clarks – ist nicht zurückgekehrt; am 20. August 1804 stirbt Sergeant Charles Floyd, wahrscheinlich an einer Bauchfellentzündung.

      Schwer beladen setzen sich an jenem 14. Mai 1804 ein »keelboat« (Flussbarke) und zwei Pirogen flussaufwärts in Bewegung, transportieren Handelswaren und Geschenkartikel (für die zu erwartenden Begegnungen mit indianischen Völkern), Nahrungsmittel, Waffen, Schießpulver, Arzneien, wissenschaftliches Gerät, Schreibutensilien, Whiskey und Tabak nicht zu vergessen, zehn Tonnen wohl alles in allem – drei Boote, die durch Rudern, Staken, Ziehen, günstigenfalls durch Segeln in Fahrt gehalten werden, wobei die Besatzungen, Tag und Nacht von Moskitoschwärmen bis aufs Blut gequält, angesichts von Sandbänken, Treibholz, Unwettern, tückischen Winden und widrigen Strömungsverhältnissen Schwerstarbeit verrichten müssen. Da verwundert die Disziplin der Truppe, die sich im Fortgang der Expedition stetig verfestigt. Vereinzelte Desertionsversuche, aufrührerisches Verhalten oder die Vernachlässigung von Dienstpflichten in der Frühphase des Unternehmens werden von den Captains und ad hoc einberufenen Standgerichten streng bestraft; die Abschreckung wirkt ebenso wie das Vorbild der beiden Befehlshaber und die sich ausbreitende Erkenntnis der Notwendigkeit verlässlicher Loyalität und opferbereiter Pflichterfüllung als Voraussetzung für das Gelingen des Projekts.

      Mit kaum zu erschütterndem Optimismus bestehen Lewis und Clark selbst äußerste Widrigkeiten; und bis zum Sommer 1805 wähnen sie sich auf einer Tour, die in einer halbwegs exakt kalkulierten Zeitspanne zu bewältigen sei. Man würde auf der ersten Etappe bis zu den Dörfern der Hidatsa- und Mandan-Indianer reisen, dem äußersten Punkt in »Louisianas« Nordwesten (beim heutigen Bismarck, der Hauptstadt von North

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