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irritierenden Situationen thematisiert werden. »Ambivalenz ist eine Folge der Komplexität, der Vielschichtigkeit und Multikausalität der Welt« (Jekeli 2002: 8). Gute Lehre muss den Lerner_innen demnach die Möglichkeit geben, diese Komplexität eigenverantwortlich und aktiv zu erfahren, neue Denkmuster kennenzulernen und sich Lösungsräume zu erschließen. Dazu müssen Lehrinhalte und Lernumgebungen anhand dieser Zielsetzungen geplant und Lernprozesse gesteuert werden.

      Von besonderer Bedeutung ist unserer Meinung nach dabei die Ausbildung einer Diversitätskompetenz. Diese setzt sich aus einer Kombination aus Wissen, Einstellungen und Haltungen sowie konkreten Fähigkeiten und Fertigkeiten zusammen, deren konkrete Inhalte häufig in Merkmalslisten (Aschenbrenner-Wellmann 2003: 212) dargestellt werden. Wichtig ist darüberhinausgehend jedoch eine prozesshafte und situationsbezogene Betrachtungsweise, die Diversitätskompetenz als Ergebnis eines Lern- und Veränderungsprozesses sieht, die aber je nach Begegnungssituation und Prozessbeteiligten sowie Rahmenbedingungen (Macht, Strukturen der Organisation, rechtliche Konstellationen etc.) unterschiedlich ausgeprägt sein kann. Durch diese Diversitätskompetenz soll ein Abbau von Stereotypen und Vorurteilen bewirkt werden. Eine Kombination von methodischen und haltungsmäßigen Bestandteilen wie z. B. von Reflexivität, Partizipation und Empowerment begünstigt die Entwicklung hin zu einer Gesamtkompetenz (Aschenbrenner-Wellmann 2009).

      Ebenso wie Lernsettings können auch Organisationen in sehr unterschiedlicher Weise mit der vorhandenen Diversität umgehen. Ignorieren und negieren ist ebenso möglich wie der bewusste Umgang mit Vielfalt oder die Akzeptanz von Diversität und Differenz als Lernherausforderung. Je nach Diversitätsreife und Organisationskultur ergeben sich sehr unterschiedliche Anforderungen an Managing-Diversity-Prozesse, da Lernorte, Kontexte, individuelle Lernpraxen und organisationale Veränderungsprozesse in jeweils unterschiedlicher Ausprägung angesprochen und involviert sind (image Teil III). Grundsätzlich lassen sich Top-down- und Bottom-up-Ansätze unterscheiden. »Während zu Beginn eine von der Unternehmensführung getragene top-down Einführung unerlässlich ist, um den klaren Willen zur Implementierung herauszustreichen, wird vor allem in der Phase des Mainstreamings eine bottom-up Implementierung und damit eine partizipative, von einer breiten MitarbeiterInnenschaft getragene Unternehmensgestaltung wichtig für den Erfolg« (Gitzi/Köllen 2006: 25). Als praktisches Problem stellt sich dabei heraus, dass in größeren Organisationen nicht alle Mitarbeiter_innen an den Entscheidungsprozessen beteiligt werden können und damit die Gefahr verbunden ist, dass die Kompetenzen und Interessen der Nicht-Partizipierenden keine Berücksichtigung finden. Unter Kosten-Nutzen-Argumenten wird zudem häufig der hohe Zeitaufwand für Beteiligungsverfahren aufgeführt. Dennoch bleibt ein starkes Argument für die Umsetzung von Partizipation innerhalb der Organisation aus psychologischer Sicht der Bereich der Selbstwirksamkeit, Motivation, Wertschätzung; Aspekte, die mit einer unmittelbaren Einflussnahme verbunden sind und im Hinblick auf den Erfolg von Diversitätslernen nicht vernachlässigt werden dürfen.

      Neben der Akzeptanz der Vielfalt innerhalb einer Gruppe oder Organisation als Lernherausforderung hat sich innerhalb dieser Bedeutungsdimension das Diversitätslernen sowie das Interkulturelle Lernen als eigene Disziplin entwickelt. Auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen beiden Konzepten wird ausführend in Teil II eingegangen (image Teil II).

      Praxisbeispiel: Interkulturelles Lernen

      Sie bieten als Sozialarbeiter_in ein offenes Treffen für Menschen mit und ohne Migrationshintergrund an.

      → Innerhalb dieser Treffen können alle Beteiligten miteinander in Kontakt kommen, die verschiedenen Kulturen, deren Praktiken und Werte kennen und verstehen lernen und hierdurch mit- und voneinander lernen.

      Praxisbeispiel: Diversitätslernen

      Sie besuchen oder leiten als Sozialarbeiter_in einen »Anti-Bias-Workshop«.

