Propagandaschlacht ums Klima (Telepolis). Michael E. Mann
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Auch im US-Repräsentantenhaus gibt es einen wachsenden überparteilichen Ausschuss für Klimalösungen. Vor allem dank der Bemühungen der Citizens‘ Climate Lobby, einer internationalen Graswurzelbewegung, die Freiwillige ausbildet, die ihre politischen Repräsentanten in Klimafragen in die Pflicht nehmen, gibt es jetzt dreiundzwanzig republikanische Mitglieder des Ausschusses, die Maßnahmen zur Minderung von Klimarisiken unterstützen. Sogar einige der konservativsten Republikaner im Repräsentantenhaus – einschließlich Matt Gaetz aus Florida, der im Kongress oft als Pitbull von Donald Trump angesehen wird – erkennen, dass die Menschen in ihren Staaten nicht über den Luxus verfügen, über die Wissenschaft des Klimawandels zu debattieren, weil sie bereits jetzt unter seinen Folgen leiden. So hat Gaetz jene republikanischen Mitstreiter getadelt, die die Wissenschaft immer noch verleugnen.50
Es gibt Anzeichen dafür, dass einige der Führer der konservativen Bewegung ihre Haltung zum Klima mäßigen. Es gibt zum Beispiel den Steuergegner Grover Norquist, der zumindest auf die Möglichkeit einer Unterstützung für eine aufkommensneutrale CO2-Steuer angespielt hat.51 Ich habe mich im Herbst 2019 mit Norquist getroffen und habe ihn als informiert und nachdenklich in Bezug auf die Klimafrage erlebt. Und dann ist da noch Charles Koch, der verbliebene »Koch-Bruder«, dessen Bruder David im August 2019 verstorben ist. In einem Interview im November 2019 wurde Charles Koch mit den Worten zitiert: »Was wir von ihnen wollen, ist, dass sie eine Politik machen, die tatsächlich funktioniert und die tatsächlich etwas zur Reduzierung der CO2-Emissionen beiträgt, der vom Menschen verursachten CO2-Emissionen, und gleichzeitig das Leben der Menschen nicht verschlechtert«.52 Diese Worte klingen ermutigend, aber solange Koch seine Kampfhunde – die Interessenvertreter und Schwarzgeldtruppen, die weiterhin die Wissenschaft und die Wissenschaftler angreifen – nicht zurückpfeift und eine gutgläubige Bereitschaft zeigt, echte Klimalösungen in Betracht zu ziehen, ist es angebracht, skeptisch zu bleiben.
Tatsächlich sind die »Lösungen«, die von den Konservativen vorgeschlagen werden, oft keine wirklichen Lösungen. Denken Sie zum Beispiel an den Vorschlag des Republikanischen Senators Marco Rubio, dass sich die Menschen in Florida einfach an die Auswirkungen des Meeresspiegelanstiegs »anpassen« können (Was bedeutet das? Kiemen und Flossen wachsen lassen?).53 Aber es ist eine willkommene Veränderung und Anzeichen dafür, dass die Republikaner offenbar von der völligen Wissenschaftsverweigerung zu einer würdigeren Debatte über die Klimapolitik übergehen.
Die Untätigkeitsprediger – d.h. die Interessensvertreter der fossilen Brennstoffe und diejenigen, die nach ihrer Pfeife tanzen – haben ein einziges Ziel: nicht zu handeln. Wir könnten sie fortan auch als Inaktivisten bezeichnen. Es gibt sie in verschiedenen Formen. Das härteste Kontingent – die Verweigerer – sind, wie wir gesehen haben, im Aussterben begriffen, obwohl es immer noch eine Restpopulation von ihnen gibt. Sie werden ersetzt durch eine andere Spezies von Betrügern und Heuchlern, und zwar durch Verharmloser, Ablenker, Spalter, Verzögerer und Schwarzmaler – willige Teilnehmer an einer mehrgleisigen Strategie, die darauf abzielt, von der Schuld abzulenken, die Öffentlichkeit zu spalten, Maßnahmen durch die Förderung »alternativer« Lösungen, die das Problem nicht wirklich lösen, hinauszuzögern oder darauf zu bestehen, dass wir unser Schicksal einfach akzeptieren – da es ohnehin zu spät sei, etwas dagegen zu unternehmen – und wir deshalb das Öl genauso gut weiter fließen lassen können. Die Klimakriege sind also nicht beendet, sondern haben sich zu einem neuen Klimakrieg entwickelt. Die verschiedenen Fronten, an denen dieser Krieg geführt wird, sind Gegenstand der folgenden Kapitel.
