Chiemsee-Komplott. Caroline Sendele
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»Weil beautiful Robert clever ist und am Samstag die meisten Leute kommen. Werd’ erst richtig wach, bis später.« Deutlich unterkühlt wurde am anderen Ende der Hörer aufgelegt. Katharina seufzte und beschloss, eine Entschuldigung bei Birgit auf später zu verschieben. Der normale morgendliche Wahnsinn war angesagt. Wie üblich war sie zu spät dran, es führte nichts daran vorbei, demnächst den Wecker auf eine halbe Stunde früher zu stellen. Seit Svenja pünktlich um 8 Uhr in der Schule sein musste, war jeder Morgen die pure Hektik. Das Projekt »wie erkläre ich meiner Tochter, dass ich am Samstag weg bin, und was mache ich mit ihr während dieser Zeit« konnte sie Gott sei Dank vertagen, bis tatsächlich feststand, dass Lukas Adelhofer am Samstag zu Grabe getragen wurde.
Vielleicht war es doch Mord, dann ging es nicht so schnell.
Eineinhalb Stunden später saß sie an ihrem Schreibtisch in der Redaktion und hatte wieder das eigentlich Unmögliche geschafft: Svenja erfolgreich geweckt, in Rekordzeit Müsli mit frischem Obst und gemahlenen Nüssen – ihrer beider Lieblingsfrühstück – gezaubert, selbiges gemeinsam mit Svenja gegessen und sie dabei noch M, N und S vorlesen lassen – die drei neuen Buchstaben, die sie am Vortag gelernt hatte. Danach schnell angezogen, geschminkt (in maximal 90 Sekunden), Svenja in die Schule gebracht, in der Redaktion noch die Zeitungen zum Fall Adelhofer quergelesen, und pünktlich (!) um 9.30 Uhr hatte sie in der Redaktionskonferenz gesessen. Die »Abendausgabe« startete eine große »Robert-Adelhofer-Story«, Untertitel: »Vom Kuhstall am Chiemsee in die glitzernde deutsche Medienwelt«.
Das war ihrem Chef natürlich ein Dorn im Auge.
»Frau Langenfels, Sie haben es sicher gesehen, das Abendblatt zieht Adelhofer groß auf, zehnteilige Serie, aber nur mit altem Material. Die Fotos vom ersten Schultag, das Überleben des Bergwinters – alles tausendmal gesehen. Sie machen es bestimmt anders, wie wir es besprochen hatten, es muss polarisieren. Wir sollten es deutlich größer fahren, jetzt, wo der Bruder tot ist. Am besten wäre mindestens ein Zehnteiler über den wahren Robert Adelhofer, den, den man noch nicht kennt, das Verhältnis zu seinem Bruder, zu den Eltern. Dürfte kein Problem für Sie sein, oder? Gehen Sie auf die Beerdigung, versuchen Sie, nah an ihn ranzukommen, wir wollen nur Insiderinformationen. Sprechen Sie mit der Mutter, dem Vater, den alten Freunden. Wir starten diesen Donnerstag mit einem aktuellen Bericht und mit der Hintergrundstory nächste Woche, einverstanden? Wenn ein paar unerwartete Details vorkommen, wird es polarisieren.« RG grinste zufrieden.
Katharina nickte. Dass Adelhofer polarisierte, war Fakt. Birgit und sie waren dafür das beste Beispiel. Als könnte RG Gedanken lesen, sagte er: »Sie dürfen Frau Wachtelmaier für die nächste Zeit exklusiv mit Ihren Recherchen beschäftigen.«
Eigentlich freute sich Katharina über die neue Aufgabe. Durch den Tod des Bruders war etwas Unvorhergesehenes in Adelhofers perfekte Inszenierung geplatzt. Sie schaute auf das Foto der beiden Watergate-Journalisten, als müsste sie sich dort noch eine Bestätigung holen. Die beiden rauchten und beratschlagten wie immer.
»Alles klar, Herr Riesche-Geppenhorst.« RG nickte zufrieden.
Nach der Redaktionskonferenz ging Katharina als Erstes zu ihrer Freundin, um sich zu entschuldigen.
