Propagandaschlacht ums Klima (Telepolis). Michael E. Mann
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Propagandaschlacht ums Klima (Telepolis) - Michael E. Mann страница 11
Die Seitz-Täuschung
Spulen wir noch ein paar Jahre vor, bis 1997. Das Kyoto-Protokoll, ein Zusatz zum Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (Klimarahmenkonvention), war gerade verabschiedet worden. Es würde die Länder der Welt zu substanziellen Reduzierungen der CO2-Emissionen verpflichten, mit dem Ziel, »gefährliche anthropogene Störungen des Klimasystems zu vermeiden«.18 Der Druck auf politische Entscheidungsträger nahm zu. Die Mächte der Verleugnung und Verzögerung müssten zusätzliche Einheiten mobilisieren, wenn sie Aktivitäten zum Klimaschutz verhindern wollten.
Dabei sollten sie Gemeinsamkeiten mit einigen zunehmend sonderbaren Charakteren finden. Betrachten Sie beispielsweise Arthur B. Robinson, einen Chemiker mit zugegebenermaßen beeindruckenden Referenzen. Als ehemaliger Schützling des mit dem Nobelpreis ausgezeichneten Chemikers Linus Pauling leitet Robinson ein Familienunternehmen in Cave Junction, Oregon, dass sich das »Oregon Institute of Science and Medicine« nennt. Robinson hat im Laufe der Jahre einige sehr merkwürdige wissenschaftliche Hypothesen aufgestellt, darunter die diskreditierte Behauptung, dass Vitamin C Krebs verursachen würde. Er hatte auch großes Interesse darin, den Urin von Menschen zu sammeln und zu analysieren. Und ja, das ist jetzt kein Wunder, Robinson ist auch ein Leugner des menschengemachten Klimawandels, eine Position, mit der er sich in jüngster Zeit sowohl bei der rechtsgerichteten klimaleugnenden Mercer-Familie als auch bei der Trump-Regierung eingeschmeichelt hat.19
Im Jahr 1998, ein Jahr nach Kyoto, schloss sich Robinson mit unserem alten Freund Frederick Seitz zusammen, um die Unterstützung für das Kyoto-Protokoll zu untergraben. Die beiden organisierten eine Unterschriftenkampagne gegen das internationale Abkommen. Bis heute wird die »Oregon-Petition« mit 31.000 namentlich unterzeichnenden »Wissenschaftlern« als Beweis für eine weit verbreitete wissenschaftliche Gegenmeinung zu den forschungsbasierten Modellen des vom Menschen verursachten Klimawandels angepriesen – trotz der Tatsache, dass nur wenige der angeblichen Unterzeichner tatsächlich Wissenschaftler waren. Auf der Liste steht unter anderem Geri Halliwell, in den 90er Jahren als Sängerin der britische Pop-Band Spice Girls sehr bekannt oder auch B.J. Hunnicutt, eine Figur aus der Fernsehserie M*A*S*H. Ganz zu schweigen davon, dass ein Großteil der Unterzeichner, bei denen es sich tatsächlich um Wissenschaftler handelte, später angab, dass sie die Petition nicht mehr unterstützten oder sich nicht mehr an die Unterzeichnung der Petition erinnern konnten. Viele waren auch längst verstorben oder antworteten nicht, als sie von Scientific American kontaktiert wurden.20
Die Petition wurde zusammen mit einem Anschreiben und einem »Artikel«, der die wissenschaftlichen Beweise für den Klimawandel angreift, an eine umfangreiche Liste von Wissenschaftlern, Journalisten und Politikern verschickt. Der Artikel mit dem Titel »Environmental Effects of Increased Atmospheric Carbon Dioxide« (Umweltauswirkungen von erhöhtem atmosphärischem Kohlenstoffdioxid) wurde von Robinson, seinem Sohn Noah und dem Klimawissenschaftsleugner Willie Soon mitverfasst. Er wurde so formatiert, dass es so aussieht, als sei er in den prestigeträchtigen Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS), dem offiziellen Journal der ehrwürdigen Nationalen Akademie der Wissenschaften, veröffentlicht worden. Seitz unterschrieb den beiliegenden Brief sogar unter Verwendung seiner früheren NAS-Zugehörigkeit – er war Ende der 60er Jahre deren Präsident. Die NAS unternahm daraufhin den außergewöhnlichen Schritt, die Bemühungen von Seitz öffentlich als bewusste Täuschung anzuprangern. Sie stellte klar, dass ihre Position in dieser Frage – es herrschte nun Konsens darüber, dass der Klimawandel real und vom Menschen verursacht ist – genau das Gegenteil von dem war, was Seitz sagte.
Die gesamte Episode spielte sich zufällig nur wenige Tage vor der Veröffentlichung unseres »Hockeyschläger«-Artikels ab, der am 22. April 1998, dem internationalen Tag der Erde (Earth Day), in der Zeitschrift Nature erschien.21 Die Kurve zeigte das beispiellose Ausmaß der neuzeitlichen globalen Erwärmung. Sie sollte zu einem Symbol in der Klimadebatte werden. Sie – und ich – sollten bald zu einem Hauptangriffsziel werden.
