Chiemsee-Komplott. Caroline Sendele

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Chiemsee-Komplott - Caroline Sendele

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ich bin es. Tut mir echt leid, dass ich eben ausgerastet bin.«

      »Oliver, vergiss es, du hast vollkommen recht. Und ich schwöre dir, heute Abend bin ich um 18 Uhr zu Hause. Spätestens, versprochen. Nach der Pressekonferenz findet noch ein Umtrunk statt, und da sollte ich hin, weil RG was Größeres über Adelhofer will. Um 18 Uhr bin ich aber daheim, komme, was wolle. Das Ganze fängt erst um 14 Uhr an, ich hole Svenja auf alle Fälle von der Schule ab und ich kann auch noch mit ihr Burger essen. Nur das Kino müsstest du übernehmen. Du bist dann übrigens Svenjas Vater. Sie will unbedingt in den neuen ›Fack ju Göhte‹, der ist für Kinder unter zwölf nur in Begleitung eines Elternteils erlaubt. Bei zu übler Fäkalsprache halt ihr bitte die Ohren zu. Ich hab mich breitschlagen lassen, ihre halbe Klasse war schon drin.«

      »Alles klar. Auch noch gegen das Gesetz verstoßen. Super! Dann gehe ich aber selbstverständlich mit zum Burgerladen. Ohne einen Chickenburger ertrage ich diesen furchtbar gut aussehenden M’Barek nicht.«

      Katharina grinste vor sich hin. Chickenburger waren das einzige Fast Food, das ihr hypochondrischer Freund aß.

      »Hühnerfleisch ist fettarm, das verstopft die Arterien nicht wie Pommes«, pflegte er zu sagen, wenn er zwei Portionen Barbecuesauce zu seinem Burger orderte und anschließend genüsslich in das Hühnerpressfleisch biss.

      »Klar kannst du mit, ich dachte nur, dein Job und deine Kopfschmerzen …«

      »Das krieg ich irgendwie hin. Wenn du ab morgen dein Leben im Griff hast, werde ich ab sofort sowieso alle Zeit der Welt haben, um mich um meinen Beruf und meine Gesundheit zu kümmern statt um anderer Leute Kinder.«

      »Um 12.15 Uhr vor der Schule?«

      »Okay, bis später. Wenn du nicht da bist, werde ich mir mit Svenja übrigens nicht die Beine in den Bauch stehen, du weißt, wo du uns findest.«

      »Ich bin pünktlich«, sagte Katharina grimmig und legte auf.

      Die nächsten zwei Stunden verbrachte sie im Archiv von »Fakten« und suchte mit ihrer Freundin und Archivarin Birgit Wachtelmaier die wichtigsten Infos zu Robert Adelhofer zusammen. In kürzester Zeit hatte Birgit die verschiedenen Datenbanken abgefragt. Und obwohl Katharina ihre Freundin einige Jahre kannte, war sie über deren Schnelligkeit mal wieder überrascht. Sie passte nicht zu ihrem eher gemütlichen Aussehen. Birgit war mit ihren 38 Jahren das, was Frauenzeitschriften als »vollschlank« bezeichneten, dazu nur 1, 62 Meter groß. Und durch die enganliegende Kleidung, die sie liebte, wurde ihre Leibesfülle zusätzlich betont. Heute trug sie zu knallgelben Leggins schwarze High Heels – wobei »high« wörtlich zu nehmen war. Obenrum hatte sie sich in einen froschgrünen, mit Pailletten bestickten Body gezwängt. Ihre Outfits ergaben ein beeindruckendes Bild, das Katharina immer aufs Neue faszinierte. Seit der Scheidung von einem netten, etwas farblosen Beamten, den Birgit einst tatsächlich auf dem Finanzamt bei einem Beratungsgespräch für ihre Steuererklärung kennengelernt hatte, lebte sie ihre gewonnene Freiheit vor allem mit ihrer Kleidung exzessiv aus. Arnulf hatte sich damals Hals über Kopf in Birgit verliebt und sie genoss das Umsorgtwerden. Zehn Jahre später erwies sich das als zu wenig. Birgit lebte seit drei Jahren allein – glücklich, wie sie betonte.

      Um ihre Erscheinung noch farbenfroher zu gestalten, hatte sie heute ihre schulterlangen, schwarz gefärbten Haare mit einer Haarspange nach hinten gesteckt, auf der eine große rote Stoffblume leuchtete. Birgits Gesicht war sorgfältig geschminkt, Rouge und Lippenstift passten zur Haarspange. Während Katharina staunte, hörte sie Birgit streng sagen: »Du ziehst dir bestimmt noch was Anständiges an? Ich meine, diese alte Jeans und das graue Kapuzen-Shirt, das ist vielleicht was für den Spielplatz mit Svenja, aber nicht für die Adelhofer-Pressekonferenz. Der Mann ist schließlich wichtig, was glaubst du, wer da heute alles hingeht? Vielleicht wäre für dich auch einer dabei.«

