Propagandaschlacht ums Klima (Telepolis). Michael E. Mann
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Oder anders ausgedrückt, die Menschheit könnte das gleiche Schicksal erleiden wie die Dinosaurier nach einem massiven Asteroideneinschlag: ein sonnenlichtblockierender Staubsturm, der ihre Vorherrschaft vor 65 Millionen Jahren beendete. Sagan trug durch seine verschiedenen Interviews und einem Artikel für die weit verbreitete Sonntagszeitungsbeilage Parade zum öffentlichen Verständnis dieses Szenarios bei.
Sagan befürchtete, dass Reagans strategische Verteidigungsinitiative (SDI), die von vielen Falken des Kalten Krieges (Vertreter eines harten politischen Kurses gegen den sogenannten Ostblock) und Rüstungsunternehmen unterstützt wurde, zu einer Eskalation der Spannungen zwischen den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion und zu einer gefährlichen Anhäufung von Atomwaffen führen würde, was wiederum auf das Szenario des nuklearen Winters hinauslaufen könnte, dass er so sehr fürchtete. Aber, wie Oreskes und Conway in Merchants of Doubt bereits anmerkten, sahen die Physiker des Kalten Krieges bei GMI diese legitimen Bedenken bezüglich der SDI als Panikmache von mit der Sowjetunion sympathisierenden Friedensaktivisten an.25 In ihren Augen war schon das bloße Gedankengut eines nuklearen Winters eine Bedrohung für unsere Sicherheit. In Zusammenarbeit mit konservativen Politikern und industriellen Einzelinteressen versuchte das GMI-Trio, die besorgniserregenden Argumente zu diskreditieren, indem es die zugrundeliegende Wissenschaft attackierte. Dabei schreckten sie auch nicht vor Versuchen zurück, Carl Sagan persönlich in Verruf zu bringen. Die Angriffe fanden im Rahmen von Briefings an den Kongress und in den etablierten Zeitungen statt, wo sie Artikel veröffentlichten, um die Ergebnisse von Sagan und seinen Kollegen zu untergraben. Diese Kampagne beinhaltete sogar die Einschüchterung öffentlicher Fernsehsender, die eine Sendung über den nuklearen Winter in Erwägung zogen.26
Interessanterweise ist Sagans Anti-SDI-Kampagne höchst relevant für das zentrale Thema dieses Buches, denn die Simulationen zum nuklearen Winter, die Sagan und seine Kollegen durchführten, basierten auf globalen Klimamodellen der ersten Generation. Wenn man also der Wissenschaft des nuklearen Winters nicht zugeneigt war, würde man von der Wissenschaft des Klimawandels umso weniger angetan sein, die dieselben mächtigen umweltverschmutzenden Interessen anprangerte, die Organisationen wie GMI verteidigten. Mit dem Ende des Kalten Krieges gegen Ende der 1980er Jahre brauchten die GMI-Leute ein anderes Thema, auf das sie sich konzentrieren konnten, wie Oreskes und Conway feststellten. Mit saurem Regen und Ozonabbau waren sie noch bis Anfang der 1990er Jahre beschäftigt. Aber als diese Themen aus dem Blickfeld verschwanden, was zum großen Teil daran lag, dass, wie bereits erwähnt, schließlich sogar Republikaner Gegenmaßnahmen unterstützten, benötigten die GMI-Leute und ihre Gesinnungsgenossen ein weiteres wissenschaftliches Schreckgespenst, um ihre Existenz zu rechtfertigen. Der Klimawandel passte hervorragend ins Bild.
Kapitel 2
Die Klimakriege
Es gibt keinen Krieg, der alle Kriege beenden wird.
— Haruki Murakami
Wenn die Reichen Krieg führen, sind es die Armen, die sterben.
— Jean-Paul Sartre
Und so fängt es an
Anfang der 1990er Jahre war ich Doktorand und arbeitete an meiner Dissertation auf dem Gebiet der Klimawissenschaften im Fachbereich für Geologie und Geophysik an der Yale-Universität. Ich war vom Fachbereich Physik weggelockt worden, wo ich das Verhalten von Materie auf Quantenebene untersucht hatte. Stattdessen sollte ich nun das Verhalten unseres Klimasystems im globalen Maßstab untersuchen. Für einen ehrgeizigen jungen Physiker war die Klimawissenschaft ein noch wenig bearbeitetes Feld. Es gab noch große offene Fragen, zu denen ein junger Wissenschaftler mit Kenntnissen in Mathematik und Physik wesentliche Beiträge an der Spitze der Wissenschaft leisten konnte. Dies war meine Gelegenheit, die Vision zu verwirklichen, die Carl Sagan mir als Jugendlicher eingeflößt hatte – eine Vision der Wissenschaft als eine Suche nach dem Verständnis unseres Platzes in der umfassenden planetarischen und kosmischen Umgebung.
