Chiemsee-Komplott. Caroline Sendele

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Chiemsee-Komplott - Caroline Sendele

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murmelte Katharina vage und versuchte, durch ein paar kleine Schritte rückwärts aus Riebelgebers Dunstkreis zu fliehen.

      »Du glaubst doch nicht, dass die nur irgendeinem von diesen Lutschern erzählen, wo Lukas Adelhofer heute war. Der Mann hat Robert letztlich berühmt gemacht, hat für ihn Verträge mit Fernsehen und Printmedien abgeschlossen, hat alles für ihn getan und ist heute bei dieser Pressekonferenz nicht anwesend. Da muss ich nachher wohl dem Achim ein bisschen auf die Pelle rücken.«

      Armer Achim, dachte Katharina.

      »Wenn ich dem sage, was bei uns im Giftschrank für ein Artikel auf Veröffentlichung wartet, wird er bestimmt gesprächiger sein.«

      »Was für ein Artikel?«, fragte Katharina scheinheilig und dankte insgeheim bereits Birgits Hacker-Fertigkeiten.

      »Das musst du schon selbst recherchieren, der kleine Hinweis vom lieben Horst sollte genügen. Ich werde jetzt was essen.«

      Tatsächlich war inzwischen die Journalisten-Fragestunde zu Ende und wurde von der Schlacht ums kalte Buffet abgelöst. Katharina entdeckte Robert Adelhofer bei der Sushi-Station. Ihre eigene Abneigung gegen rohen Fisch musste sie ignorieren. Sie drängelte sich durch das Gewühl, um einen Platz in Adelhofers Nähe zu ergattern. Nachdem sie einer Blondine aus Versehen auf den Fuß getreten war und die daraufhin einen spitzen Schrei ausstieß, hatte Katharina ihr Ziel unfreiwillig erreicht: Alle Umstehenden inklusive Robert Adelhofer drehten sich nach ihr um. Er musterte sie mit einem interessiert-süffisanten Lächeln und steuerte mitsamt seinem Sushi-Teller auf sie zu. »Frau Langenfels, wie schön, ich hatte gehofft, dass Sie kommen würden. Allerdings hätte ich nicht vermutet, dass Sie sich in die Niederungen der Lebensbeichte eines Buben aus den Bergen begeben, als seriöse Journalistin. Freut mich natürlich sehr!«

      Adelhofer kannte sie also, vermutlich von der Medell-Sache. Die Blondine warf giftige Blicke zu ihr herüber. Adelhofer sah das und drehte ihr den Rücken zu. »Kommen Sie, Frau Langenfels, das reicht für zwei. Begleiten Sie mich nach nebenan, da haben wir unsere Ruhe.«

      Adelhofer steuerte auf eine kleine Tür direkt hinter dem Buffet zu, die von einem Sicherheitsbeamten bewacht wurde. Der ließ ihn sofort durch und verzog keine Miene, als Adelhofer mit einem genuschelten »die Dame gehört zu mir« Katharina hinter sich herlotste.

      Die Tür fiel ins Schloss und Katharina befand sich allein mit Robert Adelhofer in einem kleinen Raum, der sie an ihre einstige Lieblingsfernsehserie »Das Haus am Eaton Place« erinnerte. Schwere, braune Ledersessel, ein Kamin mit einem sicherlich nicht billigen Perserteppich davor, riesige Ölgemälde an den Wänden und dieselben Brokatvorhänge wie im Gelben Salon. Es fehlte nur noch der Butler Hudson, der mit würdigem Schritt und einer Kognak-Karaffe in der Hand durch den Raum schritt.

      Katharina setzte sich Adelhofer gegenüber in einen der Sessel und lehnte höflich ab, vom Sushi zu probieren. Adelhofer schien das nicht weiter zu stören, er schob sich lustvoll ein Stück rohen Fisch in den Mund.

      »Herr Adelhofer, ich arbeite an einer Serie über Sie und es wäre wunderbar …« Katharina kam nicht weiter. Achim Wedel riss die Tür auf und stürzte auf Robert zu. »Hier steckst du. Das gibt’s doch nicht. An dein Handy gehst du auch nicht. Wir müssen sofort fahren.« Nach einem kurzen entnervten Blick Richtung Katharina fixierte er Adelhofer, als würde der sich dadurch hypnotisch aus dem Sessel bewegen.

      Der blieb entspannt sitzen und sagte ruhig, mit nicht zu überhörender Schärfe: »Ich komme gleich, Achim. Wartest du bitte draußen?« Wedel machte auf dem Hacken kehrt und schloss die Tür hinter sich etwas zu laut. Adelhofer überging das.

      »Frau Langenfels, das tut mir ausgesprochen leid, entschuldigen Sie bitte Herrn Wedels ungebührliches Verhalten. Es ist offenbar wichtig. Dürfte ich Sie kommende Woche anrufen, damit wir unser Gespräch fortsetzen? Bitte seien Sie mir nicht böse.« Er hatte den »Der liebe Bub aus den Bergen«-Blick aufgesetzt, mit dem er offenbar bei den Frauen recht erfolgreich war. Katharina bemerkte das eher amüsiert.

