Blaulichtmilieu. Stefan Mühlfried

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Blaulichtmilieu - Stefan Mühlfried

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Ich wollte zur Polizei, aber dann kam dieser Mann, der sah arabisch aus oder vielleicht türkisch, ich weiß es nicht, und der schrie mich an und stieß mich weg.«

      »Und was dann?«

      »Er hat nach dem Koffer gegriffen, und ich dachte, er will den Schalter drücken und die Bombe in die Luft jagen. Ich hatte Angst um mein Leben, verstehen Sie? Deshalb habe ich versucht, ihm den Koffer wegzunehmen, damit er nicht an den Schalter kommen kann. Ich konnte doch nicht zulassen, dass jemand einfach so aus fehlgeleitetem Fanatismus diese ganzen Menschen umbringt!«

      »Wie kommen Sie darauf, dass er ein Fanatiker war?«

      »Das … nun ja, es war ein südländischer … Welchen Grund sollte sonst so jemand haben, ein Selbstmordattentat zu begehen? Das kann doch nur ein Islamist gewesen sein. Und im Fernsehen sagen sie auch, dass der IS dahintersteckt.«

      »Ich verstehe«, sagte Marie. »Aber konkrete Hinweise auf das Motiv des Täters haben Sie nicht, richtig?«

      »Konkrete Hinweise – er hat nicht ›Allahu Akhbar‹ gerufen, wenn Sie das meinen. Doch es war ein Türke oder sonst so ein Orientale, und er hatte eine Bombe. Und ich kann eins und eins zusammenzählen.«

      »Sie wollten ihm also den Koffer wegnehmen?«

      »Ja, richtig. Ich habe am Koffer gezogen, und er hat am Koffer gezogen, oben am Griff, und dann muss ich abgerutscht sein. Ich fiel nach hinten, bin noch einige Schritte weggestolpert und dann gestürzt. Und plötzlich war es, als ob die ganze Welt zusammenstürzen würde. Ich wusste sofort: Das war die Bombe, jetzt stirbst du.« Er fuhr sich mit der Hand über die Augen, berührte dabei die verbrannte Gesichtshälfte und zuckte zusammen. »Wissen Sie, ich bin nicht besonders religiös, aber Gott scheint seine schützende Hand über mich gehalten zu haben, sonst wäre ich nicht mehr hier.« Er lachte matt.

      »Können Sie sich erinnern, was nach der Explosion passiert ist?«, fragte Marie.

      Boskop schüttelte den Kopf, so gut er konnte. »Nein. Nur noch an einen Sanitäter, der mir sagte, dass alles gut wird.«

      »Ist Ihnen noch mehr aufgefallen?«

      »Nein. Zurzeit fällt mir nichts mehr ein.« Boskop tastete nach der Bedienung für das Bett und stellte das Rückenteil auf Liegeposition. »Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen wollen. Ich würde mich gerne ausruhen. Ein andermal mehr.«

      »Natürlich. Ich lege Ihnen meine Visitenkarte auf den Nachttisch. Sie können mich jederzeit anrufen.«

      Boskop nickte und wedelte schwach mit der Hand.

      Marie trat hinaus auf den Krankenhausflur mit den grellen Neonröhren und dem quietschenden Linoleum. In einer Nische stand ein Wasserspender; sie füllte einen Pappbecher, trank und dachte nach. Was Boskop berichtet hatte, klang glaubhaft und schlüssig. Sie würde es überprüfen, aber sie hatte keinen Grund, an seinen Aussagen zu zweifeln. Für einen verhinderten Selbstmordattentäter hielt sie ihn auf jeden Fall nicht.

      Ein Stück den Flur hinunter fand sie das Dienstzimmer und klopfte an. Eine Schwester öffnete, Marie zeigte ihren Dienstausweis und bat um ein Gespräch mit dem Stationsarzt. Der kam rund zehn Minuten später, führte sie in den Aufenthaltsraum und bot ihr Kaffee an, den sie dankend annahm.