      Katharina verbiss sich jeglichen Kommentar, schaute nur grinsend an sich runter und sagte: »Auf alle Fälle weiß mein Zukünftiger gleich, dass er sich auf eine Frau mit Kind einlässt. Ich bin nämlich tatsächlich in meiner Svenja-Kluft, weil ich mir eigentlich heute mit ihr einen schönen Nachmittag machen wollte.«

      »Von mir aus lass die Jeans an, aber zieh oben wenigstens Bluse und Blazer an, du weißt, ich habe reichlich Auswahl.« Tatsächlich hatte Birgit Wachtelmaier im Laufe der Jahre für ihre Freundin eine Art Kleider-Fundus bei sich im Archiv angelegt. Und sie war, wenn es um Katharinas Kleidung ging, geschmackssicher. Sie hatte sie des Öfteren vor peinlichen Auftritten bewahrt. Katharinas oberste Priorität in Sachen Mode war nämlich »praktisch«. Das bedeutete meistens – wie heute – T-Shirt, Hoodie, Jeans, Lederjacke und Sneaker, im Sommer Clogs oder Flipflops.

      »Danke, Birgit, bist ein Schatz, ich komme nachher noch vorbei.« Sie warf ihrer Freundin eine Kusshand zu und ging zurück in ihr Büro. Auf dem Weg warf Katharina einen kurzen prüfenden Blick in den Spiegel auf dem Damenklo. Zumindest hatte sie sich heute Morgen noch die Haare gewaschen und, wie ihre Friseurin ihr geraten hatte, lufttrocknen lassen.

      »Für Naturlocken das einzig Wahre, sonst stehen sie dir nur kreuz und quer vom Kopf ab«, hatte sie ihr beim letzten Besuch wieder gepredigt, nachdem sie Katharinas Mähne zu einer hübschen, halblang gestuften Frisur geschnitten hatte.

      »Für eine junge berufstätige Mutter genau das Richtige, schick und praktisch. Farbe brauchen wir noch keine, du hast ein fantastisches Naturbraun«, hatte Manuela festgestellt und sie zufrieden entlassen.

      »Danke für das ›jung‹«, hatte Katharina erwidert, die sich mit Anfang 40 für keine junge Mutter mehr hielt. Aber die Figur ist ganz nett, sprach sie sich Mut zu, als ihr prüfender Blick auf die untere Körperpartie fiel. Die Jeans war glücklicherweise ein neueres Modell einer edlen Marke, die sie sich nach der Medell-Sache gegönnt hatte.

      »Der beigefarbene Blazer sieht einfach toll aus zu deinen braunen Haaren und Augen«, hörte Katharina Birgit sagen, wenn sie nachher ihr Pressekonferenz-Outfit bei ihr ausleihen ginge.

      Sie wendete sich mäßig interessiert dem Fall Adelhofer zu. »Ein Mann wie ein Erdbeben«, titelte eine große Boulevardzeitung nach Adelhofers erster Fernsehshow. »Die deutsche Antwort auf Robert Redford« nannte eine Modezeitschrift ihr Fotoshooting mit »beautiful Robert«. Katharina grinste bei diesen einfallsreichen Schlagzeilen und schaute sich die Fotos von Adelhofer näher an. Skilehrertyp, dachte sie. Robert Adelhofer sah nicht nur so aus, er war tatsächlich Skilehrer und Bergführer gewesen, als ihn noch niemand kannte. Aus dieser Zeit grinste ihr von den Fotos der typische Vorzeige-Bayer aus dem Alpenvorland entgegen, mit dunkelblonden Locken, braungebranntem Gesicht und schlanker, hochgewachsener Figur. »Mit seinem charmanten Lächeln erobert er jede Frau im Sturm«, sinnierte die »Society«.

      Katharina bezweifelte, dass Robert Adelhofer das bei ihr gelingen würde.

      Dann kamen die Storys über das Ereignis, das Adelhofer berühmt gemacht hatte. Mit 24 Jahren, am 17. Oktober 2014, war er von Ramsau aus Richtung Watzmann aufgebrochen, dem bayerischen Schicksalsberg, an dem diverse Bergsteiger ihr Leben gelassen hatten. Es war der letzte schöne Herbsttag – für den Tag danach war ein Wetterwechsel angekündigt. Es wären nicht mehr viele Bergsteiger unterwegs. Genau so hatte Adelhofer das geplant. Eingeweiht war nur sein älterer Bruder Lukas, der ihn auf der Tour begleitete. Mit ihm hatte er zwei Jahre vorher eine Watzmann-Überquerung gemeistert, beide Brüder kannten die Gegend gut. Lukas Adelhofer wusste, dass er allein würde zurückgehen müssen. Robert wollte einen Winter lang in den Bergen überleben – ohne Unterstützung, ohne Vorräte, seine persönliche Challenge, wie er später erklärte. Lukas sollte das seinen Eltern mitteilen – ohne zu erwähnen, wo Robert losgelaufen war, und mit dem Hinweis, dass man ihn nicht suchen solle. Es würde ihn sowieso niemand finden, dafür werde er sorgen.

      Dass

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