Der Hockey-Kampf
Lassen Sie uns ein paar Jahre nach vorne springen, ins Jahr 2002, um auf das inzwischen berüchtigte »Luntz-Memo« zu stoßen. Frank Luntz ist ein professioneller Meinungsforscher, der die Republikanische Partei (auch »Grand Old Party«, GOP, genannt) seit langem in politischen Fragen berät – auf der Grundlage von Erkenntnissen aus Umfragen und Fokusgruppen-Interviews. In einem Memo aus dem Jahr 2002, das von einer Organisation durchgesickert ist, die The Environmental Working Group (Die Umweltarbeitsgruppe) heißt, warnte Luntz seine republikanischen, die fossile Brennstoffindustrie verhätschelnden Klienten davor, dass »sollte die Öffentlichkeit zu der Überzeugung kommen, dass die wissenschaftlichen Fragen geklärt sind, sich ihre Meinung über die globale Erwärmung entsprechend ändern würde«.22 Er empfahl, bei der Charakterisierung des Phänomens eine weniger bedrohliche Sprache zu verwenden und »Klimawandel« gegenüber »globaler Erwärmung« zu bevorzugen. Ironischerweise würde später genau die wissenschaftliche Gemeinschaft, die von den Klimaveränderungsleugnern beschuldigt wird, Panik zu verbreiten, immer häufiger diesen Begriff verwenden, einfach weil er eine umfassendere Beschreibung des Problems darstellt. »Klimawandel« beinhaltet nicht nur die Erwärmung der Erdoberfläche, sondern schließt auch das Abschmelzen von Eis, den Anstieg des Meeresspiegels, die Verlagerung von Niederschlagsgebieten und Wüstengürteln, veränderte Meeresströmungen und so weiter mit ein. Luntz schlug auch vor, dass die Republikaner »die globale Erwärmung als Theorie [und nicht als Tatsache] neu positionieren«. Auch das ist schon fast wieder lustig, da die Theorie die mächtigste aller wissenschaftlichen Gebilde darstellt. So ist bekanntlich die Schwerkraft auch nur »eine Theorie«. Das macht es aber noch lange nicht ungefährlich, von einer Klippe zu springen.
Luntz warnte weiter, dass »die wissenschaftliche Debatte [gegen die Republikaner] zwar abgeschlossen, aber noch nicht beendet ist. Es gibt immer noch ein Fenster um die Wissenschaft herauszufordern«, womit er beabsichtigte, Zweifel innerhalb der öffentlichen Wahrnehmung zu wecken. Auf den Vorschlag von Luntz hin haben die Interessensvertreter der fossilen Energiewirtschaft, die Politiker und deren Kampfhunde, die auf ihr Kommando hin handelten, ihren Einsatz im Angriff auf die Wissenschaft verdoppelt, indem sie eine Strategie verfolgten, den Überbringer der schlechten Nachricht zu brandmarken. Diese zielt darauf ab, die Wissenschaft, die die Besorgnis über den vom Menschen verursachten Klimawandel untermauert, als Ganzes zu diskreditieren. Ich selbst befand mich noch im Zentrum des Angriffs wegen der Hockeyschläger-Kurve, die in der Klimadebatte bald einen ikonischen Status einnahm. Sie sollte in der »Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger« des Dritten Sachstandsberichts des IPCC von 2001 als das wichtigste neue Beweisstück zum Klimawandel aufgeführt werden, das die Schlussfolgerung stützt, dass die jüngste Erwärmung zumindest in den letzten tausend Jahren beispiellos ist.23
Tatsächlich war das Hockeyschläger-Diagramm nur eine von vielen voneinander unabhängigen Grundlagen der Beweisführung, die mittlerweile vorlagen. Der menschliche Einfluss auf das Klima war ja bereits mit der Veröffentlichung des Zweiten IPCC-Sachstandsberichts im Jahr 1995 festgestellt worden. Dieses Instrument war jedoch überzeugender für Laien, im Gegensatz zu der eher abstrakten statistischen Arbeit hinter den wichtigsten Ergebnissen des vorangegangenen Berichts. Man brauchte nicht die Physik, Mathematik oder Statistik zu verstehen, die der Klimaforschung zugrunde liegen. Die eindrucksvolle Grafik vermittelte vieles davon in einem einzigen Bild. Die lange, sanfte Abkühlungstendenz, die den Abstieg von den relativ warmen Bedingungen des elften Jahrhunderts in die so genannte »Kleine Eiszeit« des siebzehnten bis neunzehnten Jahrhunderts kennzeichnet, ähnelt dem abgeschwächten »Griff« eines Hockeyschlägers, die abrupte Erwärmungsspitze