      »Schwesternkaffee«, sagte der Arzt, ein jungenhaft wirkender Mann Mitte 30 mit Kunststoffbrille und weißem Polohemd statt Arztkittel. Auf seinem Namensschild stand »Dr. Kreuzer, Stationsarzt«. »Benutzen wir hier auch zur Wiederbelebung.« Er gab reichlich Milch in den Kaffee, dann schob er ihr die Packung hinüber. »Was kann ich für Sie tun?«

      »Ich wollte mich nach dem Gesundheitszustand von Herrn Boskop erkundigen.«

      »Sie wissen schon, dass die ärztliche Schweigepflicht mir verbietet, Ihnen Auskünfte zu erteilen?«

      »Sicher. Ich möchte mich nur mit Ihnen absprechen, ab wann Herr Boskop Ihrer Ansicht nach uneingeschränkt vernehmungsfähig ist.«

      »Waren Sie nicht gerade bei ihm?«

      »Ja, aber nur kurz. Wie Sie sich vorstellen können, habe ich viele Fragen an Herrn Boskop, die mir unter den Nägeln brennen.«

      Dr. Kreuzer zuckte die Schultern. »Das ist schwer zu sagen. Herr Boskop hat uns mit seiner raschen Besserung sehr überrascht. Zwar hat sich bald nach der Einlieferung herausgestellt, dass seine Verletzungen weit weniger gravierend waren als befürchtet. Wie schnell es mit ihm aufwärts ging, hat uns aber doch verblüfft. Der Unfall ist gerade mal drei Tage her, und er gibt schon Interviews.«

      »Das heißt bei uns Vernehmung.«

      »Weiß ich.«

      »Moment – er hat schon mit der Presse gesprochen?«

      Dr. Kreuzer runzelte die Stirn. »Kurz bevor Sie kamen. Hat er nichts davon gesagt?«

      »Nein. Wissen Sie, worum es ging?«

      »Keine Ahnung. Ich schätze mal, das werden Sie in spätestens zwei Stunden im Fernsehen sehen.«

      Und damit kündigte sich die nächste Überraschung an.

      Auf der Rückfahrt zum Polizeipräsidium klingelte Maries Telefon. Thewes war dran.

      »Wer war dieses Arschloch, das dich gestern im Büro besucht hat?«, fuhr er sie statt einer Begrüßung an.

      »Was? Wen meinst du?«

      »Na, wen wohl? Diesen Kerl, der gestern in unsere Nachmittagsbesprechung geplatzt ist, du weißt schon.«

      Ja, Marie wusste es. »Was ist mit ihm?«

      »Siehst du keine Nachrichten?«

      »Tut mir leid, Chef, ich arbeite. Und im Auto sehe ich grundsätzlich nicht fern«, sagte sie etwas schnippischer, als sie wollte.

      »Ja, ja, schon gut. Melde dich bei mir, wenn du da bist.« Er legte auf.

      Was, in drei Teufels Namen, hatte Tim nun schon wieder verbockt? Konnte der Kerl nicht einfach aus ihrem Leben verschwinden? Hatte sie nicht genug um die Ohren?

      Sie überlegte, aufs Gas zu treten, entschied sich aber dagegen. Wenn das mit Arthur so weiterging, wollte sie ihm lieber keinen Strafzettel wegen Geschwindigkeitsübertretung erklären müssen.

      Also zügelte sie ihre Ungeduld und stand erst 20 Minuten später vor Arthurs Büro. Sie holte tief Luft, drückte die Klinke hinunter und trat ein.

      Und musste sich das Lachen verbeißen.

      Neben dem Schreibtisch ihres Chefs stand ein rosa Hundekörbchen. Darin saß die entzückendste französische Bulldogge, die Marie sich vorstellen konnte, und sah sie mit aufgestellten Ohren erwartungsvoll an. Der Kontrast zwischen Arthurs finsterem Blick unter zusammengezogenen Augenbrauen und den treudoofen Kulleraugen der »blöden Töle« war zu viel für die härteste Mordermittlerin.

      »Wage es nicht«, knurrte Arthur, dem Maries zuckende Mundwinkel nicht entgangen waren. »Kein Wort!«

      Sie schüttelte den Kopf und presste die Lippen aufeinander. Rasch ging sie zum Besucherstuhl vor Thewes’ Schreibtisch

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