      → Ziel dieser Workshops ist es, »sich der eigenen Vorurteile bewusst zu werden und auf dieser Grundlage diskriminierendem Handeln entgegenzuwirken« (Trisch 2015: 5). Dieser Ansatz richtet sich an alle Menschen und soll Raum schaffen, in dem Reflexionsprozesse möglich sind und Handlungsmöglichkeiten hin zu einer diskriminierungsfreien Gesellschaft in den Blick genommen werden (Schmidt 2012: 43).

      Diversitätslernen unterscheidet sich vom Lernen unter homogenen Bedingungen hinsichtlich der Lerninhalte, des Lernkontexts und der Lernanreize (Breitenbach 1975). Die Intention des Diversitätslernens ist es, vorschnelle Kategorienbildungen sowie »Essentialisierungen, festlegende Zuschreibungen, pauschalierende Negativbewertungen, Ausgrenzungen und Diskriminierung« abzubauen (Leiprecht 2008: 108). Im Prozess des Diversitätslernens reflektieren die Beteiligten in einer gestaltungsoffenen und heterogen verlaufenden, Bildungsfortschritte ermöglichenden Lernkultur ihre eigenen Wirklichkeitsvorstellungen und -konstruktionen durch die Begegnung und Auseinandersetzung mit Anderen. Dabei wird vorausgesetzt, dass neuen Lehr- und Lerninhalten durch die Veränderung von bereits gelernten Erfahrungsmustern begegnet werden muss. Diese Bereitschaft, bereits Erlerntes zu ändern oder zu erweitern, ist bei jeder bzw. jedem von uns in unterschiedlichem Maße und in jeweils unterschiedlicher Qualität gegeben. Das erforderliche Aushalten der Verunsicherung und der Vorläufigkeit ist einerseits grundlegende Fähigkeit, andererseits aber auch Voraussetzung für ein erfolgreiches Diversitätslernen.

      Um Lernprozesse in dieser Weise organisieren und gestalten zu können sowie das Interesse der Lerner_innen an selbstreferenziellen Lernprozessen zu erhöhen, ist eine neue Lernkultur notwendig, die auf Vertrauen, Verantwortung und Reflexivität aufbaut und durch offene Kommunikationssettings Raum für Begegnung, Gestaltung, Entwicklung und Veränderung gibt (Aschenbrenner-Wellmann 2009; Koall/Bruchhagen 2005).

      Interkulturelles Lernen hingegen findet dann statt, wenn eine Person bestrebt ist, im Umgang mit Menschen einer anderen Kultur deren spezifisches Orientierungssystem der Wahrnehmung, des Denkens, Wertens und Handelns zu verstehen, in das eigenkulturelle Orientierungssystem zu integrieren und auf ihr eigenes Denken und Handeln im fremdkulturellen Umfeld anzuwenden. Eingeschlossen ist hierbei die Reflexion des eigenkulturellen Orientierungssystems. Interkulturelles Lernen ist diesem Verständnis nach erfolgreich, wenn eine handlungswirksame Synthese zwischen den unterschiedlichen Orientierungssystemen erreicht wird (Thomas 1993: 382). Adressat_innen interkultureller Lernprozesse sind alle in einer multikulturellen Gesellschaft zusammenlebenden Menschen und nicht nur Migrant_innen und Flüchtlinge. Interkulturelles Lernen ist weniger ein Fach als vielmehr ein Prinzip, und seine wesentlichen Ziele sind die Begegnung mit anderen Kulturen, die Beseitigung von kontaktverhindernden Barrieren und die Herbeiführung von interkulturellen Austauschsituationen (Hohmann 1989: 16). Als Lernprinzipien werden Teilnehmer_innen-, Situations- und Wissenschaftsorientierung genannt; sie sollen gesellschaftskritisch-innovatorisch, pragmatisch und bedürfnisorientiert ausgerichtet sein (Linke 1996: 141). Erfahrungsoffenheit und Handlungsbezogenheit (Luchtenberg 1995) werden ebenso als wesentliche Prinzipien genannt wie Empathie, Toleranz, Begegnung, Anerkennung von Gleichwertigkeit und Respekt (Auernheimer 2010).

      Die meisten Konzepte zum Interkulturellen Lernen und zur interkulturellen Pädagogik (z. B. Auernheimer 1990; Prengel 1995) gingen bzw. gehen davon aus, dass Einwander_innen Fremde sind, deren Fremdheit durch ihre Herkunftsländer bzw. die Entwicklung eigenständiger Einwander_innenkulturen in der jeweiligen Aufnahmeregion bedingt ist. Diese Fremdheit soll verstanden und akzeptiert werden. Kritiker_innen dieser Programmatik der interkulturellen Pädagogik (wie z. B. Hartmut Griese 1984; Frank-Olaf Radtke 1991; Franz Hamburger 1994; Doron Kiesel 1996; Albert Scherr 1998) argumentieren dagegen u. a. damit, dass die wesentliche Ursache von Konflikten in Einwanderungsgesellschaften nicht kulturelle Unterschiede seien, sondern Strukturen und die Praxis von ökonomischer, politischer

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