Alte Anker rosten nicht. Dagmar Maria Toschka
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Laut meinen Anweisungen sollte ich die große Treppe, die sich in der Mitte des Schiffes gegenüber der Rezeption befand, zwei Stockwerke tief hinuntergehen. An ihr war ich schon einige Male vorbeigegangen. Es handelte sich um eine pompöse Wendeltreppe mit breiten blauen Stufen. Sie führte in ein rundes Loch, das mit einem weißen Geländer umgeben war, damit kein Passagier hineinfallen konnte. Aus der Entfernung wirkte es wie das Geländer eines Swimmingpools. Auf der Treppe kamen mir gut gelaunte Herrschaften entgegen, einige im Bademantel. In der zweiten Etage unterhalb der Lobby wirkte alles ein wenig enger und dunkler, es gab nur noch Bullaugen und keine großen Fenster mehr wie in den oberen Stockwerken. Auf Hinweisschildern stand »Fitnessraum« und »Saunabereich«. Hier war es wohlig warm, das Licht gedimmt, es roch nach Minze und Honig. Ich sollte den Gang links entlanglaufen bis an sein Ende, dort würde eine Tür einen Spaltbreit für mich offen stehen. So ging ich an Sauna und Fitness vorbei auf eine Tür zu. Kurz bevor ich sie erreichte, kam Behorn mir aus ihr entgegen.
»Linda, da sind Sie ja. Kleine Planänderung. Ich schulde Ihnen noch Champagner. Der steht oben schon für uns bereit.«
Sanft berührte er mich am Rücken und führte mich zurück in Richtung Treppe. Bevor ich etwas sagen konnte, legte er seinen Arm um meine Hüfte. »Habe ich Ihnen schon gesagt, wie feurig Ihre Augen im Dunkeln funkeln?«
Es war ein Jammer, dieser Galanterie eine Absage erteilen zu müssen. Er küsste mich aufs Ohr. »Sie duften wunderbar. Chanel?«, fragte er im Flüsterton.
»Das Bordduschgel.«
»An Ihnen vollbringt es Wunder.«
Mir fiel nicht mehr ein, wie das mit den Komplimenten ging. Ob sie dazu da waren, ernst genommen zu werden, so rein inhaltlich. Bei Licht betrachtet, und von dem gab es auf dieser Treppe nicht sehr viel, also auch bei wenig Licht betrachtet, war meine Ehe mit Adi zu einer komplimentfreien Zone geraten. Das letzte dieser Art musste kurz nach der Bronzezeit gefallen sein. Außer einem »Lecker« beim Essen erinnerte ich mich an nichts und fühlte mich dementsprechend aus der Übung. Wie reagierte man jetzt? Gab ich eins zurück? Herrje, war ich verkorkst. Während dieser stillen Grundsatzdiskussion mit mir selbst führte mich Herr Behorn zielstrebig die zwei Etagen wieder hoch in den Eingangsbereich. Frau Hurter war an der Rezeption im Gespräch mit einem Gast. Herr Behorn nahm seinen Arm von meiner Hüfte, lief schweigend neben mir zurück in meinen Kabinengang und hielt gleich vor der ersten Tür. Er residierte demnach zwei Kabinen von mir weg, nur Enni wohnte noch dazwischen, und ich war froh, dass die mich hier nicht mit ihm sah. Er steckte seine Karte in den Schlitz und öffnete die Tür. »Treten Sie ein in mein bescheidenes Reich.«
»Unsere Reiche sind hier doch alle gleich bescheiden.«
Seine Kabine glich haargenau der meinen. Derselbe kleine Vorraum, durch den man eintrat, rechts die Badezimmertür, links der Kleiderschrank aus Zedernholz, dahinter öffnete sich die Kabine mit dem großen Bett. Auf einem kleinen Tisch standen zwei gefüllte Champagnerschalen. Er reichte mir eine. Wir tranken und schauten einander an. Ich genoss das erfrischende Prickeln auf meiner Zunge. Aber es war ihm gegenüber nicht fair, die Wahrheit noch länger hinauszuzögern. Er machte es mir nicht leicht, ihn abzuweisen.
»Lieber Herr Behorn.«
»Gunnar.«
»Lieber Gunnar.«
Er legte einen Finger auf meine Lippen, fuhr ganz sachte mit seiner Nasenspitze über meine Ohrmuschel, folgte dann mit seiner Zunge. In mir setzte sich etwas in Bewegung, das sich anfühlte wie ein Rinnsal im Wüstensand. Dann fuhr er mit seiner Zunge über meine Augenbrauen und in meinen Mund. Das Rinnsal wurde Sturzbach. Mein Denken setzte aus. Ich erwiderte seinen Kuss. Mein Pulsschlag tanzte Tango, und es gab keinen Ort an meinem Körper, an dem ich diese Zunge nicht spüren wollte.
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