Mein Doktorvater war der Wissenschaftler Barry Saltzman, der eine Schlüsselrolle bei der Entdeckung des Chaosphänomens spielte – eine der großen wissenschaftlichen Entwicklungen des zwanzigsten Jahrhunderts. Jenes Chaos ist unter anderem dafür verantwortlich, dass man die genauen Einzelheiten des Wetters nicht länger als etwa eine Woche vorhersagen kann. Barry war ein Skeptiker – im wahrsten und ehrlichsten Sinne des Wortes. Anfang der 1990er Jahre war er nicht davon überzeugt, dass wir den menschlichen Einfluss auf unser Klima feststellen könnten. Dies war damals eine vertretbare Auffassung, da die verwendeten Klimamodelle noch recht einfach waren und die Anzeichen einer beginnenden Erwärmung in den etwa ein Jahrhundert alten globalen Temperaturdaten gerade erst ansatzweise aus dem Hintergrundrauschen der natürlichen Variabilität herauszuhören waren.
Andere Wissenschaftler, wie James Hansen, der prominente Direktor des Goddard-Instituts für Weltraumstudien der NASA – das gleiche Institut, das zuvor ausgerechnet von Robert Jastrow geleitet worden war – vertraten eine andere Meinung. Hansen war der Ansicht, dass wir bereits nachweisen konnten, dass menschliche Aktivitäten den Planeten erwärmen – insbesondere die Freisetzung von Treibhausgasen wie Kohlenstoffdioxid (CO2) durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe wie Öl, Kohle und Erdgas. An einem rekordverdächtig heißen Junitag 1988 in Washington, D.C., hatte Hansen vor dem Kongress erklärt: »Es ist Zeit, mit dem Geschwafel aufzuhören … Die Beweise sind eindeutig.« Die Unzufriedenheit der Reagan-Regierung mit Hansens öffentlichen Äußerungen hatte sich bereits vor diesem Junitag immer klarer abgezeichnet. Schon allein aufgrund seines Beamtenstatus bei der NASA wurden alle von ihm erstellten schriftlichen Stellungnahmen für die Kongressanhörung von der Regierung überprüft. Nach 1986 wurden sie vom Amt für Verwaltungs- und Haushaltswesen des Weißen Hauses wiederholt derart redigiert, dass ihre Wirkung heruntergespielt wurde. Verärgert kündigte Hansen schlussendlich 1989. Er versäumte jedoch nicht, die Öffentlichkeit darüber zu informieren, dass seine Aussagen vom Weißen Haus geändert worden waren.1
Als ich Anfang der 1990er Jahre damit begann, die Klimawissenschaften zu studieren, lag ich mit meiner Position noch näher an der von Barry Saltzman als an der von Hansen. Meine Forschung umfasste die Untersuchung der natürlichen Klimavariabilität auf Grundlage der Verwendung theoretischer Klimamodelle, Beobachtungsdaten und langfristiger paläoklimatischer Aufzeichnungen, einschließlich der Berücksichtigung von Baumringen und Eiskernen. Diese Untersuchung deutete darauf hin, dass es wichtige Mechanismen gab, die zu natürlichen Klimaschwankungen mit Zeitskalen von fünfzig bis siebzig Jahren führten, also fast so lange wie die Temperaturaufzeichnungen der Instrumente selbst. Zumindest überlagerten solch natürliche und langfristige Klimaschwankungen die Auswirkungen des vom Menschen verursachten Klimawandels.2
Es ist wichtig, hier den Überblick zu behalten. Denn obwohl die Wissenschaft noch immer darüber debattierte, ob bereits ein menschlicher Einfluss auf das Klima nachgewiesen werden konnte, bestand gleichzeitig breiter Konsens über die Grundlagen – also darüber, dass die Verbrennung fossiler Brennstoffe und die Erhöhung der Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre den Planeten erheblich erwärmen würde, was der große schwedische Wissenschaftler Svante Arrhenius bereits Ende des 19. Jahrhunderts festgestellt hatte. Es lohnt sich deshalb, die bereits in der Einleitung dieses Buches zitierten Worte der ExxonMobil-Experten aus den 1970er Jahren in Erinnerung zu rufen: »In der Wissenschaft ist man sich weitgehend darüber einig, dass … die menschengemachte Freisetzung von Kohlenstoffdioxid … durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe das globale Klima beeinflusst.« (Hervorhebung hinzugefügt).3 Der berühmte dänische Physiker Niels Bohr soll einmal gesagt haben: »Prognosen sind schwer. Vor allem wenn sie die Zukunft betreffen.«