Als sie das Archiv von »Fakten« betrat, stand Birgit Wachtelmaier am Fenster, blickte hinaus und telefonierte – ihre Lieblingsposition, denn es entging ihr nichts, was auf der Straße passierte. Katharina hatte noch einen Moment Zeit, das erlesene Outfit der »Fakten«-Archivarin zu bestaunen. Heute trug Birgit einen pinkfarbenen Minirock, unter dem sich kleine Wülste abzeichneten. Birgit hatte vorgesorgt und Stretch gekauft. Zu dem Rock kombinierte sie schwarze Netzstrümpfe und atemberaubend hohe, diesmal goldfarbene Stöckelschuhe mit einem kleinen Glöckchen an der Ferse. Gut, dass sie allein im Büro sitzt, dachte Katharina. Jeder Kollege würde nach einem Tag Glöckchenklingeln kündigen, so viel, wie Birgit mit den Füßen wippte.
Oben herum hatte ihre Freundin heute eine transparente blaue Bluse an, darunter einen sicherlich sündhaft teuren Spitzen-BH, ebenfalls in Blau.
»Du, Servus, meine Liebe, bis Samstag, gell, endlich werden wir schlank, ich koche zehn harte Eier ab, kein Problem. Genau, Eier und Gurkensaft, wird gemacht. Du, ich muss Schluss machen, mein Chef will mich sprechen. Servus, bis Samstag.« Augenrollend legte Birgit auf, setzte sich an ihren Schreibtisch, hob die klingelnden Füße auf den Tisch und schaute Katharina vorwurfsvoll an.
»Sorry, Birgit, ich weiß, ich habe dich völlig grundlos angepfiffen, ich war müde und sauer, weil ich den Samstag nicht für Svenja habe. Übrigens, was hast du am Samstag vor mit Eiern und Gurken?«
Birgits Blick wurde freundlicher. Seit ihrer Scheidung gehörte das Ausprobieren neuer Ernährungsmodelle zu ihrem Leben. Vorher hatte es für Arnulf recht monothematisch Fleisch geben müssen, mal in Schweinsbraten-, mal in Fleischpflanzl-Form. Birgits Figur hatte das nicht gutgetan.
»Das frage ich mich auch. Die Mausi, mit der ich auf der Fortbildung zur Internetrecherche war, die hat Figur-Probleme. Sie hat mich überredet, am Samstag einen Entschlackungstag einzulegen – mit harten Eiern und Gurken –, angeblich der letzte Schrei der Ernährungslehre. Wenn du mich für Sonderschichten brauchst, mir ist jede Ausrede recht.«
»Birgitchen, ich hätte tatsächlich eine Idee.«
»Sprich und nenn mich nie mehr Birgitchen.«
»Was hältst du von einer Undercover-Recherche auf Lukas Adelhofers Beerdigung? Du gibst dich als Robert-Adelhofer-Fan aus und versuchst irgendwie, dich unters Volk zu mischen und zu hören, was geredet wird. Ich kann das nicht machen, mich kennen die Leute und sagen nichts. Und wenn, dann das, was sie demnächst in ›Fakten‹ lesen wollen.«
Birgit zog die frisch gezupften Augenbrauen hoch, nahm ihre Schuhe vom Schreibtisch, rückte den Rock zurecht, erhob sich und ging ernst auf Katharina zu.
Im nächsten Moment fiel sie ihr um den Hals und rief: »Geile Idee. Endlich kann ich mein ganzes Repertoire ausspielen. Ich gehe als Modell ›trauernde Katzenberger‹, ich habe noch ein paar schwarze Schuhe mit kleinen rosa Herzchen vorne auf der Spitze, und dieses schwarze, tief ausgeschnittene Kleid, ich werde …«
»Ich merke, wir verstehen uns.« Katharina grinste und sah die Beerdigungsszene genau vor sich.
»Du machst einen Schlachtplan und wir reden am Freitag, okay?«
»Okay, Chef«, strahlte Birgit und versuchte unter heftigem Glöckchenklingeln ihre Hacken aneinanderzuschlagen.
Als sie in der Tür war, drehte sich Katharina noch mal um und sagte grinsend: »Das mit dem Autogramm habe ich gestern nicht geschafft. Kannst du dir jetzt selbst holen. Nein, musst du sogar – aus rein professionellen Gründen natürlich.« Birgit zeigte einen Stinkefinger und nahm huldvoll klingelnd an ihrem Schreibtisch Platz.
»Obermann, Kripo Rosenheim.«
»Grüß Gott, Frau Obermann, mein Name ist Katharina Langenfels von ›Fakten‹ aus München. Ich arbeite an einer Serie über Robert Adelhofer.«
»Sie Arme«, kam die spontane