Kapitel 3
Der »weinende Indianer« und die Geburtsstunde der Ablenkungskampagne
Gutes Handeln gibt uns selbst Kraft und inspiriert gutes Handeln in anderen.
— Plato
Aber unsere Energieprobleme sind in vielerlei Hinsicht das Ergebnis eines klassischen Marktversagens, das nur durch kollektives Handeln behoben werden kann, und die Regierung ist das Mittel für kollektives Handeln in einer Demokratie.
— Sherwood Boehlert, ehemaliger Abgeordneter des US-Repräsentantenhauses (für den Bundesstaat New York) und damaliger Vorsitzender des Wissenschaftsausschusses
In ihrem Bemühen, eine Politik zu besiegen, die sie als nachteilig für ihre Sache empfinden, haben Interessengruppen oft eine Strategie eingesetzt, die als Ablenkungskampagne bekannt ist. Diese Kampagnen zielen darauf ab, die Aufmerksamkeit von Forderungen nach gesetzlichen Reformen abzulenken und den Zuspruch für Maßnahmen zu dämpfen, die ein schlechtes, Verbraucher und Umwelt bedrohendes Verhalten der Industrie unterbinden würden. Die Verantwortung wird stattdessen auf das persönliche Verhalten und das individuelle Handeln übertragen. Es gibt zahlreiche Beispiele aus der jüngeren US-Geschichte, an denen die Tabakindustrie und die Waffenlobby beteiligt waren. Der Urtyp der Ablenkungskampagne ist jedoch zweifelsohne die Werbekampagne mit einem weinenden Indianer in den frühen 1970er Jahren.
Frühere Ablenkungskampagnen bilden den Ausgangspunkt, um die aktuelle Debatte über die Rolle des individuellen und kollektiven Handlungsspielraums bei der Bewältigung der Klimakrise zu verstehen. Ablenkung stellt eine entscheidende Komponente der mehrgleisigen Strategie dar, mit der die fossile Brennstoffindustrie auch heute gegen Versuche kämpft, ihre Tätigkeiten zu reglementieren. Sie ist eine wichtige Frontlinie im neuen Klimakrieg.
Ablenkungskampagnen
Der von der National Rifle Association (NRA) verwendete Slogan »Guns Don‘t Kill People, People Kill People« (Waffen töten keine Menschen, Menschen töten Menschen) kann als Lehrbuchbeispiel für eine solche Ablenkung angesehen werden. Er verfolgt die Absicht, von dem Problem des leichten Zugangs zu Angriffswaffen abzulenken und auf andere angeblich für Massenerschießungen verantwortliche Faktoren wie psychische Erkrankungen oder Gewaltdarstellungen in den Medien zu verweisen. Die auf diesem Slogan basierende Kampagne hat sich als bemerkenswert wirkungsvoll erwiesen, um eine vernünftige Reform des Waffenrechts zu verhindern. Eine kürzlich durchgeführte Umfrage ergab, dass 57 Prozent der Öffentlichkeit der Meinung sind, dass Amokläufe »Probleme bei der Identifizierung und Behandlung von Menschen mit psychischen Gesundheitsproblemen« widerspiegeln, während nur 28 Prozent das Phänomen auf allzu laxe Waffengesetze zurückführen. Satte 77 Prozent glauben, dass die tragische Schießerei an der Parkland High-School 2018 in Florida durch eine effektivere Untersuchung der psychischen Gesundheit hätte verhindert werden können. 1
Wie der Experte für Waffengewalt, Dennis A. Henigan, erklärte, »wird die politische Macht der Waffenlobby niemals überwunden werden, solange diese Mythen nicht zerstört sind. … Die Quelle der unverhältnismäßig großen politischen Macht der NRA ist nicht nur ihr Geld und die Intensität der Überzeugungsarbeit ihrer Anhänger, es ist auch die effektive Vermittlung einiger einfacher Prinzipien, die bei gewöhnlichen US-Amerikanern Anklang finden und sie davon überzeugen, dass Waffenkontrolle wenig mit der Verbesserung ihrer Lebensqualität zu tun hat«. Er merkte an, dass der »Waffen-töten-keine-Menschen«-Slogan »bemerkenswert effizient darin war, die Aufmerksamkeit von der Frage der Waffenregulierung auf die endlose und oft erfolglose Suche nach ›grundlegenderen‹ Ursachen krimineller Gewalt abzulenken.«2 Oder, wie der Journalist Joseph Dolman es ausdrückte, »es geht um die Macht