      »Auf Wiedersehen, Herr Adelhofer. Ich freue mich auf unser Gespräch nächste Woche. Hoffentlich erwarten Sie keine schlechten Nachrichten.«

      Sie bemerkte ein kurzes Aufflackern von Unsicherheit in Adelhofers Gesicht, und schon war Katharina draußen. Der Bodyguard mit Knopf im Ohr stand weiterhin vor der Tür. Ein Stück entfernt telefonierte Achim Wedel. Er war sichtlich nervös, eine gegelte Haarsträhne war ihm ins Gesicht gefallen, er schien es nicht zu bemerken. Katharina nahm sich ein Glas Sekt, das eine Servierdame ihr anbot, und schlenderte durch den Salon. In Hörweite Wedels blieb sie stehen. Er konnte sie nicht sehen, schlemmende Kollegen verdeckten die Sicht.

      »Das weiß ich noch nicht, macht lieber einen Plan B … Heute auf keinen Fall … An den Chiemsee, habe ich doch gesagt … Ich habe keine Ahnung, wie lang er dableibt und ich habe auch keine Zeit mehr. Servus.« Wedel winkte nervös Adelhofer zu sich, der inzwischen aus dem Nebenraum gekommen war, und die beiden verschwanden.

      Katharina rief Birgit in der Redaktion an. »Schaust du mal, ob du den Rosenheimer Polizeifunk anzapfen kannst? Da muss irgendwas passiert sein. Ich sollte nach Hause, habe ich Svenja und Oliver fest versprochen.«

      »Alles klar, Chefin«, kam es gut gelaunt zurück. Dann war die Verbindung unterbrochen und sie wusste, dass ihre Freundin sofort beginnen würde, sich in geheime Netze zu hacken.

      Dienstagnachmittag,

      Breitbrunn am Chiemsee

      Malerisch lag die alte Scheune des Adelhofer-Hofs auf der kleinen Anhöhe inmitten einer saftigen Sommerwiese. Für Touristen war dieser Anblick normalerweise ein begehrtes Fotomotiv, man hatte von hier oben einen wunderbaren Blick auf den Chiemsee und einen Zipfel der Insel Herrenchiemsee. Für die Adelhofers stellte das Gebäude einen überflüssigen Rest der großen landwirtschaftlichen Vergangenheit dar. Ende des 18. Jahrhunderts hatte ein Urahn die Scheune aus Holz gebaut. Einige Hundert Meter vom Hof entfernt wurde hier das Heu der umliegenden Wiesen gelagert – und Generationen von Adelhofers hatten in der romantischen Abgeschiedenheit ihre Unschuld verloren.

      Das lag lange zurück, inzwischen stand die Scheune ungenutzt da und wurde in der Regel nur noch von Mäusen und Mücken bewohnt.

      Daher bot die Adelhofer-Höhe heute ein ungewohntes Bild. Mehrere Polizeiwagen hatten tiefe Spuren in die Wiese gegraben. Die ganze Scheune war weiträumig abgesperrt. Geduldig schickten Polizeibeamte ein paar Neugierige weg, die von dem Auftrieb auf der Höhe angelockt worden waren. Gesehen hatten den Tatort bislang nur Kriminalhauptkommissarin Nina Obermann, die Spurensicherung und der Streifenpolizist, den die Bereitschaftspolizei hier vorbeigeschickt hatte, nachdem ein Anrufer die Polizei in Prien über das Verschwinden von Lukas Adelhofer informiert hatte. Der Mann hatte die Scheune ins Spiel gebracht, aber angegeben, selbst nicht dort gewesen zu sein. »Des erspar’ ich mir lieber, ich kann mir vorstellen, wie’s da ausschaut.«

      Tatsächlich bot sich ein schrecklicher Anblick: Ein Toter lag inmitten einer riesigen Blutlache auf dem Boden. Eine Leiter führte neben dem Toten auf den oberen Scheunenboden. Von dort schien der Mann gefallen oder gesprungen zu sein, aus circa fünf bis sechs Metern, schätzte die Kommissarin. Der Schädel war am Hinterkopf eingedrückt, Hirnmasse war herausgelaufen. Über den Boden verteilt lagen NATO-Draht und Unmengen von Glasscherben, auf denen der Körper offenbar gelandet war. Wie die Unterseite des Toten aussah, mochte sich Nina Obermann lieber nicht vorstellen. Arme und Beine zeigten aberwitzige Verrenkungen, waren vermutlich mehrfach gebrochen. »Sammelt bitte alle Spuren, Fingerabdrücke, Stoffreste, Essensreste, liegen gelassene Tatwaffen, Abschiedsbriefe und so weiter.« Die genervten Blicke der Kollegen von der Spurensicherung verrieten, dass sie sich nicht gerne ihre Arbeit erklären

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